Darlegungslast bei Fortsetzungserkrankung

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Wer was in einem Entgeltfortzahlungsprozess gerichtlich vortragen muss.

Liebe Leserinnen, liebe Leser,

wird ein Arbeitnehmer durch Arbeitsunfähigkeit infolge Krankheit an seiner Arbeitsleistung verhindert, ohne dass ihn ein Verschulden trifft, so hat er nach § 3 Abs. 1 Satz 1 EFZG für die Dauer von sechs Wochen einen Anspruch auf Entgeltfortzahlung. So weit so gut. Doch wie gehen Sie damit um, wenn Ihr Mitarbeiter innerhalb der Zeiträume des § 3 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 und Nr. 2 EFZG länger als sechs Wochen krankheitsbedingt ausfällt? Mit dieser Frage hat sich aktuell das Bundesarbeitsgericht in seiner Entscheidung vom 18.01.2023, Az. 5 AZR 93/221 beschäftigt.

Der Entscheidung lag folgender Sachverhalt zugrunde:

Der Kläger arbeitet bei der Beklagten, einem Unternehmen, das Bodendienstleistungen am Flughafen in Frankfurt a. M, erbringt, seit Januar 2012. Der Kläger war im Jahr 2019 in der Zeit ab dem 24.08.2019 an 68 Kalendertagen arbeitsunfähig erkrankt und im Jahr 2020 bis zum 18.08.2020 an weiteren 42 Kalendertagen, wobei die Beklagte bis zum 13.08.2020 Entgeltfortzahlung nach § 3 Abs. 1 EFZG leistete.

Mit seiner beim Arbeitsgericht Frankfurt eingereichten Klage hat der Kläger Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall für zehn Arbeitstage (71,2 Stunden) aus dem Zeitraum vom 18.08.2020 bis zum 23.09.2020 geltend gemacht. Er hat hierbei mehrere Erstbescheinigungen vorgelegt und u. a. vorgetragen, welche ICD-10-Codes mit welchen korrespondierenden Diagnosen oder Symptomen in den Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen aufgeführt gewesen seien. Er hat zudem gemeint, er sei aus Datenschutzgründen nicht verpflichtet, sämtliche Erkrankungen aus der davorliegenden Zeit offenzulegen.

Die Beklagte hat vorgetragen, sie sei ab dem 18.08.2020 nicht mehr verpflichtet gewesen, Entgeltfortzahlung zu leisten, da sie davon ausgehe, dass bezüglich der Erkrankungen im streitgegenständlichen Zeitraum anrechenbare Vorerkrankungen vorgelegen hätten, die eine Verpflichtung zur weiteren Entgeltfortzahlung ausschlössen.

Nachdem das Arbeitsgericht Frankfurt der Klage noch stattgegeben hatte, wurde diese sowohl vom Hessischen Landesarbeitsgericht als auch vom Bundesarbeitsgericht abgewiesen.

Das Bundesarbeitsgericht hat seine Entscheidung im Wesentlichen wie folgt begründet:

  1. Es gilt eine abgestufte Darlegungslast, wenn der Arbeitnehmer innerhalb der Zeiträume des § 3 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 und Nr. 2 EFZG länger als sechs Wochen an der Erbringung der Arbeitsleistung verhindert ist.
  2. Bestreitet der Arbeitgeber eine neue Erkrankung, genügt die bloße Vorlage einer ärztlichen Bescheinigung durch den Arbeitnehmer nicht mehr. Vielmehr muss der Arbeitnehmer dann

a) für den gesamten streitgegenständlichen Zeitraum schildern, welche gesundheitlichen Beeinträchtigungen sich wie auf seine Arbeitsfähigkeit ausgewirkt haben und

b) die behandelnden Ärzte von ihrer Schweigepflicht entbinden.

Fazit für Sie:

Bestreiten Sie, dass keine neue, sondern eine Fortsetzungserkrankung vorliegt, genügt Ihr Mitarbeiter seiner ihm obliegenden Darlegungslast nicht mehr alleine durch Vorlage einer „einfachen“ Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung. Auch durch die Mitteilung der Krankenkasse zum (Nicht-)Vorliegen von Fortsetzungserkrankungen (s. § 69 Abs. 4 Hs. 1 SGB X) genügt Ihr Mitarbeiter nicht seiner Darlegungslast, da diese keine mit einer Arbeitsunfähigkeit vergleichbaren Beweiswert hat.

Mit diesen Hinweisen verabschiede ich mich für heute von Ihnen.


Herzliche Grüße

Ihr

Boris Hoffmann


1 BAG 18.01.2023 – 5 AZR 93/22 – AP Nr. 36 zu § 3 EntgeltFG.

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