Liebe Leserinnen, liebe Leser,
als besonderen Service in meinen Fortbildungsveranstaltungen zum Arbeits-, Tarif- oder Beamtenrecht biete ich immer allen Teilnehmern an, sich auch im Nachgang mit Fragen per Mail an mich zu wenden. Vor Kurzem wurde ich u. a. gefragt, wie „man“ also die Behörde in Auswahl- und Stellenbesetzungsverfahren mit ausländischen Studienabschlüssen umzugehen habe. Dies ist aus meiner Sicht im Hinblick auf die europaweit gewünschte Freizügigkeit der Arbeitnehmer eine sehr berechtigte und vor allem äußerst interessante Frage.
Um was geht es eigentlich? Die gebotene Freizügigkeit ist schön und gut. Allerdings muss natürlich auch gewährlistet sein, dass der Bewerber die von ihm geschuldete und natürlich auch die von Ihnen erwartete Arbeitsleistung erfüllen kann. Dementsprechend bedarf es einer vergleichbaren Vorbildung. Und damit sind wir bereits beim Ausgangspunkt der Überlegungen angelangt. Denn die entsprechenden ausländischen Studien- und/oder Berufsabschlüsse müssen mit den entsprechenden deutschen Abschlüssen inhaltlich vergleichbar sein. Dementsprechend müssen Sie anhand des von Ihnen aufgestellten Anforderungsprofils in jedem Einzelfall überprüfen, ob die dort geforderten „inländischen“ Abschlüsse mit entsprechende „ausländischen“ Abschlüssen kompatibel sind.
Ausgangspunkt einer Prüfung muss immer die Richtlinie zur Anerkennung beruflicher Qualifikationen (RL 2005/36/EG) sein.
Hinweis! Da das Vereinigte Königreich aufgrund des Austrittsabkommens, welches eine Übergangsphase vorgesehen hatte, seit diesem Jahr nicht mehr den Regelungen der EU unterfällt, gelten für entsprechende Abschlüsse auch nicht mehr die EU-Richtlinien, sondern die Regelungen für Drittstaaten.
Tipp! Eine gute Übersicht zur Gleichwertigkeit ausländischer Hochschulabschlüsse bietet die Datenbank „anabin“ der Kultusministerkonferenz (abrufbar unter folgenden Link: https://anabin.kmk.org/anabin.html). Weitere nützliche Informationen finden Sie auf folgenden Portalen:
Anerkennung in Deutschland unter https://www.anerkennung-in-deutschland.de/html/de/index.php und BQ-Portal unter https://www.bq-portal.de.
Liegen Ihnen Bewerbungen ausländischer Mitbürger vor, ist es trotz der vorstehenden Portale oft nicht leicht, über die Gleichwertigkeit der Abschlüsse eine abschließende Entscheidung zu treffen. Von daher stellt sich in der Praxis die Frage, müssen Sie das bis ins Detail prüfen oder obliegt dem Bewerber eine umfassende Beibringungspflicht?
Diese Frage hat das LAG Berlin-Brandenburg unter Beachtung der Rechtsprechung des EuGH mit seiner Entscheidung vom 22.1.20201 beantwortet. Eine einstellende Behörde kann und muss danach immer selbst prüfen, ob der vorgelegte (Hochschul-)abschluss gleichwertig ist. Dies lässt sich nach der Ansicht der Gerichte bereits aus der in Art. 45 AEUV garantierten Grundfreiheit der Freizügigkeit ableiten. Ergibt ein solcher Vergleich, dass Kenntnisse und Fähigkeiten einander nur teilweise entsprechen, so kann die Behörde von dem Bewerber den Nachweis verlangen, dass er die fehlenden Kenntnisse und Fähigkeiten erworben hat. Insofern müssen Sie zumindest immer mit der Prüfung beginnen und können diese nicht auf den Bewerber abwälzen.
So ich hoffe, Sie sind nun wieder ein Stückchen „weiser“. Bleiben Sie gesund!
Mit herzlichen Grüßen
Ihr
Boris Hoffmann
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