Die Kommission bietet den Akteuren auf nationaler, regionaler und lokaler Ebene praktische Hilfe zur Verbesserung der Luftqualität in Europa und greift auch stärker gegenüber sieben Mitgliedstaaten durch, die gegen die vereinbarten EU-Vorschriften über Grenzwerte für die Luftverschmutzung und über die Typgenehmigung für Autos verstoßen haben.
Der für Umwelt zuständige EU-Kommissar Karmenu Vella erklärte dazu: „Die Entscheidung, Mitgliedstaaten vor dem Gerichtshof der Europäischen Union zu verklagen, wurde im Namen der Europäerinnen und Europäer getroffen. Wir haben immer gesagt, dass diese Kommission eine schützende Kommission ist, und unsere Entscheidung folgt diesem Anspruch. Die heute vor dem Gerichtshof angeklagten Mitgliedstaaten haben in den zurückliegenden zehn Jahren genügend ‚letzte Chancen‘ erhalten, um die Situation zu verbessern. Ich bin überzeugt, dass die heutige Entscheidung sehr viel schneller zu Verbesserungen für die Bürgerinnen und Bürger führen wird. Doch rechtliche Schritte allein werden das Problem nicht lösen. Deshalb legen wir dar, durch welche praktische Hilfe die Kommission die Anstrengungen der nationalen Behörden für eine sauberere Luft in europäischen Städten und Gemeinden unterstützen kann.”
Die für Binnenmarkt, Industrie, Unternehmertum und KMU zuständige Kommissarin Elżbieta Bieńkowska fügte hinzu: „Wir werden die Luftverschmutzung in Städten nur dann erfolgreich bekämpfen können, wenn auch die Autoindustrie ihren Teil dazu beiträgt. Emissionsfreie Fahrzeuge sind die Zukunft. Doch in der Zwischenzeit ist die Einhaltung der Emissionsvorschriften ein Muss. Hersteller, die weiterhin gegen die Vorschriften verstoßen, müssen die Konsequenzen für ihr Fehlverhalten tragen.”
In einer heute angenommenen Mitteilung mit dem Titel „Ein Europa, das schützt: Saubere Luft für alle” legt die Kommission Maßnahmen dar, die die Mitgliedstaaten im Kampf gegen die Luftverschmutzung unterstützen. Die Kommission unterstreicht ferner, dass es erforderlich ist, durch Kontakte mit den zuständigen Behörden im Rahmen von neuen „Dialogen über saubere Luft” und durch die Förderung von Maßnahmen zur Verbesserung der Luftqualität mit EU-Mitteln enger zusammenzuarbeiten.
Des Weiteren hat die Kommission heute beim Gerichtshof der Europäischen Union Klage gegen Frankreich, Deutschland, Ungarn, Italien, Rumänien und das Vereinigte Königreich eingereicht, weil die vereinbarten Grenzwerte für die Luftqualität nicht eingehalten werden. Auch haben diese Mitgliedstaaten keine geeigneten Maßnahmen ergriffen, um die Zeiträume, in denen die Grenzwerte überschritten werden, so kurz wie möglich zu halten. Darüber hinaus übermittelt die Kommission zusätzliche Aufforderungsschreiben an Deutschland, Italien, Luxemburg und das Vereinigte Königreich, da diese Länder die EU-Vorschriften für die Typgenehmigung von Fahrzeugen nicht beachtet haben.
Maßnahmen zur Bekämpfung der Luftverschmutzung
Die heute von der Kommission vorgeschlagenen Maßnahmen beruhen auf drei Grundpfeilern, und zwar Luftqualitätsnormen, nationalen Emissionsreduktionszielen und Emissionsnormen für die wichtigsten Verschmutzungsquellen, darunter Fahrzeug- und Schiffsemissionen, Energieerzeugung und Industrie.
Um die verkehrsbedingten Luftschadstoffemissionen zu verringern, wird die Kommission ihre Zusammenarbeit mit nationalen, regionalen und lokalen Behörden im Hinblick auf einen gemeinsamen integrierten Ansatz für Zufahrtsregelungen für Fahrzeuge in Städten im Rahmen der EU-Städteagenda weiter ausbauen. Darüber hinaus hat die Kommission eine weitreichende Reform angestoßen, um sicherzustellen, dass die Luftschadstoffemissionen von Fahrzeugen unter realen Fahrbedingungen gemessen werden.
