„Das vergangene Pandemie-Jahr hat in aller Deutlichkeit gezeigt, dass physische und psychische Gewalt weiterhin zum Alltag vieler Frauen gehören“, bekräftigt Prof. Dr. Maria Wersig, Präsidentin des djb. „Der Schutz vor und der Umgang mit dieser Gewalt ist relevanter denn je. Es muss für Bund und Länder Priorität haben, die durch die Istanbul-Konvention vorgegebenen Maßnahmen endlich umzusetzen!“
Die Istanbul-Konvention gilt in Deutschland seit dem 1. Februar 2018. Sie verpflichtet Bund, Länder und Kommunen, umfassende Maßnahmen zur Verhütung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt jedweder Art, zur Unterstützung und zum Schutz der Betroffenen sowie zur Bestrafung der Täter zu ergreifen. Die Umsetzung der Vorgaben der Istanbul-Konvention wird in einem Monitor-Verfahren durch GREVIO (Group of experts on action against violence against women and domestic violence) überprüft. Die Staaten haben in Evaluationsrunden aufzuzeigen, inwieweit sie die geforderten Maßnahmen umgesetzt haben. Der djb hat die bestehende Möglichkeit genutzt und in einem umfassenden Parallelbericht die bestehenden Defizite aufgezeigt (www.djb.de/presse/stellungnahmen/detail/st20-31). Trotz der bereits existierenden Regelungen und Maßnahmen gegen geschlechtsspezifische Gewalt sowie verschiedener Ansätze, um den Schutz auszuweiten und die Vorgaben der Konvention umzusetzen, besteht in Deutschland noch erheblicher Handlungsbedarf.
Das Jahr 2020 war durch die Reaktionen auf die Corona-Pandemie bestimmt, deren soziale und ökonomische Folgen noch nicht vollends abzusehen sind. Doch schon in den ersten Monaten der Pandemie wurde an vielen Orten eine deutliche Zunahme häuslicher und sexualisierter Gewalt beobachtet. Die Situation von Frauen in gewaltvollen Beziehungen hat sich dabei erheblich verschärft, insbesondere, weil der Zugang zu Schutz und Beratung erschwert ist, wenn Betroffene infolge von Betriebsschließungen, Homeoffice oder Ausgangsbeschränkungen permanent der Überwachung durch den Täter unterliegen. Zugleich können nicht alle Frauen die ihnen zustehende Unterstützung und den gebotenen Schutz erhalten, da nach wie vor Beratungsstellen und Frauenhäuser nicht in ausreichender Zahl und Ausstattung vorhanden sind. Der djb wiederholt daher nachdrücklich seine Forderung nach einer sicheren, bedarfsgerechten und angemessenen Finanzierung von Frauenhäusern und Fachberatungsstellen.
Als „Schatten-Pandemie“ ist Gewalt gegen Frauen ein Problem, das alle betrifft. Ge-schlechtsspezifische Gewalt gegen Frauen ist unabhängig von Alter oder finanziellem Hintergrund. Jede vierte Frau in Deutschland hat im Laufe ihres Lebens mindestens einmal körperliche und/oder sexuelle Übergriffe durch einen Beziehungspartner erlebt. Durchschnittlich jeden Tag wird eine Frau in Deutschland von ihrem (Ex-)Partner lebensgefährlich attackiert; jeden dritten Tag stirbt eine Frau. Gewalt gegen Frauen ist aber kein Frauenproblem. Es ist ein Problem, das alle angeht. Denn nur in einer Gesellschaft, die frei von geschlechtsspezifischer Gewalt ist, können alle Menschen selbstbestimmt und gleichberechtigt leben.
Quelle: Pressemitteilung des djb vom 1.2.2021
Auch Cornelia Möhring, stellvertretende Vorsitzende und frauenpolitische Sprecherin der Fraktion DIE LINKE, mahnt nachdrücklich mit Blick auf das Jubiläum der Konvention: „Seit mittlerweile drei Jahren ist die sogenannte Istanbul-Konvention in Kraft – aber die Bundesregierung klopft sich für den formalen Akt immer noch auf die Schultern, anstatt endlich konsequent an der Umsetzung zu arbeiten. Dabei lobt sie sich gerne als Verfechterin von Frauenrechten, mahnt die Unterzeichnung des internationalen Gewaltschutzabkommens und deren Einhaltung auch von anderen Staaten an. Doch sie täte gut daran, intensiver vor der eigenen Haustüre zu kehren“.
Möhring weiter: „Im letzten Jahr sind hierzulande über 160 Frauen ermordet worden, mindestens 115.000 Frauen waren von 'häuslicher Gewalt' betroffen, sexualisierte und digitale Gewalt gehören für viele Frauen zu ihrem Alltag. Das Ausmaß der Gewalt an Frauen nimmt durch die Corona-Pandemie noch zu – für viele Frauen wird das Zuhause zur Falle.
Es fehlen mindestens 15.000 Frauenhausplätze, das Hilfesystem ist chronisch unterfinanziert, Zwangssterilisationen von Frauen mit Beeinträchtigungen sind tatsächlich noch Praxis, Migrantinnen müssen in Angst vor Abschiebungen leben, weil ihnen ein vom gewalttätigen Ehemann unabhängiges Aufenthaltsrecht verwehrt wird.
Den warmen Worten aus Debatten und Länderrunden müssen endlich konkrete Taten folgen und umgehend eine gesicherte Finanzierung des Hilfesystems auf den Weg gebracht werden. Gewaltschutz ist ein verfassungsrechtliches Gebot.“
Quelle: Pressemitteilung Nr. 0068 von Cornelia Möhring vom 29.1.2021
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