Das ewige Dilemma der Gleichstellungsbeauftragten

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Das Dilemma oder besser die Dilemmata der Gleichstellungsbeauftragten sind vielfältig und das kommt nicht von ungefähr.

Liebe Leserin, lieber Leser,

der Duden definiert „Dilemma“ als „Kalamität, Misslichkeit, Not[lage], Unlösbarkeit, Verlegenheit, Zwangslage; (gehoben) Bedrängnis, Seelennot; (bildungssprachlich) Misere; (umgangssprachlich) Bredouille, Klemme, Patsche, Zwickmühle“. In all diese Situationen kommt eine Gleichstellungsbeauftragte im Lauf ihrer Amtszeit/en.

Das erste Dilemma ist die Tatsache, dass die Gleichstellungsbeauftragte eine Einzelkämpferin ist. Das haben wir an dieser Stelle schon häufiger erörtert. Und diese erste Kalamität ist kaum auflösbar, da der Gesetzgeber sich im Unterschied zur Größe der Personalräte für eine einzelne Person als Gleichstellungs- oder Frauenvertreter/in entschieden und damit auch den Stellenwert verdeutlicht hat, den er dieser Aufgabe zuweist.

In positiven Fällen hat die Gleichstellungsbeauftragte eine oder mehrere gute Stellvertreterin/nen und/oder Mitarbeiter/innen. Aber wenn es hart auf hart kommt, steht immer sie allein an der Aktions- und Meinungsfront, denn sie hat innerhalb ihres Teams eine Art Richtlinienkompetenz (BVerwG 2007): An die von ihr vorgegebene Ausrichtung der internen Gleichstellungsarbeit muss sich auch eine Stellvertreterin in deren Abwesenheit halten.

Die Gleichstellungsbeauftragte ist damit ein wunderbares Ziel für die (meist männlichen) Menschen, die ihr Mütchen an ihr kühlen wollen. Ich habe das selbst vielfach erlebt und mein krassester Fall war die Reaktion eines Staatssekretärs. Er hatte sich über eine Veröffentlichung des Interministeriellen Arbeitskreises der Gleichstellungsbeauftragten der obersten Bundesbehörden (IMA-GB) mit der Forderung nach mehr Frauen in Führungspositionen so geärgert, dass er mir in einer Mail – cc an alle Kolleginnen und Kollegen des Hauses – schrieb, er gedächte nicht, sich einer Geschlechtsumwandlung zu unterziehen, nur damit ich mehr Frauen in Führungspositionen sehen könne. Das war harter Tobak, schadete im Endeffekt aber mehr ihm als mir.

Das bringt uns zum zweiten Dilemma. Mit wem auch immer die Gleichstellungsbeauftragte an oberster Stelle spricht, sie befindet sich sofort auf sehr glattem und sehr dünnem Eis.

Spricht sie mit einer männlichen Amts-, Abteilungs- oder Personalleitung, fühlt sich dieser Mann ggf. angegriffen, weil er unterstellen kann, dass die Gleichstellungsbeauftragte an seiner Stelle lieber eine Frau vorgefunden hätte. Das kann die Stimmung von Anfang an sehr beeinträchtigen, zumal wenn der fragliche Mann unsicher ist, das aber auf keinen Fall zeigen will und kann.

Spricht die Gleichstellungsbeauftragte mit einer Frau, muss es nicht unbedingt leichter sein. Es gibt nur wenige Frauen in Führungspositionen, die andere Frauen fördern und unterstützen. Viele mussten selbst durch eine harte Schule gehen und/oder haben ihre Familienwünsche der Karriere geopfert. Sie erwarten dieselbe Hingabe an den Beruf oft auch von den Mitarbeiterinnen und reagieren manchmal scharf auf die Bitte um Nachsicht in familiären Notlagen, bessere Vereinbarkeit, Teilzeit und Mobilarbeit. Für letzteres könnte die derzeitige Corona-Pandemie positive Veränderungen bringen. Behörden mit guter technischer Infrastruktur bei der mobilen und flexiblen Arbeit kommen derzeit besser zurecht als die mit ausgeprägter Präsenzkultur.