Die Durchsetzung verbessern:
Die Kommission ergreift Maßnahmen, um den erheblichen und anhaltenden Überschreitungen der Grenzwerte für zwei wichtige Schadstoffe mit Auswirkungen auf die Gesundheit entgegenzutreten: Stickstoffdioxid, das im Wesentlichen im Straßenverkehr und in der Industrie entsteht, und Feinstaub, der vor allem in Emissionen aus Industrie, privaten Heizungsanlagen, Verkehr und Landwirtschaft auftritt.
Die Kommission hat beschlossen, beim Gerichtshof der Europäischen Union Klage gegen Frankreich, Deutschland und das Vereinigte Königreich einzureichen, weil die Grenzwerte für Stickstoffdioxid (NO2) nicht eingehalten werden. Auch haben diese Mitgliedstaaten keine geeigneten Maßnahmen ergriffen, um die Zeiträume, in denen die Grenzwerte überschritten werden, so kurz wie möglich zu halten. Ungarn, Italien und Rumänien werden wegen anhaltend hoher Feinstaubwerte (PM10) vor dem Gerichtshof angeklagt. Die in den EU-Rechtsvorschriften über die Luftqualität (Richtlinie 2008/50/EG) festgelegten Grenzwerte gelten seit 2010 bzw. 2005.
Dieser Schritt folgt nun auf den Ministergipfel zum Thema Luftqualität, den Kommissar Vella am 30. Januar 2018 einberufen hatte, um einen letzten Versuch zu unternehmen, das ernsthafte Problem der Luftverschmutzung in neun Mitgliedstaaten zu lösen. Die genannten sechs Mitgliedstaaten haben keine überzeugenden, wirksamen und zeitgerechten Maßnahmen vorgeschlagen, um die Verschmutzung schnellstmöglich – wie es das EU-Recht vorschreibt – unter die vereinbarten Grenzwerte zu senken. Daher hat die Kommission beschlossen, rechtliche Schritte einzuleiten.
Die von der Tschechischen Republik, der Slowakei und Spanien durchgeführten oder geplanten Maßnahmen, die sie der Kommission im Anschluss an den Ministergipfel zum Thema Luftqualität mitgeteilt haben, sind allem Anschein nach geeignet, die festgestellten Mängel zu beheben, wenn sie richtig umgesetzt werden. Aus diesem Grund wird die Kommission die Umsetzung dieser Maßnahmen sowie deren Wirksamkeit bei der schnellstmöglichen Bereinigung der Situation weiterhin genau beobachten.
Die Kommission unternimmt weitere Schritte in ihren Vertragsverletzungsverfahren gegen vier Mitgliedstaaten, da diese die EU-Vorschriften für die Typgenehmigung von Fahrzeugen missachten. Somit hat die Kommission heute beschlossen, zusätzliche Aufforderungsschreiben an Deutschland, Italien, Luxemburg und das Vereinigte Königreich zu senden.
Die Typgenehmigungsvorschriften der EU sehen vor, dass die Mitgliedstaaten über wirksame, verhältnismäßige und abschreckende Sanktionssysteme verfügen, um Autohersteller davon abzuhalten, gegen geltendes Recht zu verstoßen. Finden derartige Rechtsverstöße statt, z. B. durch die Verwendung von Abschalteinrichtungen zur Verringerung der Wirksamkeit von Emissionskontrollsystemen, müssen Abhilfemaßnahmen – wie Rückrufe – angeordnet und Sanktionen verhängt werden (Artikel 30 und 46 der Richtlinie 2007/46/EG und Artikel 13 der Verordnung (EG) Nr. 715/2007).
Die Kommission hat bezüglich des VW-Konzerns im Dezember 2016 Vertragsverletzungsverfahren gegen Deutschland, Luxemburg und das Vereinigte Königreich eingeleitet und im Juli 2017 ergänzende Aufforderungsschreiben mit der Forderung nach weiteren Klarstellungen übermittelt.
Heute übersendet die Kommission zusätzliche Aufforderungsschreiben, in denen sie weitere Informationen über die nationalen Untersuchungen und rechtlichen Schritte im Zusammenhang mit diesen Verstößen anfordert. Nachdem neue Fälle von Unregelmäßigkeiten bei der Motorsteuerung in mehreren Dieselfahrzeugen (Porsche Cayenne, Volkswagen Touareg und in verschiedenen Audi A6 und A7) festgestellt wurden, fragt die Kommission außerdem bei Deutschland und Luxemburg als den zuständigen Typgenehmigungsinstanzen nach, welche Abhilfemaßnahmen und Sanktionen geplant sind. Weitere Klarstellungen fordert die Kommission vom Vereinigten Königreich bezüglich der geplanten nationalen Rechtsvorschriften.
