Ein Leben frei von Gewalt ist für zu viele Frauen in Deutschland nicht möglich

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Trotz bestehender Verpflichtungen der Regierung werden Frauen und Mädchen in Deutschland nicht effektiv vor Gewalt geschützt, kritisierte das zivilgesellschaftliche Bündnis Istanbul-Konvention (BIK) anlässlich des Internationalen Tags zur Beseitigung der Gewalt gegen Frauen am 25. November.

„Deutschland lässt gewaltbetroffene Frauen und ihre Kinder im Stich. So kann und darf es nicht weitergehen“, sagt Sabine Bösing, Bündnisrätin und stellvertretende Geschäftsführerin der BAG Wohnungslosenhilfe. Mit Inkrafttreten der Istanbul-Konvention in Deutschland im Februar 2018 hat sich die Bundesregierung dazu verpflichtet, Gewalt gegen Frauen und Mädchen nachhaltig zu bekämpfen und zu verfolgen. „Das Eintreten für die Rechte aller gewaltbetroffenen Frauen ist Aufgabe der ganzen Gesellschaft. Dafür braucht es einen Bewusstseinswandel in Politik und Verwaltung. Schutz vor geschlechtsspezifischer Gewalt ist ein Menschenrecht, dafür treten wir ein“, so Bösing weiter.

Der Evaluierungsbericht der unabhängigen Expert*innenkommission des Europarates (GREVIO) ist ein deutlicher Appell zum Handeln an die Bundesregierung. Die Maßnahmen zur Umsetzung der Istanbul-Konvention in Deutschland reichen in vielen Bereichen der Konvention nicht aus. Vielversprechende Ansätze sind zwar in verschiedenen Kommunen und Bundesländern erkennbar, aber nicht flächendeckend umgesetzt. Daher fordert das Bündnis, eine politische Gesamtstrategie gegen Gewalt auf Bundesebene. Nur damit kann geschlechtsspezifische Gewalt wirksam und auf allen Ebenen bekämpft werden.

Das Bündnis fordert weiter, dass Gewaltschutz Vorrang vor Umgangs- und Sorgerecht hat. Auch die Umgangsregelungen nach sexualisierter Gewalt bedürfen dringend einer Überarbeitung im Sinne der IK. Umgangssituationen, in denen beispielsweise Kinder übergeben werden und die Mutter auf den gewaltausübenden Vater trifft, sind noch immer besonders gefährliche Situationen für Mütter. Sie können mit Gewalt bis hin zur Tötung der Mutter oder der Kinder durch den Vater enden. „Diese Femizide sind verhinderbar, wenn die geplante Familienrechtsreform den Vorschriften des Artikel 31 IK Rechnung trägt“, betont Britta Schlichting, Bündnisrätin und Vertreterin der Zentralen Informationsstelle Autonomer Frauenhäuser.

Deutlich werden die Lücken auch im Gewaltschutz für Frauen, die aufgrund von Wohnungslosigkeit, Sprachbarrieren, fehlenden Rechtssystemkenntnissen, ihres Aufenthaltsstatus oder einer Behinderung kaum Unterstützung erhalten. Das Bündnis fordert, dass Maßnahmen zum Schutz von Frauen vor Gewalt für alle Zielgruppen zugänglich sein müssen. „Frauen und Mädchen, die besonders auf Hilfe angewiesen sind, werden aufgrund von verschiedenen Ausschlussmechanismen am meisten im Stich gelassen“, so Dr. Delal Atmaca, Bündnisrätin und Geschäftsführerin bei DaMigra.

Das BIK begrüßt die angekündigte Rücknahme der Vorbehalte gegen Artikel 44 und 59 IK, stimmt aber der Erklärung der Bundesregierung nicht zu, dass Artikel 59 ohnehin vollständig umgesetzt sei. Die derzeit bestehende Regelung zum eigenständigen Aufenthaltsrecht von Ehegatt*innen (§31 AufenthG) wird vielen Frauen, die sich aus ihrer Ehe lösen wollen und die infolgedessen Angst um ihr Aufenthaltsrecht haben müssen, nicht gerecht. „Dadurch fehlt es Frauen nicht nur an Schutz, sondern sie sind aufgrund bestehender Gesetze gezwungen, mit Gewalt und Missbrauch zu leben, weil sonst eine Abschiebung drohen kann“, fasst Dr. Atmaca zusammen.

Quelle: Pressemitteilung des djb vom 25.11.2022


Partnerschaftsgewalt: Zahl der Opfer in fünf Jahren um 3,4 Prozent gestiegen

Während die Anzahl der Opfer von Gewalt in Partnerschaften von 2020 auf 2021 um drei Prozent gesunken ist, stieg sie in den vergangenen fünf Jahren insgesamt um 3,4 Prozent, von 138.893 in 2017 auf 143.604 im vergangenen Jahr. Ganz überwiegend trifft diese Gewalt Frauen, während die Täter meist Männer sind: 2021 waren 80,3 Prozent der Opfer weiblich, 78,8 Prozent der Tatverdächtigen waren männlich. Das zeigt die Kriminalistische Auswertung Partnerschaftsgewalt 2021, die Bundesfrauenministerin Lisa Paus und Bundesinnenministerin Nancy Faeser mit dem Präsidenten des Bundeskriminalamtes, Holger Münch, am 24. November 2022 in Berlin vorgestellt haben.

