Erst Ende September forderten die Agrarminister der Länder in Mainz auf ihrer Konferenz, die Novelle der TA Luft müsse dringend angepasst werden. Grund: Sie enthalte Vorschiften, die einer stärkeren Orientierung am Tierwohl entgegenstünden. Ohne entsprechende Entschärfung sei die Weiterentwicklung der landwirtschaftlichen Tierhaltung bedroht.
Tierwohlgerechte Anlagen mit – im Fachjargon – „Außenklimakontakt“ führen in der Regel tatsächlich zu einer höheren Luftbelastung. Mehr Platz, mehr Licht und mehr Beschäftigungsmöglichkeiten für die Schweine bedeutet zwangsläufig: höhere Immissionen, d.h. eine größere Einwirkung von Störfaktoren auf Mensch und natürliche Umwelt. Die neue TA Luft sieht daher Hürden für die Genehmigung von tierwohlgerechten Ställen vor.
Diese erschweren die Verfahren zur Genehmigung solcher Anlagen, weil die Emissionsfaktoren für einen Großteil von besonders tierwohlgerechten Haltungsverfahren fehlen, so die Agraminister*innen. Sie fordern vom Bund, diese Hürden abzubauen, indem die Emissionsfaktoren ermittelt werden. Die in der TA Luft festgeschriebene Begünstigung der ökologischen Tierhaltung solle auch auf vergleichbar wirtschaftende konventionelle Haltungssysteme übertragen, die entsprechende Formulierung im Entwurf daher erweitert werden.
TA Luft erschwert Umbau zum tierschutzgerechten Stall
In der Tat wollen heute viele Betriebe ihre Anlagen ökologisch und tiergerecht umbauen, die Vorgaben der TA Luft machen ihnen dabei jedoch einen Strich durch die Rechnung. Lautstark kritisiert diesen Umstand insbesondere Nordrhein-Westfalens Umwelt- und Landwirtschaftsministerin Ursula Heinen-Esser, die am 1. Oktober ein umfassendes Maßnahmen-Paket vorgestellt hat, um den Tierschutz in der Nutztierhaltung in NRW zu stärken. Ab 2020 will sie es schrittweise umsetzen.
Derweil hat ihre Behörde gemeinsam mit Fachleuten ein Planspiel durchgeführt, um nachzuweisen, in welcher Form die neue TA Luft den Um- und Neubau für mehr Tierwohl blockieren dürfte. Hier wurde u.a. untersucht, bei welcher Immissionsbelastung eine Privilegierung aus Gründen des Tierwohls noch möglich sei. Kein Spielraum bleibt Behörden demnach, wenn eine Gesundheitsgefahr vorliegt, etwa die Bioaerosole die Grenzwerte überschreiten. Auch bei nach Bundesimmissionsschutzgesetz (BImSchG) genehmigungspflichtigen Ställen (abhängig von der Größe des Mastbetriebs) gilt die TA Luft uneingeschränkt, es müssen zudem spezielle Abluftfilterungen eingerichet und weitere Vorsorgeanforderungen getroffen werden. Bei Ställen, die nur baurechtsgenehmigungspflichtig sind, gilt die TA Luft als Maßstab, hier können jedoch unvermeidbare schädliche Umweltauswirkungen toleriert werden.
Öffnungsklausel für tiergerechte Haltungsverfahren vorgesehen
Eine klare Definition und Privilegierung für bestimmte tierwohlorientierte Haltungsverfahren fehlt indes bislang. Zwar will die Bundesregierung bei der Novellierung der TA Luft offenbar Zielkonflikten zwischen Umwelt- und Tierschutz Rechnung tragen, wie das Fachportal agrar-heute schon im Mai 2019 berichtete, blieb aber bislang im Allgemeinen. Bei den Vorsorgeanforderungen für große, immissionsschutzrechtlich genehmigungsbedürftige Tierhaltungsanlagen sei demnach eine Öffnungsklausel für tiergerechte Haltungsverfahren vorgesehen, so die Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage der FDP im Bundestag. Von den allgemein gültigen Anforderungen sei abzuweichen, wenn deren Anwendung nicht möglich sei. Konkreter wurde es bislang nicht, eine Expertengruppe dazu tagt noch.
Frank Zscheile, freier Journalist
Quellen:
https://www.topagrar.com/schwein/news/ta-luft-laender-wollen-erleichterungen-fuer-tierwohl-staelle-11825208.html
https://www.agrarheute.com/tier/schwein/ta-luft-oeffnungsklausel-fuer-tierwohlstaelle-553721
https://www.topagrar.com/schwein/news/neue-ta-luft-verhindert-mehr-tierwohl-11778533.html
https://www.topagrar.com/schwein/news/heinen-esser-will-tierschutz-in-der-nutztierhaltung-staerken-11837162.html
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