Liebe Leserin, lieber Leser, liebe Freunde,
wenn Arbeitgeber eine größere Anzahl von Kündigungen gleichzeitig oder innerhalb eines kurzen Zeitraums aussprechen wollen, ist zuvor eine Massenentlassungsanzeige an die zuständige Agentur für Arbeit zu erstatten. Das gilt nicht nur für betriebsbedingte Kündigungen.
Die Massenentlassungsanzeige ist in § 17 KSchG geregelt und setzt Folgendes voraus:
Konsultationsverfahren mit dem Betriebsrat: Unabhängig von einem etwaigen Erfordernis, mit dem Betriebsrat im Falle einer Betriebsänderung nach § 111 BetrVG über Interessenausgleich und Sozialplan zu verhandeln, muss der Arbeitgeber mit dem Betriebsrat eine anzeigepflichtige Entlassungsmaßnahme mit beraten. Das ist das sog. Konsultationsverfahren, bei dem der Betriebsrat durch den Arbeitgeber zunächst eine schriftliche Unterrichtung erhält, die die Gründe für die geplanten Entlassungen, die Zahl und die Berufsgruppen der zu entlassenden sowie der in der Regel beschäftigten Arbeitnehmer, den Zeitraum, in dem die Entlassungen vorgenommen werden sollen und schließlich die Kriterien für die Auswahl der zu entlassenden Arbeitnehmer sowie die Berechnung etwaiger Abfindungen enthalten muss. Die Massenentlassungsanzeige kann erst bei der Agentur für Arbeit eingereicht werden, wenn das Konsultationsverfahren abgeschlossen ist, durch Einigung mit dem Betriebsrat oder durch Zeitablauf, d.h. mit Ablauf von zwei Wochen nach der Information.
Die Parteien streiten über die Wirksamkeit mehrerer krankheitsbedingter Kündigungen. Der Arbeitgeber beschäftigt regelmäßig mehr als 500 Arbeitnehmer. Der Arbeitgeber kündigte das Arbeitsverhältnis des Klägers am 27.11.2020 zum 30.04.2021. Insgesamt sprach er im Zeitraum vom 25.11.2020 bis zum 22.12.2020 34 Kündigungen aus krankheitsbedingten Gründen zur Beendigung von Arbeitsverhältnissen mit anderen Arbeitnehmern aus. Eine Anzeige bei der Agentur für Arbeit erstattete der Arbeitgeber nicht.
Der Kläger hält die Kündigungen für unwirksam, u.a. weil es bereits an einer Massenentlassungsanzeige bei der Agentur für Arbeit gemäß § 17 KSchG fehle. Der Arbeitgeber hält eine Massenentlassungsanzeige bei krankheitsbedingten Kündigungen nicht für erforderlich.
Das LAG Düsseldorf hat der Kündigungsschutzklage stattgegeben, weil beide Kündigungen rechtsunwirksam sind. Die erste Kündigung scheitert bereits an der fehlenden Massenentlassungsanzeige. Nach dem Wortlaut, der Systematik und dem Sinn und Zweck von § 17 KSchG besteht die Anzeigepflicht gegenüber der Agentur für Arbeit auch bei krankheitsbedingten Massenentlassungen. Die ausdrückliche Anregung im Gesetzgebungsverfahrens, personen- und verhaltensbedingte Entlassungen von der Anzeigepflicht auszunehmen, hat der Gesetzgeber nicht aufgegriffen.
Auch wenn Franz Beckenbauer gesungen hat „Gute Freund kann niemand trennen“, gilt die Nichttrennbarkeit auch für eine größere Zahl von Kündigungen und die Massenentlassungsanzeige, die gerade keine Freunde sind. Und Freunde werden Arbeitgeber und die Massenentlassungsanzeige wohl auch nie werden…
Herzliche (arbeitsrechtliche) Grüße
Ihr Dr. Erik Schmid
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