Liebe Leserinnen, liebe Leser,
wie ich zuletzt versprochen habe, wende ich mich nun anderen Themen zu, die nichts mit der leidigen Covid-Pandemie zu tun haben. Diesmal möchte ich mich einer aktuellen Entscheidung des Thüringer Landesarbeitsgerichts vom 27.10.20211 widmen.
Der wesentliche Sachverhalt ist schnell erzählt. Die Klägerin begehrte im Wege der einstweiligen Verfügung die Verhinderung einer endgültigen Stellenbesetzung, bevor nicht rechtsfehlerfrei in einem Auswahlverfahren über ihre Bewerbung entschieden worden ist. Im Rahmen des Verfahrens brachte Sie insbesondere vor, dass die Auswahlentscheidung durch den Arbeitgeber nicht hinreichend dokumentiert worden sei. Zudem sei nicht ersichtlich, warum ihr Hochschulanschluss nicht mit den in der Ausschreibung genannten Studienabschlüssen vergleichbar gewesen sein soll.
Hinweis! Zum rechtssicheren Umgang mit Anforderungsprofilen und der Dokumentation von Auswahlentscheidungen darf ist Sie auf folgendes Werk verweisen, welches ganz aktuell in der zweiten Auflage erhältlich ist:
Aus Gründen des effektiven Rechtsschutzes hinsichtlich des Bewerbungsverfahrensanspruches müssen Auswahlüberlegungen hinreichend dokumentiert sein, damit eine gerichtliche Überprüfung erfolgen kann und nicht zum Nachteil eines Bewerbers im Nachgang der Auswahlentscheidung die Kriterien geändert werden können.2
Hinweis! Das gilt auch, wenn Sie den Bewerberausschluss mit personalpolitischen und/oder vorgelagerten Organisationsentscheidungen begründen.3
Hinweis!
Ich sehe in der Praxis immer wieder Stellenausschreibungen, in denen der Arbeitgeber einen konkreten Studienabschluss fordert oder aber auf mehrere mögliche Studienabschlüsse verweist, um dann die Tür gleich wieder für möglichst viele Bewerber zu öffnen, indem zudem auch auf vergleichbare Hochschulabschlüsse verwiesen wird (z. B. „erforderlich ist ein abgeschlossenes wissenschaftliches Hochschulstudium des Fachbereichs der Informatik oder ein vergleichbarer Hochschulabschluss“).
In diesen Fällen müssen Sie, soweit Sie einen Bewerber ablehnen wollen, in jedem Einzelfall darlegen, aus welchen Gründen Sie den jeweiligen Abschluss für nicht vergleichbar halten. Von einem solchen Vorgehen möchte ich Ihnen daher ausdrücklich abraten. Aus meiner Sicht bestehen im Übrigen bereits dahingehend Bedenken, ob es sich insoweit um ein zwingendes Anforderungsprofil handelt, da nach der Rechtsprechung als konstitutiv nur solche Merkmale des Anforderungsprofils bewertet werden können, die anhand objektiv überprüfbarer Kriterien als tatsächlich gegeben festzustellen sind.4
Tipp! Wenn Sie allerdings mit dem Begriff der „Vergleichbarkeit“ von Abschlüssen arbeiten wollen, um etwa das Bewerberfeld im Vorfeld nicht unnötig einzuengen, müssen Sie vorab ausdrücklich dokumentieren, welche Ausbildungen Sie aus welchem Grund als vergleichbar ansehen oder welche aus welchem Grund nicht. Damit dies gelingt, darf ich Sie auf die vom Statistischen Bundesamt zur Verfügung gestellte Fächersystematik5 verweisen, um insoweit festzustellen, ob Studienabschlüsse dem von Ihnen festgelegten Anforderungsprofil entsprechen.
Damit verbleibe ich zunächst
mit herzlichen Grüßen
Ihr
Boris Hoffmann
1 Thür LAG 27.10.2021 – 4 SaGa 4/21- juris.
2 BAG 17.8.2010 – 9 AZR 347/09 – ZTR 2011, 46.
3 LAG Köln 8.4.2021 – 6 SaGa 6/20 – juris.
4 OVG NRW 7.8.2020 – OVG 4 S 17/20 – juris.
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