Liebe Leserin, lieber Leser,
das LAG Köln legt im Urteil vom 01.04.2021 – 8 Sa 798/20 über die Kündigung eines Arbeitsverhältnisses wegen versuchtem und tatsächlichem Küssen einer Arbeitskollegin nicht den musikalischen Maßstab von 1963, sondern den rechtlichen Maßstab von 2021 an.
Im September 2019 fand eine mehrtägige Teamklausur statt. An dieser Teamklausur nahm unter anderem ein Arbeitnehmer (Manager-Ebene) teil, der seit 1996 beim Arbeitgeber beschäftigt war. Abends an der Hotelbar versuchte der Arbeitnehmer mehrfach seine kurz zuvor eingestellte Kollegin seine Jacke umzulegen. Dies lehnte die Arbeitnehmerin ab. Auch eine andere anwesende Arbeitnehmerin forderte ihn auf, damit aufzuhören. Der Arbeitnehmer folgte der Kollegin später von der Hotelbar zu ihrem Zimmer. Auch diese Begleitung lehnte die Arbeitnehmerin ab. Vor dem Hotelzimmer der Arbeitnehmerin versuchte der Arbeitnehmer sie zu küssen. Die Arbeitnehmerin drückte ihn weg. Der Arbeitnehmern schaffte es dann doch die Arbeitnehmerin zu küssen. Die Arbeitnehmerin drückte ihn wieder weg, ging in ihr Hotelzimmer und verschloss die Tür. Der Arbeitnehmer sendete der Arbeitnehmerin danach eine „WhatsApp“ und hoffte sie sei ihm nicht böse. Die Arbeitnehmerin teilte ihrem Vorgesetzten den Vorfall mit. Daraufhin wurde das Arbeitsverhältnis mit dem Arbeitnehmer fristlos, hilfsweise fristgerecht gekündigt.
Die Kündigungsschutzklage hatte beim ArbG Köln und beim LAG Köln keinen Erfolg. In erster Instanz fand eine Beweisaufnahme mit mehreren Arbeitskollegen statt. Das Arbeitsgericht führte aus und das LAG Köln bestätigte, dass es keiner Abmahnung vor Ausspruch der Kündigung bedurfte. Es sei für den Arbeitnehmer erkennbar gewesen, dass er mit seinem Verhalten seine Kollegin sexuell belästigt habe und eine Grenze überschritten habe, die eine Fortsetzung seines Arbeitsverhältnisses mit der Beklagten unzumutbar mache. Für den Arbeitgeber ist es eine Verpflichtung, ihre weiblichen [und natürlich auch männlichen] Mitarbeiter vor sexuellen Belästigungen zu schützen. Für die Arbeitsgerichte in Köln war es eindeutig, dass derjenige seine Pflicht, auf die berechtigten Interessen seines Arbeitgebers Rücksicht zu nehmen (§ 241 Abs. 2 BGB), in erheblicher Weise verletzt „wer auf einer dienstlich veranlassten Reise eine Arbeitskollegin gegen ihren Willen zu küssen versucht und auch tatsächlich küsst“.
Die arbeitsrechtliche Bewertung 2021 unterscheidet sich damit von der musikalischen Ansicht von 1963 und folgt dem Song der Prinzen aus dem Jahr 1992. Das Lied „Rote Lippen soll man küssen, denn zum Küssen sind sie da…“ stimmt aber – meiner Meinung nach – auch heute noch, wenn beide einverstanden sind.
Küsschen und mit herzlichen (arbeitsrechtlichen) Grüßen
Ihr Dr. Erik Schmid
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