Ein häufiger Streitpunkt ist der Umfang des Notdienstes. Typischerweise will die Gewerkschaft diesen kleiner als der Arbeitgeber gestalten, weil sie befürchtet, dass ihr Streik andernfalls zu sehr eingeschränkt wird.
Schwierigkeiten kann außerdem die Gewerkschaftsforderung bereiten, die Bereiche, in denen kein Notdienst zu leisten ist, ganz zu schließen. „Bettensperrungen“ heißt das etwa in Krankenhäusern. Arbeitgeber sollen sich dazu verpflichten, den Betrieb insoweit vollständig einzustellen, auch wenn sich nicht alle Beschäftigten am Streik beteiligen und eine Aufrechterhaltung möglich wäre. Lassen sich Arbeitgeber hierauf ein, verhelfen sie Streiks unter Umständen ungewollt zu einer größeren Wirkung als ohne ein solches Zugeständnis.
Die Verpflichtung zur Einrichtung eines Notdienstes gehört zu den wenigen echten Einschränkungen des Streikrechts, wenn wesentliche Grundrechte Dritter betroffen sind. So gehen die Arbeitsgerichte davon aus, dass ein Streik in Gesundheitseinrichtungen, der unter Außerachtlassung jeglichen Notdienstes durchgeführt würde, rechtswidrig wäre. Aus der Sicht der Rechtsprechung muss allerdings nicht zwingend eine Vereinbarung über den Notdienst abgeschlossen werden. Es genügt vielmehr bereits, dass dieser faktisch eingerichtet ist.
Sein Umfang hängt von den Umständen des Einzelfalles ab. Als Maxime gilt, dass es auch in hochsensiblen Bereichen zumindest für einen Teil der Beschäftigten möglich sein muss, ihr Streikrecht auszuüben. Wenn die Arbeitsgerichte hierüber im Rahmen von einstweiligen Verfügungsverfahren zu entscheiden haben, orientieren sie sich häufig an den betrieblichen Regelungen für die Besetzung an Wochenenden und Feiertagen. Diese internen Festlegungen, so ihre Argumentation, enthielten regelmäßig bereits eine Abwägung der verschiedenen Interessen, die in den gerichtlichen Eilverfahren ebenfalls herangezogen werden könne.
Die Schließung von Bereichen, in denen keine Verpflichtung zur Einrichtung eines Notdienstes besteht, kann nicht verlangt werden. Denn der Arbeitgeber soll selbst entscheiden, ob er den Betrieb mit den arbeitswilligen Beschäftigten aufrechterhält oder stilllegt. Dass die Forderung gleichwohl erhoben wird und Arbeitgeber ihr in manchen Fällen entsprechen, ist dem Umstand geschuldet, dass sie in der Abwägung der zur Verfügung stehenden Möglichkeiten die Planungssicherheit, die sie durch die Notdienstvereinbarung erhalten, höher bewerten.
Kommt es zu keiner Einigung über den Notdienst, haben Arbeitgeber die Möglichkeit, diesen einseitig anzuordnen und einzelne Beschäftigte entsprechend einzuteilen.
Dieser Weg ist allrdings streitanfällig. Hält die Gewerkschaft die Notdienstanordnung für zu weitgehend, kann sie vor das Arbeitsgericht gehen und versuchen, mit einem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung eine andere Gestaltung des Notdienstes zu erreichen.
Wird über die Besetzung des Notdienstes vor dem Arbeitsgericht gestritten, muss der Arbeitgeber gewichtige Argumente vorbringen. Er muss konkret darlegen können, dass und warum die von ihm angeordnete Besetzung notwendig ist. Die bloße Behauptung, dass dies der Fall sei, reicht nicht aus. Gelingt es ihm nicht, seine Vorstellungen hinreichend zu begründen, kann das Arbeitsgericht eine anderweitige Regelung erlassen.
Notdienstvereinbarungen werden häufig unter großem Zeitdruck verhandelt, da Streiks erst kurzfristig angekündigt werden. In dieser Situation ist eine gute Vorbereitung entscheidend. Die Verhandlungsziele, die Argumente, die Regelungsentwürfe und das Vorgehen für den Fall des Scheiterns sollten feststehen. Erläuterungen und Muster zum Notdienst enthalten z.B. die Arbeitskampfrichtlinien der VKA, die in den Kommentaren Breier/Dassau und Sponer/Steinherr aufgenommen sind. Wie bei jeder Verhandlung ist außerdem ein „guter Draht“ zur anderen Seite wichtig, der einen konstruktiven Austausch ermöglicht
Streiks bei den Ländern und den kommunalen Krankenhäusern
In der laufenden Tarifrunde für die Beschäftigten der Länder haben ver.di und der dbb beamtenbund und tarifunion zu Arbeitsniederlegungen aufgerufen, nachdem die TdL im zweiten Termin am 1./2. November 2021 kein Angebot vorgelegt hatte. Die Gewerkschaften wollen damit vor dem dritten Verhandlungstermin am 27./28. November 2021 den Druck auf die Arbeitgeberseite erhöhen. Bei den Verhandlungen geht es diesmal nicht nur um die Entgelte. Die TdL fordert auch eine Lösung für ein umstrittenes Eingruppierungsthema. Der Verband will, dass die tarifliche Definition des „Arbeitsvorgangs“, dessen zutreffende Bestimmung die Grundlage für eine Stellenbewertung bildet, überarbeitet wird (vgl. zum Streit um den Arbeitsvorgang Geyer in: ZTR 2021, 539 ff.). Die Gewerkschaften lehnen Änderungen ab. Eine Einigung in der Frage ist nicht in Sicht.
Auch in der Tarifrunde für die Ärzte an kommunalen Krankenhäusern zwischen der VKA und dem Marburger Bund ist ein Arbeitskampf nicht ausgeschlossen. Bisher fand hier allerdings erst der Auftakttermin am 14. Oktober 2021 statt. Weiter verhandelt wird am 16. November 2021 sowie am 16./17. Dezember 2021.
Hendrik Hase
Rechtsanwalt
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