Nach dem rechtsterroristischen Anschlag in Hanau entschied Serpil Unvar, ihrem Sohn an seinem Geburtstag (14. November) ein Denkmal zu setzen. Vor genau einem Jahr gründete sie die Bildungsinitiative Ferhat Unvar, um Rassismus in der Gesellschaft den Kampf anzusagen. Am 13. November 2021 erhielt sie den Aachener Friedenspreis 2021 für ihr Engagement gegen Rassismus. Am 14. November eröffnete die Bildungsinitiative ihre Räumlichkeiten in der Hanauer Innenstadt mit einem Tag der Offenen Tür.
Dazu sagte Serpil Unvar: „Für mich ist die Arbeit der Bildungsinitiative kein Spiel. Sie ist wichtig, weil ich nicht will, dass noch eine Mutter ihr Kind durch einen rechtsterroristischen Anschlag verliert. Wir haben unter anderem Workshops zum Umgang mit Rassismus entwickelt, die wir an Schulen in Hanau kostenfrei anbieten. Das tun wir bisher ehrenamtlich. Finanziell haben wir vor allem Unterstützung aus der Zivilgesellschaft, durch Spenden. Dafür wollen wir uns heute bedanken! Aber von Spenden allein wird unsere antirassistische Arbeit auf Dauer nicht stattfinden können. Wir brauchen zuverlässige und umfangreiche Förderung von staatlicher Seite.“
Die Bildungsinitiative Ferhat Unvar fordert von der neuen Bundesregierung:
Strukturelle Förderung für kleine bis mittlere Organisationen, die antirassistische Bildungsarbeit an der Basis machen. Die Ampelkoalition muss endlich das versprochene Demokratiefördergesetz auf den Weg bringen.
Ein besseres Antidiskriminierungsgesetz auf Bundesebene und Länder-Antidiskriminierungsgesetze. Das stärkt die demokratische Gesellschaft. Wir brauchen unabhängige Beschwerdestellen für Eltern, Kinder und Jugendliche, die an Schulen rassistische Diskriminierung erleben.
Wir möchten an die Koalitionsverhandelnden appellieren: lassen Sie Opfer und Angehörige von rechtsterroristischen Anschlägen nicht allein. Nehmen Sie antidemokratische Entwicklungen und Rechtsextremismus ernst. Und bringen Sie ein Gesetz auf den Weg, das die staatliche Förderung der rassistischen AfD-Stiftung verhindert!
Bei einer gemeinsamen Pressekonferenz äußerten sich auch Expert*innen dazu:
Prof. Dr. Meron Mendel, u.a. Direktor der Bildungsstätte Anne Frank: „Wir erleben in Deutschland eine neue Hochphase von rechter Gewalt, Rassismus und Antisemitismus. Die Feind*innen der Demokratie bringen sich in allen Milieus in Stellung und arbeiten erfolgreich an ihrer Vernetzung – sei es in Internetforen oder im akademischen Bereich im Geflecht der rassistischen AfD-Stiftung. Die neue Regierung muss klare Kante zeigen: mit einem Demokratiefördergesetz und gesetzlichen Maßnahmen, die Demokratiefeinde von der staatlichen Förderung ausschließen.”
Selmin Çalışkan, Direktorin für Institutionelle Beziehungen der Open Society Foundations: „Die Arbeit gegen Diskriminierung ist auch in Deutschland akut bedroht. Das erschwert die Teilhabe und Repräsentation von Menschen mit Rassismuserfahrungen und schwächt unsere Demokratie. Antirassismus und Demokratiearbeit sollten daher endlich als gemeinnützig anerkannt werden. Der Staat muss sich ideell und finanziell hinter diese Arbeit stellen und sie mit einem Demokratiefördergesetz absichern. Und wir brauchen einen eigenen Demokrati-Ausschuss im Bundestag, der diese Themen behandelt.”
Prof. Dr. Naika Foroutan, Direktorin des Deutschen Zentrums für Integrations- und Migrationsforschung (DeZIM) e.V.: „Wir müssen das Ausmaß, die Ursachen und die Folgen von Rassismus in Deutschland viel besser monitoren, um präventiv handeln zu können. Wir müssen dabei insbesondere auch verstehen, wie Strukturen verdeckt rassistisch wirken, was zu systematischen Ausschlüssen und Benachteiligung führt. Das ist am Arbeits- und Wohnungsmarkt der Fall oder im Gesundheits- und Bildungssystem. Die Bildungsinitiative Ferhat Unvar will auch dazu beitragen, dass grundsätzliche Reformen der teilweise diskriminierenden Wissensstrukturen in der Schulbildung erfolgen.”
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