Liebe Leserinnen, liebe Leser,
auch in meinem ersten Blog im April diesen Jahres möchte ich Ihnen von einer Entscheidung berichten, die sich mit Fragen eines rechtmäßigen Stellenbesetzungs- bzw. Auswahlverfahren beschäftigt.
Das LAG Niedersachsen hatte sich in seiner Entscheidung vom 25.07.2022 unter dem Aktenzeichen 4 SaGa 1178/211 u. a. mit der Frage auseinander zu setzen, ob ein Arbeitgeber im öffentlichen Dienst bei Beachtung des Grundsatzes der Bestenauslese im Sinne des Art. 33 Abs. 2 GG einen Bewerber in einem Auswahlverfahren unberücksichtigt lassen kann, wenn eine sachgrundlos befristete Einstellung wegen einer schädlichen Vorbeschäftigung nicht in Betracht kommt.
Der Entscheidung lag folgender Sachverhalt zugrunde:
Auf eine Ende Juli 2021 durch das später beklagte Land u.a. für die …schule in Bramsche als pädagogische Mitarbeiterin/pädagogischer Mitarbeiter als sozialpädagogische Fachkraft (w/m/d) in der sozialen Arbeit in schulischer Verantwortung befristet bis 31.7.2023 ausgeschriebene Stelle bewarb sich auch die spätere Klägerin. Die Klägerin erfüllte die in der Stellenausschreibung geforderten beruflichen Qualifikationsvoraussetzungen für die Besetzung der Stelle. Gleichwohl wurde ihr am 02.09.2021 durch das regionale Landesamt für Schule und Bildung mitgeteilt, dass sie aufgrund der vereinzelten, kurzfristigen Beschäftigungen als studentische Hilfskraft während ihres Studiums an der Universität V… „bewerbungsunfähig“ sei.
Mit ihren beim Arbeitsgericht erhobenen Anträgen hat die Klägerin ihre Bewerbungsverfahrensansprüche für insgesamt 13 Stellen geltend gemacht. Nachdem das Arbeitsgericht die Anträge allesamt abgewiesen hat, hat das LAG Niedersachsen im Rahmen des sich anschließenden Berufungsverfahrens unter Hinweis auf den in Art. 33 Abs. 2 GG statuierten Grundsatz der Bestenauslese Bedenken dahingehend geltend gemacht, dass ein Bewerber in einem Stellenbesetzungsverfahren alleine wegen einer bestehenden schädlichen Vorbeschäftigung aus einem Stellenbesetzungsverfahren zumindest dann nicht ausgeschlossen werden könne, wenn es an einem entsprechenden Hinweis in der Stellenausschreibung fehle.
Da das Gericht allerdings diese Frage (leider) nicht abschließend in seiner Entscheidung beantwortet hat, möchte ich an dieser Stelle die vom LAG geäußerten Zweifel nachträglich ausräumen.
Ich darf Sie in diesem Zusammenhang auch auf das in der ZTR 2023, 232 abgedruckte umfassende Fazit von Kapischke hinweisen, der ebenso Bedenken gegen die Ausführungen des LAG Niedersachsen äußert.
Das ist meine Kritik an der Entscheidung des LAG Niedersachsen:
Aus meiner Sicht vergisst das Gericht, dass das aus dem Organisationsrecht des Arbeitgebers erwachsene Ermessen bei der Bewirtschaftung von Planstellen gar nicht dem eigentlichen Schutzbereich des Art. 33 Abs. 2 GG unterfällt. Vielmehr ist dieses dem Anwendungsbereich der Bestenauslese vorgelagert.2
Daraus folgt die Entscheidungsbefugnis des Arbeitgebers, Personen in einem Stellenbesetzungsverfahren unberücksichtigt zu lassen, wenn er mit diesen – wie beabsichtigt – kein (sachgrundlos) befristetes Arbeitsverhältnis abschließen kann.
Zudem beachtet das Gericht nicht, dass der Arbeitgeber im öffentlichen Dienst an den bestehenden Haushalts- bzw. Stellenplan gebunden ist. Demnach ist etwa eine unbefristete Einstellung eines Mitarbeiters gar nicht möglich, wenn insoweit keine ausreichenden Haushaltsmittel zur Verfügung stehen.
Schließlich frage ich mich, in welcher Form der Arbeitgeber im Rahmen einer Stellenausschreibung auf eine schädliche Vorbeschäftigung hinweisen soll, da es hierfür nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts gar keine trennscharfe Abgrenzung gibt.3
Hinweis! Maßgebend ist, ob die Vorbeschäftigung länger zurückliegt, ganz anders geartet war, oder von sehr kurzer Dauer gewesen ist.
Im Ergebnis bleibt daher festzuhalten, dass die hier vorgestellte Entscheidung des LAG Niedersachsen inhaltlich nicht überzeugen kann. Vielmehr muss es ohne weiteres möglich sein, Bewerber aus einem Auswahlverfahren auszuschließen, wenn die Stelle lediglich befristet ausgeschrieben ist und die gewünschte Befristung des Arbeitsverhältnisses aus rechtlichen Gründen nicht möglich ist.
Mit diesen Hinweisen verbleibe ich für heute mit
herzlichen Grüßen
Ihr
Boris Hoffmann
1 LAG Niedersachsen 25.7.2022 – 4 SaGa 1178/21 -, ZTR 2023, 230.
2 Zur Begrenzung des Bewerberkreises in einem Auswahlverfahren s. auch Gourmelon/Hoffmann, Stellenbesetzungs- und Auswahlverfahren treff- und rechtssicher gestalten, S. 133 ff.
3 Vgl. hierzu BVerfG 6.6.2018 – 1 BvL 7/14 –, 1 BvR 1375/14 –, ZTR 2018, 404.
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