Wartezeitkündigung wegen fehlender Corona-Schutzimpfung

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Wartezeitkündigungen wegen fehlender Corona-Schutzimpfungen verstoßen nicht gegen das Maßreglungsverbot des § 612a BGB

Liebe Leserinnen, liebe Leser,

nun geht also auch das Jahr 2022 alsbald wieder zu Ende. Im Rahmen meines letzten Blogs für dieses Jahr habe ich Ihnen eine „sommerliche“ Entscheidung des LAG Rheinland-Pfalz vom 07.07.2022, Az. 5 Sa 461/211 mitgebracht, die sich mit einer Kündigung wegen fehlender Corona-Schutzimpfung einer medizinischen Angestellten in der Patientenversorgung beschäftigt.

Zum Sachverhalt:

Die 1987 geborene Klägerin (verheiratet, drei Kinder) war bei der Beklagten seit dem 01.02.2021 auf der Grundlage eines bis zum 31.01.2022 sachgrundlos befristeten Arbeitsvertrags als medizinische Fachangestellte in Teilzeit (zuletzt mit 12,2 Wochenstunden) beschäftigt. Die Beklagte, eine gemeinnützige GmbH in kommunaler Trägerschaft, betreibt ein Krankenhaus der Maximalversorgung. Von den 3.100 Arbeitnehmern waren nach Angaben der Beklagten (bis Mitte November 2021) insgesamt 250 – so auch die Klägerin – nicht gegen das Coronavirus SARS-CoV-2 geimpft. Das entspricht einer Quote von ca. 8 Prozent ungeimpfter Beschäftigten in einem Krankenhaus?!?!

Da die Klägerin weder geimpft gewesen ist, noch die Bereitschaft erklärt hatte, sich gegen das Corona-Virus zu impfen, kündigte die Beklagte des Arbeitsverhältnis mit Schreiben vom 22.07.2021 zum 31.08.2021. Hiergegen wehrt sich die Klägerin mit ihrer rechtzeitig erhobenen Klage. Sie macht insbesondere geltend, die Kündigung verstoße gegen das Maßregelungsverbot nach § 612a BGB.

Das sind die wesentlichen Entscheidungsgründe des Gerichts:

1. Da die Klägerin zum Zeitpunkt des Zugangs der Kündigungserklärung bei der Klägerin noch keine sechs Monate beschäftigt gewesen sei, gelte für sie der allgemeine Kündigungsschutz nicht, da die sechsmonatige Wartezeit nach § 1 Abs. 1 KSchG noch nicht erfüllt gewesen sei.

Hinweis! Bitte beachten Sie, dass die sechsmonatige Wartefrist des § 1 Abs. 1 KSchG unabhängig von der Länge einer vereinbarten Probezeit gilt. So beträgt die Probezeit bei sachgrundlos befristeten Arbeitsverträgen nach § 30 Abs. 4 Satz 1 TVöD/TV-L nicht sechs Monate, sondern lediglich sechs Wochen. Gleichwohl muss eine ordentliche Kündigung auch dann nicht sozial im Sinne des § 1 Abs. 2 KSchG gerechtfertigt sein, wenn diese dem Arbeitnehmer zwar nach Ablauf der Probezeit, aber noch vor Beendigung der Wartefrist zugeht.


2. § 15 Abs. 3 TzBfG stehe der Kündigung nicht entgegen, da die Möglichkeit einer ordentlichen Kündigung des sachgrundlos befristeten Arbeitsvertrags im anwendbaren Tarifvertrag (hier im § 30 Abs. 5 TVöD-K) geregelt sei.

Hinweis! Im Anwendungsbereich des TVöD und des TV-L können demnach auch befristete Arbeitsverträge grundsätzlich ordentlich gekündigt werden.


3. Die Kündigung der Beklagten sei zudem nicht, wie die Klägerin vorgetragen habe, gemäß § 134 BGB wegen eines Verstoßes gegen das Maßregelungsverbot des § 612a BGB unwirksam.

Das LAG Rheinland-Pfalz begründet seine Auffassung wie folgt:

  • Nach § 612a BGB dürfe der Arbeitgeber einen Arbeitnehmer nicht deshalb bei einer Vereinbarung oder Maßnahme benachteiligen, weil dieser in zulässiger Weise seine Rechte ausübt. Die Norm erfasse damit einen Sonderfall der Sittenwidrigkeit (§ 138 BGB).
  • Von § 612a BGB werde auch die Ausübung von Grundrechten erfasst, soweit sie im Verhältnis zum Arbeitgeber rechtserheblich seien. Ein Verstoß gegen das Maßregelungsverbot liege vor, wenn die zulässige Rechtsausübung der tragende Beweggrund, d. h. das wesentliche Motiv für die benachteiligende Maßnahme ist, wobei als Maßnahme auch Kündigungen in Betracht kämen.2
  • Die Wartezeit von sechs Monaten diene der beiderseitigen Überprüfung der Arbeitsvertragsparteien, ob sie das Arbeitsverhältnis über die Wartezeit hinaus fortsetzen wollen. Damit bestehe in der Wartezeit Kündigungsfreiheit.

Hinweis! Dies gilt auch für Arbeitsverhältnisse im öffentlichen Dienst.3

  • In der gesetzlichen Wartezeit unterliege somit die Bildung der Meinung des Arbeitgebers, ob ein Arbeitnehmer seinen Vorstellungen entspricht, von Missbrauchsfällen abgesehen, keiner Überprüfung nach objektiven Maßstäben.

Hinweis! Kommt der Arbeitgeber bei seiner Prüfung, ob die „Chemie passt“, zu einem negativen Ergebnis, kann er das Arbeitsverhältnis grundsätzlich frei kündigen und zwar ohne auf entgegenstehende Interessen des Arbeitnehmers Rücksicht nehmen zu müssen!

Aus alledem folgerte das Gericht, dass hier die Arbeitgeberin daher in der gesetzlichen Wartezeit von sechs Monaten mit Blick auf den Infektionsschutz der Patienten und der übrigen Beschäftigten ihres Krankenhauses das Anforderungsprofil so ausgestalten durfte, dass sie in ihrem Krankenhaus nur noch Pflegepersonal beschäftigen will, die ihr eine COVID-19-Schutzimpfung nachweisen. Damit kam ein Verstoß gegen § 612a BGB nicht in Betracht. Die Kündigungsschutzklage war somit abzuweisen.

Hinweis! Etwas anderes gilt, wenn der allgemeine Kündigungsschutz nach § 1 Abs. 1 und 2 KSchG greift, da die Kündigung dann durch einen kündigungsrelevanten Grund sozial gerechtfertigt sein muss.

So, das soll es nun für dieses Jahr gewesen sein. Ich hoffe, ich darf Sie auch im Jahr 2023 wieder hier begrüßen. Bis dahin machen Sie es gut, bleiben Sie gesund und genießen Sie die festlichen Tage.


Herzliche Grüße

Ihr

Boris Hoffmann


1 LAG Rheinland-Pfalz 07.07.2022 – 5 Sa 461/21 –, ZTR 2022, 617.
2 BAG 18.11.2021 – 2 AZR 229/21 –, juris.
3 BAG 22.04.2010 – 6 AZR 828/08 –, ZTR 2010, 430.

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