Das dritte Dilemma ist die Stellung der Gleichstellungsbeauftragten, zumindest im Bundesgleichstellungsgesetz. Sie ist Teil der Verwaltung und damit an der Willensbildung der Dienststelle von Anfang an zu beteiligen. Sie ist aber auch von den Kolleginnen des Hauses gewählt und zudem weisungsfrei. Sie hat zum dritten die Aufgabe, die Dienststelle bei der Durchführung des BGleiG zu überwachen bis hin zur Möglichkeit von Klagen bei Verletzungen der Gesetzesbestimmungen. Damit hat die Dienststelle in der Regel ein Problem, denn weder will sie gegenüber der Gleichstellungsbeauftragten die Karten zu früh auf den Tisch legen, noch will sie ihr alle relevanten Daten zur Verfügung stellen und sich damit zu transparent machen. Obwohl die Gleichstellungsbeauftragte im Sinne des Bundesdatenschutzgesetzes (BDSG) keine „Dritte“ ist, an die Daten nicht weitergegeben werden dürfen, verweigern Dienststellen ihren Gleichstellungsbeauftragten oft wichtige Informationen oder lassen sie trotz Verschwiegenheitspflicht nicht an weichenstellenden Sitzungen wie Leitungsklausuren etc. teilnehmen.

Ähnlich defensiv bis aggressiv ablehnend verhalten sich oft Personalräte, die in der Gleichstellungsbeauftragten eine Konkurrenz sehen, da sie von der Verwaltung vor dem Personalrat zu beteiligen ist. Zudem wissen sie um die gesetzliche Schwäche des Amtes der Gleichstellungsbeauftragten, die zwar gegen eine Maßnahme votieren, diese aber nicht verhindern kann. Im Gegensatz zum Personalrat, der eine Dienststelle durch ein ablehnendes Votum entweder in die Einigungsstelle zwingen oder zu Kompromissen veranlassen bzw. „Deals“ einfordern kann.

Das vierte Dilemma schließlich ist, dass zumindest nach dem Bundesgleichstellungsgesetz die Gleichstellungsbeauftragte immer eine Frau sein muss. In der Sache ist das gut und richtig und sollte meines Erachtens auch nicht geändert werden. Nach wie vor (be)treffen Nachteile und Diskriminierungen, d.h. die strukturelle Benachteiligung, Frauen mit ihrer Doppel- oder Dreifachbelastung durch Betreuung von Kindern und/oder Älteren. In Zeiten von gefühlter Benachteiligung bei Männern muss sie ihr Amt und ihre Position jedoch zunehmend stark verteidigen:

  • gegenüber Männern, die sich nach 50 Jahren Frauenbewegung immer mehr unter Druck fühlen und anstelle von Kooperation in die Konfrontation gehen,

  • gegenüber meist jungen Frauen, die mangels Betreuungsaufgaben bisher noch keine Benachteiligungserfahrung gemacht haben, und last but not least

  • gegenüber verantwortlichen meist weiblichen Politikern, die sich mit den (verfassungs)rechtichen Grundlagen der notwendigen Gleichstellung von Frauen mit Männern d.h. Frauenförderung nicht mehr auskennen oder auch auf der Klaviatur der Anbiederung bei Männern spielen.


All diese Dilemmata machen die Aufgabenwahrnehmung der Gleichstellungsbeauftragten zu einer täglichen Herausforderung. Kein Wunder, dass diese Aufgabe in den meisten Fällen Frauen übertragen wurde, für die solche Herausforderungen beruflich und privat vielfach Alltag sind: Mehrere Bälle gleichzeitig in der Luft zu halten, in Zwickmühlen Lösungen zu finden, Tagesabläufe kollisionsfrei zu organisieren, Sach- und Gefühlsfragen gleichzeitig auszubalancieren und damit Multitasking zu betreiben.

Und vielleicht noch ein tröstlicher Gedanke zum Abschluss: Im Wort „Dilemma“ steckt auch „Emma“ und das – die Em(m)anzipation – ist etwas, womit wir Frauen uns wirklich auskennen.


In diesem Sinne mit herzlich emanzipatorischen Grüßen

Ihre Kristin Rose-Möhring

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