Liebe Leserinnen, liebe Leser,
nach wie vor ist der befristete Arbeitsvertrag vielleicht nicht der Standard gleichwohl jedoch gerade auch im öffentlichen Dienst weiterhin sehr beliebt und verbreitet, obwohl ja der unbefristete Arbeitsvertrag per Gesetz der Normalfall sein sollte. Denn durch die Befristung eines Arbeitsvertrages entledigt sich der Arbeitgeber letztlich des Betriebsrisikos, indem er nach Ablauf der Befristung in der Regel frei entscheiden kann, ob das Beschäftigungsverhältnis befristet oder auch unbefristet weiter fortgesetzt oder aber beendet werden soll.
Ich bin daher der Auffassung, dass es gerade dem öffentlichen Dienst gut zu Gesicht stehen würde, von der Befristung eines Arbeitsvertrages immer dann abzusehen, wenn es die tatsächlichen Umstände des Einzelfalles auch zulassen. Eine Befristung des Arbeitsvertrages wird insbesondere dann unumgänglich sein, wenn dem Arbeitgeber sogenannte „Drittmittel“ für gewisse Projekte (einmalig) zur Verfügung stehen, da nach Ablauf der finanziellen Unterstützung in der Regel auch die hiermit gesponserten Aufgaben nicht mehr wahrgenommen werden können. Von daher erscheint es mir insbesondere angebracht, über die tatsächliche Notwendigkeit der sachgrundlosen Befristung gemäß § 14 Abs. 2 TzBfG nachzudenken, da es hierbei häufig lediglich um die Möglichkeit einer über die eigentliche sechsmonatige Probezeit hinausgehende Erprobung des Mitarbeiters geht.
Jetzt aber zur Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 16.09.2020 – 7 AZR 552/19 (juris), die sich im Wesentlichen mit dem sogenannten „Vorbeschäftigungsverbot“ des § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG thematisch befasst. Nach § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG ist eine Befristung nicht zulässig, wenn mit demselben Arbeitgeber bereits zuvor ein befristetes oder unbefristetes Arbeitsverhältnis bestanden hat. Erfolgt gleichwohl der Abschluss eines befristeten Arbeitsvertrages führt dies nach § 16 Satz 1 TzBfG zu einer unbefristeten Weiterbeschäftigung.
Der spätere Kläger absolvierte bis zum Jahr 1988 an der TU D ein Hochschulstudium in der Fachrichtung Technische Gebäudeausrüstung. In der Folgezeit übte er bei verschiedenen Arbeitgebern unterschiedliche Tätigkeiten aus, u. a. war er als Objektingenieur Ausrüstung, Abteilungsleiter Absatz, Leiter Thermische Solaranlagen/Heizung und Service Ingenieur beschäftigt.
Vom 14.04.2008 bis zum 13.04.2010 war er als Mitarbeiter bei der späteren Beklagten im Staatsbetrieb Sächsisches Immobilien- und Baumanagement (SIB) als Sachbearbeiter (Ingenieur der Technische Gebäudeausrüstung) tätig. Er wurde nach der Entgeltgruppe 10 TV-L vergütet.
Aufgrund eines neuen Arbeitsvertrags (zwischenzeitlich hatte sich der Kläger u. a. weiter qualifiziert) vom 22.05.2015 wurde der Kläger befristet ohne Sachgrund für die Zeit vom 01.06.2015 bis zum 31.05.2017 als Referent im Bereich des Arbeitsschutzes eingestellt. Er erhielt eine Vergütung nach der Entgeltgruppe 13 TV-L.
Die fristgerecht eingereichte Entfristungsklage wurde aus meiner Sicht zu Recht und zwar vor allem unter Beachtung der einschlägigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichtes, welche das Bundesarbeitsgericht in seiner Entscheidung weiter verfeinerte, in allen drei Instanzen positiv zu Gunsten des Mitarbeiters entschieden. Dies ergibt sich aus folgenden, vom Bundesarbeitsgericht zutreffend zusammengefassten Erwägungen, die ich nachfolgend kurz darstellen möchte:
1. Das in § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG normierte Verbot einer sachgrundlosen Befristung im Falle einer Vorbeschäftigung bei demselben Arbeitgeber gilt zunächst einmal nicht schrankenlos. Vielmehr muss die Vorschrift aufgrund der bindenden Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts verfassungskonform ausgelegt werden. Danach gilt die Vorschrift und damit das Verbot der Vorbeschäftigung nicht, wenn das Verbot für beide Arbeitsvertragsparteien unzumutbar wäre. So greift das Verbot nach der Rechtsprechung insbesondere dann nicht, wenn
„es sich bei der Vorbeschäftigung gegenüber der jetzigen Beschäftigung um eine ganz anders geartete Tätigkeit gehandelt hat.“
2. Für die Annahme einer "ganz anders gearteten Tätigkeit" ist regelmäßig erforderlich, dass die in dem neuen Arbeitsverhältnis geschuldete Tätigkeit Kenntnisse oder Fähigkeiten erfordert, die sich wesentlich von denjenigen unterscheiden, die für die Vorbeschäftigung erforderlich waren.
Tipp! Demnach bedarf es eines Abgleiches der tatsächlichen Beschäftigung mit den hierfür erforderlichen Anforderungen anhand der jeweiligen Anforderungsprofile.
Das Bundesverfassungsgericht hat die Unzumutbarkeit der Anwendung des Verbots der sachgrundlosen Befristung beispielsweise bei einer erzwungenen oder freiwilligen Unterbrechung der Erwerbsbiographie, die mit einer beruflichen Neuorientierung oder einer Aus- und Weiterbildung einhergeht, für möglich gehalten.
Tipp! Allerdings kann nicht jede Aus- und Weiterbildung zur Unzumutbarkeit der Anwendung des § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG führen. Das Erfordernis eines Bruchs in der Erwerbsbiographie ist nicht zeitlich, sondern inhaltlich zu verstehen. Eine ganz anders geartete Tätigkeit ist im Zusammenhang mit einer Aus- und Weiterbildung nur anzunehmen, wenn diese den Arbeitnehmer zur Erfüllung von Aufgaben befähigt, die zwar nicht einer beruflichen Neuorientierung im Sinne einer Tätigkeit etwa in einer anderen Branche gleichkommen, aber der Erwerbsbiographie des Arbeitnehmers eine völlig andere Richtung geben. Also müssen Sie sich im Einzelfall immer fragen, wo soll bzw. sollte denn die Reise des Mitarbeiters tatsächlich hingehen?
Im Ergebnis hatte die Entfristungsklage letztlich Erfolg, da das Bundesarbeitsgericht zwar feststellte, dass die ausgeübten Tätigkeiten sich inhaltlich unterschieden, allerdings habe die Weiterbildung des Klägers nicht zu einem totalen Bruch seiner Erwerbsbiographie geführt.
Hinweis! Von daher sollten Sie immer sorgsam prüfen, ob im Einzelfall eine ganz anders geartete Tätigkeit tatsächlich vorliegt. Verbleiben Zweifel sollten Sie regelmäßig von einer Befristung des Arbeitsvertrages nach § 14 Abs. 2 TzBfG absehen.
So, das soll es für heute mal wieder gewesen sein. Bleiben Sie gesund!
Mit herzlichen Grüßen
Ihr
Boris Hoffmann
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