Bürgerinitiativen kennzeichnen sich üblicherweise dadurch, dass sie ihre Interessen in der Öffentlichkeit artikulieren. Nicht so in Regen: Dort erreichte Bürgermeisterin Ilse Oswald (FW) vor kurzem ein anonymer Brief, in dem lärmgeplagte Bürger*innen forderten, zwischen 22 und 6 Uhr sei das Glockenschlagen zu unterlassen. Eine Kopie des Briefes ging an den Passauer Bischof Stefan Oster.
Anonyme Post pflegt die Stadtverwaltung in der Regel zu ignorieren. Da das Schreiben der selbst ernannten „Bürgerinitiative gegen den Glockenlärm″ jedoch schon im Internet kursierte, sah sich die Bürgermeisterin zu einer Stellungnahme genötigt und informierte auch die Stadträte.
Die Kirche beharrt bislang auf der jahrhundertealten Tradition des nächtlichen Glockenläutens als Teil der Kultur, den viele Menschen nicht als Beeinträchtigung, sondern als Verbindung zur Kirche empfinden. Viele, aber eben nicht alle. Dennoch stellte die Kirche ihre Ohren in dieser Angelegenheit bislang auf Durchzug, will heißen: In Regen läutet es weiterhin über Nacht. Rückendeckung erhält Stadtpfarrer Ludwig Limbrunner vom Bistum Passau. Dieses wollte den Fall bislang lediglich zur Kenntnis nehmen und verwies auf die örtliche Kirche und ihre Entscheidungshoheit in Sachen Glockengeläut. Auch wurden unlängst dämmende Fenster eingebaut, um die Schallemission zu begrenzen.
Gestützt wird die Kirche durch ein Urteil des Bundesverwaltungsgerichts von 1991, demzufolge auch nächtliches Glockenläuten zulässig ist, wenn ein der TA Lärm entsprechender Richtwert von 60 dB (A) (je nach Baugebiet) eingehalten wird. Die Beweislast, ob diese Grenze überschritten wird, liegt nun bei denen, die sich um ihren Schlaf gebracht sehen. Folglich ging bei Rita Röhrl, Landrätin im Kreis Regen, ein – wiederum anonymer – Brief ein, in dem Lärmschutzmessungen gefordert wurden.
Durchführung von Lärmschutzmessungen scheitert bislang an Anonymität
Die Crux dabei: Wenn man nicht weiß, wo die Beschwerdeführer*innen wohnen, lässt sich auch keine Lärmschutzmessung an eben deren Wohnort durchführen. So bleibt der Bürgerinitiative wohl nichts übrig als doch aus ihrer Anonymität herauszutreten. Es muss ja nicht sofort eine Demonstration mit Plakaten und Trillerpfeifen auf dem nächtlichen Gottesacker sein. Die Mehrheit der Bevölkerung haben die anonymen Glockengegner ohnehin nicht auf ihrer Seite, wie die öffentliche Diskussion in Leserbriefen und den sozialen Medien in den letzten Tagen zeigte. Auch Landrätin Röhrl kann die Klagen nicht nachvollziehen und erklärte: „Ich habe den Schall der Kirchenglocke immer da. Ich habe das noch nie als störend empfunden.″
So ändert sich in Regen vorerst nichts und die Glocken – gegossen 1649 zählen sie zu den ältesten in Bayern – schlagen weiterhin des Nachts die Stunde. Für Christen, Muslime, Juden, Atheisten und Angehörige anderer Religionen gleichermaßen. Sollte die Bürgerinitiative - wie angekündigt - weitere rechtliche Schritte einleiten, fragt sich des Weiteren, welche höhere Instanz über dem Bundesverwaltungsgericht sie noch anzurufen gedenke.
Frank Zscheile (freier Journalist)
https://www.idowa.de/inhalt.regen-bistum-passau-aeussert-sich-im-streit-um-glockengelaeut.e131cf72-e8f1-4fc6-80c9-1e13431bc521.html
https://www.br.de/nachrichten/bayern/streit-um-kirchenglocken-landratsamt-regen-eingeschaltet,RndM1Rp
https://www.br.de/nachrichten/bayern/streit-um-kirchenglocken-in-regen-bistum-aeussert-sich,Rn39083
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