Bundesfrauenministerin Lisa Paus: „Jede Stunde erleiden durchschnittlich 13 Frauen Gewalt in der Partnerschaft. Beinahe jeden Tag versucht ein Partner oder Expartner eine Frau zu töten. Fast jeden dritten Tag stirbt eine Frau durch ihren derzeitigen oder vorherigen Partner. Das ist die Realität. Realität ist auch, dass viele Gewaltopfer Angst haben, sich Hilfe zu holen. Deshalb brauchen wir ein flächendeckendes, niedrigschwelliges Unterstützungsangebot, in der Stadt genauso wie auf dem Land. Ich kämpfe dafür, die Lücken im Netz der Frauenhäuser und Beratungsstellen zu schließen. Wir werden eine einheitliche Rechtsgrundlage schaffen, um die Hilfeeinrichtungen verlässlich finanziell absichern zu können. Damit Frauen in Zukunft überall in Deutschland einen sicheren Zufluchtsort und kompetente Beratung und Hilfe finden.“

Bundesinnenministerin Nancy Faeser: „Wir dürfen Gewalt gegen Frauen niemals akzeptieren. Sondern wir müssen ihr entschlossen entgegentreten! Für uns als offenes und demokratisches Land ist die Gleichstellung von Männern und Frauen ein unabdingbarer Teil unseres gesellschaftlichen Wertefundamentes. Wir müssen Gewalt gegen Frauen noch klarer als solche benennen und noch besser erfassen, um sie wirksam bekämpfen zu können. Es darf keinerlei Verharmlosung von Gewalt gegen Frauen geben. Wenn Männer Frauen töten, weil sie Frauen sind, dann ist es angemessen und auch notwendig, von „Femizid“ zu sprechen. Männer, die Gewalt gegen Frauen ausüben, egal ob psychische oder physische, sind Straftäter. Straftäter, die wir mit aller Härte verfolgen. Denn was sie tun, ist abscheulich und steht unseren gesellschaftlichen Grundwerten fundamental entgegen.“

Der Präsident des Bundeskriminalamts, Holger Münch: „Der Begriff Partnerschaftsgewalt umfasst sowohl psychische als auch physische Gewalttaten – bis hin zu Tötungsdelikten. Auch wenn wir mit -2,5% der Fälle in 2021 einen leichten Rückgang verzeichnen, zeigt die Tendenz bei den registrierten Fallzahlen in diesem Kriminalitätsbereich in den vergangenen Jahren kontinuierlich nach oben. Zudem werden viele dieser Taten, denen inmitten unserer Gesellschaft tagtäglich weit überwiegend Frauen zum Opfer fallen, nach wie vor nicht bei der Polizei gemeldet. Für das BKA ist es daher eine Kernaufgabe, das Dunkelfeld weiter auszuleuchten und mit entsprechender Forschung Informationen zur Verbreitung, Risikofaktoren, dem Anzeigeverhalten sowie der Nutzung von Hilfs- und Unterstützungsangeboten zu generieren. Denn nur auf Grundlage einer soliden Datenbasis lassen sich wirkungsvolle Bekämpfungs- und Präventionskonzepte erarbeiten. Darüber hinaus gilt: Hinsehen statt wegschauen! Sowohl die Beratungsstellen als auch die Polizei sind für Sie da. Jede Anzeige eines solchen Delikts – durch Betroffene selbst, aber auch durch Zeuginnen und Zeugen – trägt dazu bei, die Täter zur Verantwortung zu ziehen.“ Kernaussagen zur Partnerschaftsgewalt 2021 (in Klammern die Angaben für 2020):

  • 143.016 Fälle von Gewalt in Partnerschaften (146.655)
  • 143.604 Opfer (148.031), davon 80,3 % weiblich (115.342), 19,7 % männlich (28.262)
  • Art der Delikte:
    • 59,6 % vorsätzliche einfache Körperverletzung
    • 24,2 % Bedrohung, Stalking, Nötigung
    • 12,2 % gefährliche Körperverletzung
    • 2,5 % Vergewaltigung, sexuelle Nötigung, sexuelle Übergriffe
    • 0,3 % Mord und Totschlag
    • 1,3 % andere Delikte

Die Polizeiliche Kriminalstatistik registriert die Straftaten nicht nach der Tatzeit, sondern zum Zeitpunkt der Abgabe an die Staatsanwaltschaft.

2021 wurden insgesamt 369 Personen als Opfer von versuchtem und vollendeten Mord und Totschlag (0,3 %) erfasst. Die Anzahl der Opfer bei vollendetem Mord und Totschlag lag bei 121, davon 109 weibliche und 12 männliche. Hinzu kommen vier Fälle von Körperverletzung mit Todesfolge durch Partnerschaftsgewalt bei Frauen und zwei Fälle bei Männern. Damit sind 113 Frauen und 14 Männer Opfer von Partnerschaftsgewalt mit tödlichem Ausgang geworden.

