Resturlaub 2021 kann an verschiedenen Stichtagen verfallen: am 31.12.2021, 31.3.2022 oder 31.5.2022. Letzterer gilt allerdings nur für Beschäftigte, in deren Arbeitsverhältnissen der TVöD, TV-L, TV-V oder TV-Ärzte/VKA zur Anwendung kommt.
An den genannten drei Stichtagen ist jeweils gesondert zu prüfen, ob nicht genommener bzw. nicht angetretener Urlaub verfällt oder übertragen wird:
Prüffrage bei jedem Stichtag ist, ob der Arbeitgeber seine Mitwirkungsobliegenheit erfüllt hat.
Prüffrage beim Stichtag 31.12.2021 ist, ob der Urlaub aus dringenden betrieblichen oder in der Person des Arbeitnehmers liegenden Gründen nicht bis zum 31.12.2021 genommen wurde (gesetzlicher Übertragungsgrund nach § 7 Abs. 3 S. 2 BUrlG).
Prüffrage beim Stichtag 31.3.2022 ist, ob der Urlaub wegen Arbeitsunfähigkeit oder aus betrieblichen/dienstlichen Gründen nicht bis zum 31.3.2022 angetreten wurde (tariflicher Übertragungsgrund gemäß § 26 Abs. 2 Buchst. a TVöD)?
Prüffrage beim Stichtag 31.5.2022 ist, obder Urlaub krankheitsbedingt nicht bis zum 31.5.2021 angetreten wurde (Rechtsprechung des EuGH und des BAG).
Nach der neuen Rechtsprechung des BAG (Urteil vom 19.2.2019 - 9 AZR 423/16, Schnell-Dienst 8/2019 Nr. 7) muss der Arbeitgeber jeden Beschäftigten individuell
Bezüglich des Zeitpunktes, an dem die Mitwirkungsobliegenheit zu erfüllen ist, hat die Rechtsprechung bisher keine genauen Vorgaben gemacht. Klar ist nur, dass der Hinweis so rechtzeitig erfolgen muss, dass es den Beschäftigten möglich ist, den Urlaub vollständig bis zu den jeweiligen Stichtagen zu nehmen bzw. anzutreten. Aus arbeitsrechtlicher Sicht gilt daher: Eher früher als später. Um zugleich die Informationspflicht bezüglich eines etwaigen Resturlaubs zu erfüllen, der ins neue Urlaubsjahr übertragen wurde, empfehle ich, die Information am Jahresanfang, also etwa in der Mitte des ersten Quartals, zu geben.
Kommt der Arbeitgeber im Urlaubsjahr seiner Mitwirkungsobliegenheit nicht oder nicht vollständig nach, wird der nicht genommene Resturlaub auf das gesamte Folgejahr übertragen. Er ist dort wie der jeweilige Jahresurlaub zu behandeln. Für beide gilt dann der Stichtag 31.12.
Kommt der Arbeitgeber auch in den Folgejahren seiner Mitwirkungsobliegenheit nicht nach, wird der nicht genommene und übertragene Urlaub jeweils kumuliert.
Laut Umfragen erfüllt ca. ein Drittel der Arbeitgeber die Mitwirkungsobliegenheit nicht, weil der zusätzliche Aufwand einer individuellen Benachrichtigung der Beschäftigten gegenüber dem erreichbaren Nutzen eines wirksamen Verfalls von im Einzelfall nicht genommenem Urlaub unverhältnismäßig groß erscheint. In der Tat stellt der Aufwand eine wesentliche Hürde für die Personalpraxis dar. Zwar bieten inzwischen viele Personalverwaltungssysteme digitale Urlaubsplaner an, die den Beschäftigten bei jeder Nutzung die fraglichen Angaben vor Augen führen, jedoch ist hier stets im Einzelfall zu prüfen, ob damit die Vorgaben der Rechtsprechung tatsächlich erfüllt werden.
Da es sich bei der von der Rechtsprechung statuierten Mitwirkung um eine Obliegenheit und keine Pflicht handelt, ist eine Abwägung zwischen Aufwand und Nutzen legitim.
Nein, eine solche Verpflichtung besteht nicht. Die Übertragung erfolgt automatisch, wenn die entsprechenden Übertragungsgründe vorliegen. Ein schriftlicher Antrag des Beschäftigten gehört nicht zu den Voraussetzungen für die Übertragung.
Ist das Vorliegen der Übertragungsgründe zwischen Arbeitgeber und Beschäftigtem allerdings streitig, muss der Beschäftigte sie darlegen und beweisen. Hierauf lässt sich die Praxis vieler Arbeitgeber stützen, generell an den einzelnen Stichtagen eine Begründung zu verlangen. Macht der Arbeitgeber von diesem Instrument Gebrauch und stellt der Beschäftigte keinen Übertragungsantrag, bleibt es bei der dargestellten Rechtslage: Ob hier eine Übertragung erfolgt ist, richtet sich nicht nach der Antragsstellung, sondern dem Vorliegen der Übertragungsgründe. In diesem Fall ist es an dem Beschäftigten, seine Ansprüche ggf. zu einem späteren Zeitpunkt geltend zu machen.
Vgl. zum Thema Übertragung und Verfall von Urlaub die ausführlichen Kommentierungen von Jansen in Sponer/Steinherr, § 26 TVöD, Rz. 261 ff. und Breier/Dassau, § 26 TVöD, Rz. 657.
Während der Corona-Krise stellte sich immer wieder die Frage, ob Arbeitgeber Urlaubstage, an denen Beschäftigte als Kontaktpersonen eines Infizierten oder Reiserückkehrer unter Quarantäne standen, in analoger Anwendung von § 9 BUrlG nachgewähren müssen. Das LAG Düsseldorf (Urteil vom 15.10.2021 - 7 Sa 857/21, Schnell-Dienst 3/2022 Nr. 13) und das LAG Köln (Urteil vom 13.12.2021 - 2 Sa 488/21, Schnell-Dienst 3/2022 Nr. 14) haben dies nun verneint. Die in § 9 BUrlG geregelte Nachgewährung von Urlaub sei nur für den Fall vorgesehen, dass der Beschäftigte während des Urlaubs arbeitsunfähig erkrankt sei, nicht jedoch für den Fall, dass er unter Quarantäne gestellt werde. § 9 BUrlG sei auf die Quarantäne nicht analog anzuwenden. Zwar könnten Beschäftigte, die unter Quarantäne stünden, ihren Urlaub nicht so verbringen, wie sie es möchten. Jedoch falle dies in ihren persönlichen Risikobereich.
Hendrik Hase, Rechtsanwalt
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