Liebe Leserin, lieber Leser,
vor Ausspruch einer Kündigung ist der Betriebsrat bzw. Personalrat bzw. Sprecherausschuss zu hören. Hört. Daneben ist bei schwerbehinderten oder gleichgestellten Menschen die Schwerbehindertenvertretung anzuhören. Hört. Die Schwerbehindertenvertretung ist jedoch selbständig anzuhören. Hört hört.
In § 178 SGB IX sind die Aufgaben der Schwerbehindertenvertretung geregelt. Etwas versteckt ist die Anhörung der Schwerbehindertenvertretung in Abs. 2 geregelt:
„Der Arbeitgeber hat die Schwerbehindertenvertretung in allen Angelegenheiten, die einen einzelnen oder die schwerbehinderten Menschen als Gruppe berühren, unverzüglich und umfassend zu unterrichten und vor einer Entscheidung anzuhören; er hat ihr die getroffene Entscheidung unverzüglich mitzuteilen. Die Durchführung oder Vollziehung einer ohne Beteiligung nach Satz 1 getroffenen Entscheidung ist auszusetzen, die Beteiligung ist innerhalb von sieben Tagen nachzuholen; sodann ist endgültig zu entscheiden. Die Kündigung eines schwerbehinderten Menschen, die der Arbeitgeber ohne eine Beteiligung nach Satz 1 ausspricht, ist unwirksam.“
In der betrieblichen Praxis ist die Anhörung des Betriebs- oder Personalrats eingespielt. Häufig erhalten – im Falle einer Schwerbehinderung oder einer Gleichstellung – auch die Schwerbehindertenvertretungen die Betriebsratsanhörungen, da alle Informationen darin enthalten sind. Ist das zulässig oder genügt es nicht?
Das LAG Mecklenburg-Vorpommern hatte in einem Kündigungsschutzprozess auch über die ordnungsgemäße Beteiligung der Schwerbehindertenvertretung zu entscheiden. Der Arbeitgeber beantragte beim Personalrat unter Mitteilung aller erforderlichen Angaben die Zustimmung zur beabsichtigten ordentlichen Kündigung. Eine Kopie dieser Personalratsanhörung übersandte der Arbeitgeber mit dem Betreff „Ihre Mitbestimmung gemäß […] Personalvertretungsgesetz Antrag auf Zustimmung zur ordentlichen Kündigung …“ an die Schwerbehindertenvertretung.
Das LAG Mecklenburg-Vorpommern stellte fest, dass die ordentliche Kündigung unwirksam ist, es fehle an einer ordnungsgemäßen Anhörung der Schwerbehindertenvertretung. Die Schwerbehindertenvertretung müsse gem. § 178 II 1 SGB IX in allen Angelegenheiten Schwerbehinderter unterrichtet und vor einer Entscheidung angehört werden. Ohne ordnungsgemäße Anhörung sei eine Kündigung unwirksam, § 178 Abs. II 3 SGB IX. Für die Anhörung gelten dabei dieselben Grundsätze wie für Anhörungen des Betriebsrats oder des Personalrats, insbesondere müsse die Schwerbehindertenvertretung ausreichend unterrichtet und ihr Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben werden. Eine Anhörung gehe über eine bloße Unterrichtung hinaus, dass Gelegenheit zur Äußerung gegeben und diese entgegengenommen bzw. sich mit ihr auseinandergesetzt werden müsse. Die Schwerbehindertenvertretung müsse erkennen können, dass ihr Vorbringen bei der Entscheidungsfindung zumindest bedacht werde. Dem genüge es aber nicht, wenn die Schwerbehindertenvertretung lediglich Informationen zu einem laufenden Beteiligungsverfahren beim Betriebs- oder Personalrat erhalte und nicht erkennen könne, dass sie die Möglichkeit zur eigenen Stellungnahme erhalte.
Es reicht damit nicht aus, wenn der Schwerbehindertenvertretung die Anhörung von Betriebs- oder Personalrat in Kopie oder zur Kenntnisnahme weitergeleitet wird. Aus einem Anhörungsschreiben muss erkennbar hervorgehen, dass die eigenen Beteiligungsrechte der Schwerbehindertenvertretung ausgelöst werden sollen.
Hört hört.
Mit herzlichen (arbeitsrechtlichen) Grüßen
Ihr Dr. Erik Schmid
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