Trotz Pandemie und Corona-Schutzmaßnahmen ergab sich auch 2021 kein signifikanter Anstieg der Fälle von Partnerschaftsgewalt: Insgesamt wurden 139.327 Fälle von Partnerschaftsgewalt mit Tatzeit innerhalb des Jahres 2021 registriert. Das entspricht einem Anstieg von 0,6 % verglichen mit dem Vorjahr. Möglicherweise hat die Situation während der Pandemie das Anzeigeverhalten von Opfern und die Möglichkeiten zur Aufdeckung durch Dritte beeinflusst. Daher könnte sich das tatsächliche Ausmaß von Partnerschaftsgewalt vergrößert haben, ohne von der Polizei registriert zu werden. Darauf deuten die Auswertungen des bundesweiten Hilfetelefons „Gewalt gegen Frauen“ hin. Diese zeigen, dass die Zahl der Beratungskontakte in den Corona-Lockdowns zugenommen hat: 2021 wurden mehr als 54.000 Beratungen dokumentiert, rund fünf Prozent mehr als im Vorjahr.

Um einen besseren Einblick in das sogenannte Dunkelfeld zu erhalten, führen das Bundesinnenministerium und das Bundesfrauenministerium gemeinsam mit dem Bundeskriminalamt eine repräsentative Befragung zu Gewalterfahrungen durch, die nicht der Polizei gemeldet wurden. Die Studie soll helfen, Kenntnisse über das Dunkelfeld bei häuslicher Gewalt und sexualisierter Gewalt zu sammeln, um Hilfsangebote und Opferschutzangebote zielgenau ausbauen zu können.

Zur Auswertung

Quelle: Pressemitteilung des BMFSFJ vom 24.11.2022


IG Metall fordert sofortige Ratifizierung der ILO-Konvention 190 gegen Gewalt und Belästigung in der Arbeitswelt

Die IG Metall fordert die Bundesregierung auf, auf europäischer Ebene Druck für die Ratifizierung der ILO-Konvention 190 zu machen. Diese regelt das Recht auf eine Arbeitswelt ohne Gewalt und Belästigung. Danach kann die Übersetzung in nationales Recht folgen.

Jede sechste Frau in Deutschland hat bereits sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz erlebt, jede dritte Frau macht in ihrem Leben die Erfahrung physischer und/oder sexualisierter Gewalt. Die Bekämpfung und Prävention leidet an vielen Stellen jedoch unter Unwilligkeit und Blockadehaltung, so auch bei der ILO-Konvention 190.

Christiane Benner, Zweite Vorsitzende der IG Metall: „Gewalt gegen und Unterdrückung von Frauen müssen endlich der Vergangenheit angehören, eine Blockade dessen ist nicht nachvollziehbar. Wir sehen, wie mutig die Frauen, aber auch Männer in Iran gegen ein Unterdrückungsregime und für ihre Freiheit eintreten. Diese inspirierenden, furchtlosen Menschen sollten uns Ansporn sein, nachdrücklich für Frauen, Leben, Freiheit einzustehen.“

Wie viele andere Orte ist auch der Arbeitsplatz für viele Frauen nicht der sichere Ort, der er sein sollte. Sexuelle Belästigung, psychische oder körperliche Gewalt aber auch Hass im digitalen Raum haben häufig zur Folge, dass Frauen ihrer Arbeit nur unter Angst nachkommen können.

Christiane Benner betont die wichtige Rolle von Gewerkschaften im Kampf dagegen: „Eine sichere Welt für Frauen muss auch eine sichere Arbeitswelt einschließen. Dafür setzen wir uns als Gewerkschaft jeden Tag, an diesem Tag aber ganz besonders ein. Mit dem starken Einsatz für betriebliche Anlaufstellen im Sinne des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes, die nun vom Arbeitgeber einzurichten sind. Mit Betriebsvereinbarungen, die partnerschaftliches Verhalten am Arbeitsplatz fördern und regeln. Und mit ständiger Unterstützung und Weiterbildungsangeboten für Frauen, die damit als starke Akteurinnen im Betrieb auftreten. Die ständig wachsende Zahl an Betriebsrätinnen und Betriebsratsvorsitzenden bestärkt uns in diesem Weg.“

Die Ratifizierung der ILO-Konvention würde einen weiteren wesentlichen Schritt hin zu einer gewaltfreien Arbeitswelt bedeuten. Damit sich die Arbeitsbedingungen wirklich bessern, müssen es die unterzeichnenden Staaten allerdings in nationales Recht übernehmen, umsetzen – und dazu ratifizieren. Da europäische Regelungsinhalte berührt sind, muss der Europäische Rat EU-Mitgliedstaaten zunächst zur Ratifizierung ermächtigen. Doch einige Mitgliedstaaten blockieren. Diese Haltung hält die IG Metall für nicht richtig und fordert daher die Bundesregierung zu größerem Druck auf.

Quelle: Pressemitteilung der IG Metall vom 25.11.2022

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