Im Mai 2017 hat die Kommission ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Italien eingeleitet, da das Land seine Verpflichtungen gemäß den EU-Rechtsvorschriften für die Typgenehmigung von Fahrzeugen des Herstellers Fiat Chrysler nicht erfüllt. Inzwischen hat Italien Abhilfemaßnahmen ergriffen und die Fiat-Chrysler-Automobilgruppe aufgefordert, eine verpflichtende Rückrufaktion in der EU durchzuführen. Im Rahmen des laufenden Austauschs ersucht die Kommission heute um zusätzliche Informationen über die konkreten Abhilfemaßnahmen und die verhängten Sanktionen.
Ein zusätzliches Aufforderungsschreiben stellt ein offizielles Auskunftsersuchen dar. Die Mitgliedstaaten haben jetzt zwei Monate Zeit, um auf die Argumente der Kommission zu reagieren. Andernfalls kann die Kommission beschließen, eine mit Gründen versehene Stellungnahme zu übermitteln.
Hintergrund
Die Luftqualität in der Europäischen Union hat sich in den letzten Jahrzehnten insgesamt verbessert, oftmals dank gemeinsamer Anstrengungen der Behörden auf EU-Ebene und der nationalen, regionalen und lokalen Behörden. Dennoch ist die Lebensqualität vieler EU-Bürgerinnen und -Bürger nach wie vor in unannehmbarer Weise beeinträchtigt. Chronische und schwere Krankheiten wie Asthma, Herz-Kreislauf-Probleme und Lungenkrebs sind oftmals unmittelbar auf Luftverschmutzung zurückzuführen.
Die heute beschlossenen Klagen vor dem Gerichtshof betreffen die Überschreitung von Luftqualitätsnormen.
Stickstoffdioxid (NO2):
Insgesamt sind 13 Vertragsverletzungsverfahren gegen Mitgliedstaaten anhängig (Belgien, die Tschechische Republik, Deutschland, Dänemark, Spanien, Frankreich, Italien, Luxemburg, Ungarn, Österreich, Polen, Portugal und das Vereinigte Königreich).
Die heutigen Beschlüsse zu Deutschland, Frankreich und dem Vereinigten Königreich sind die ersten, die vor den Gerichtshof gebracht werden. In allen drei Fälle wurden im Februar 2017 mit Gründen versehene Stellungnahmen übermittelt.
Feinstaub (PM10):
Insgesamt sind 16 Vertragsverletzungsverfahren gegen Mitgliedstaaten anhängig (Belgien, Bulgarien, die Tschechische Republik, Deutschland, Griechenland, Spanien, Frankreich, Italien, Lettland, Ungarn, Polen, Portugal, Rumänien, Slowenien, Slowakei und Schweden). Am 5. April 2017 bzw. am 22. Februar 2018 wurde vom Gerichtshof der Europäischen Union festgestellt, dass Bulgarien und Polen gegen EU-Recht verstoßen.
Der heutige Beschluss folgt auf eine mit Gründen versehene Stellungnahme, die im April 2017 an Italien übermittelt wurde, eine ergänzende mit Gründen versehene Stellungnahme, die im September 2014 an Rumänien gerichtet wurde, sowie eine ergänzende mit Gründen versehene Stellungnahme, die Ungarn im März 2014 zuging.
In allen Fällen, in denen die in den EU-Rechtsvorschriften über die Luftqualität (Richtlinie 2008/50/EG) festgelegten Grenzwerte überschritten werden, müssen die Mitgliedstaaten Luftqualitätspläne verabschieden und sicherstellen, dass diese Pläne geeignete Maßnahmen enthalten, durch die der Zeitraum, in dem die Grenzwerte überschritten werden, so kurz wie möglich gehalten werden kann. Im Einklang mit dem Subsidiaritätsprinzip haben die Mitgliedstaaten nach EU-Recht die Wahl, wie sie die Einhaltung der Grenzwerte erreichen.
Brüssel, 17. Mai 2018
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