Liebe Leserin, lieber Leser,
genug mit den Zahlen. Das 9-Euro-Ticket ist aber auch arbeitsrechtlich interessant. Hier meine acht arbeitsrechtlichen Fragen zum 9-Euro-Ticket:
Nein. Ein gesetzlicher Anspruch besteht nicht. Insbesondere für die Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte und zurück schuldet der Arbeitgeber keinen Fahrtkostenzuschuss. Diese Fahrten gehören zum privaten Lebensbereich des Arbeitnehmers. Der Arbeitnehmer muss die Kosten selbst aufbringen.
Arbeitgeber sind berechtigt, freiwillig Fahrtkostenzuschüsse zu leisten. Dies wäre ein Teil der Vergütung. Bei freiwilliger Gewährung des 9-Euro-Tickets sollte die Freiwilligkeit betont werden, damit kein dauerhafter Anspruch entsteht.
Nein. Der Arbeitgeber muss den Gleichbehandlungsgrundsatz beachten und darf Gleiches nicht ungleich behandeln. Der Arbeitgeber darf jedoch unterschiedliche Arbeitnehmergruppen unterschiedlich behandeln. Beispielsweise wäre er berechtigt, nur den Arbeitnehmern das 9-Euro-Ticket zur Verfügung zu stellen, die tatsächlich mit öffentlichen Verkehrsmitteln zur Arbeit kommen oder die mehr als 20 Kilometer vom Arbeitsort entfernt wohnen.
Zuschüsse, die der Arbeitgeber seinen Arbeitnehmern zusätzlich zu der geschuldeten Arbeitsvergütung für die Aufwendung der Arbeitnehmer für Tickets der öffentlichen Verkehrsmittel für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte gewährt, sind steuerfrei gemäß § 3 Nr. 15 EstG in Höhe der Aufwendung der Arbeitnehmer. Für die Dauer des 9-Euro-Tickets, d.h. für die Kalendermonate Juni, Juli und August 2022 gibt es Ausnahmeregelungen. Die Zuschüsse des Arbeitgebers dürfen die Aufwendung des Arbeitnehmers in diesem Zeitraum übersteigen, wenn im Rahmen einer Jahresbetrachtung die Zuschüsse des Arbeitgebers nicht höher als die Aufwendungen des Arbeitnehmers sind.
Wenn das 9-Euro-Ticket zusätzlich zur Vergütung des Arbeitnehmers für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte gewährt wird, ist das bereits eine private Nutzung, da Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte zum privaten Lebensbereich des Arbeitnehmers gehören. Es gilt hier die gleiche steuerliche Regelung. Wenn der Arbeitgeber das 9-Euro-Ticket für dienstliche Zwecke gewährt und der Arbeitgeber die Nutzung des Tickets zu privaten Zwecken erlaubt, kann das 9-Euro-Ticket auch privat genutzt werden. Auch hier ist die steuerliche Regelung zu beachten.
In vielen Arbeitsverhältnissen erhalten Arbeitnehmer freiwillige Fahrtkostenzuschüsse. Dies können pauschale Beträge für alle Arbeitnehmer gleich oder bestimmte Entfernungspauschalen sein. Dies können aber auch die konkreten Kosten des öffentlichen Nahverkehrs oder verbilligte Fahrkarten sein. In der Regel werden diese Fahrtkostenzuschüsse teurer sein als 9 Euro im Kalendermonat. Arbeitgeber können Interesse daran haben, dass Arbeitnehmer während der 3 Monate das billigere 9-Euro-Ticket nutzen und der Arbeitgeber auch nur diese Fahrtkostenzuschüsse leisten muss. Es kommt jeweils auf die einzelne Regelung an. Es gibt Regelungen, die unabhängig von der Nutzung der öffentlichen Verkehrsmittel einen pauschalen Fahrtkostenzuschuss gewährt. Auch Mitarbeiter, die mit dem Fahrrad zum Arbeitsplatz kommen, erhalten diesen Fahrtkostenzuschuss. In diesem Fall könnte weiterhin der bisherige pauschale Fahrtkostenzuschuss beansprucht werden. Bei Regelungen, die sich eher an die konkrete Aufwendung des Arbeitnehmers orientieren, kann in den 3 Monaten eine Umstellung auf das 9-Euro-Ticket verlangt werden und der Arbeitgeber muss entsprechend weniger Fahrtkostenzuschuss leisten. Dies gilt allerdings nur dann, wenn der Arbeitnehmer das 9-Euro-Ticket für die Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte auch nutzen kann. Ein 9-Euro-Ticket kommt beispielsweise nicht in Betracht, wenn der Fernverkehr genutzt werden muss.
Fahrtkostenzuschüsse sind ein Vergütungsbestandteil. Es besteht damit eine Mitbestimmungspflicht gemäß § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG. Der Arbeitgeber ist berechtigt, mitbestimmungsfrei zu entscheiden, ob er überhaupt ein 9-Euro-Ticket den Arbeitnehmern anbietet. Wenn es sich dafür entscheidet, hat der Betriebsrat mitzubestimmen, wie im Einzelnen Fahrtkostenzuschüsse gewährt werden. Beim 9-Euro-Ticket dürfte eine Vereinbarung mit dem Betriebsrat allerdings sehr schlank ausfallen, da wenig Regelungsbedarf besteht.
Das von der Bundesregierung im Rahmen des Entlastungspakets beschlossene 9-Euro-Ticket gilt derzeit nur bis August 2022. Ab September 2022 gelten die ursprünglichen Regelungen. Arbeitgeber sollten darauf achten, dass durch eine freiwillige Gewährung eines Fahrkostenzuschusses bzw. des 9-Euro-Tickets keine sogenannte betriebliche Übung/Gewohnheitsrecht entsteht. Auf die Freiwilligkeit und/oder Befristung sollte ausdrücklich hingewiesen werden.
Eine gute Reise, einen Sitzplatz, keine ausfallenden Züge und viel Spaß mit dem 1, 2, 3,…. 9-Euro-Ticket wünsche ich Ihnen.
Mit herzlichen (arbeitsrechtlichen) Grüßen
Ihr Dr. Erik Schmid
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