Zugang einer Erklärung

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Schriftliche Geltendmachung einer Jahressonderzahlung

Liebe Leserinnen, liebe Leser,

in der Praxis gibt es immer wieder Streit über den rechtzeigen und fristgerechten Zugang von Erklärungen der Arbeitsvertragsparteien. Das LAG Thüringen musste sich in einer aktuellen Entscheidung1 mit der Frage auseinandersetzen, ob eine Mitarbeiterin ihren Anspruch auf Zahlung einer Jahressonderzahlung nach § 20 TVöD für das Jahr 2019 fristwahrend geltend gemacht hat.

Der Entscheidung lag folgender Sachverhalt zugrunde:

Die Klägerin war bei der späteren beklagten Arbeitgeberin bereits seit vielen Jahren als Krankenschwester tätig. Dem Gericht lag ein auf den 23.4.2020 datierter Einlieferungsbeleg über die Aufgabe einer Briefsendung bei der Post vor. Das Schreiben war an die Arbeitgeberin adressiert. Am 24.4.2020 nahm eine Beschäftigte der Arbeitgeberin eine Briefsendung mit der im Einlieferungsbelegt vermerkten Sendungsnummer an.

Die Klägerin hat im gerichtlichen Verfahren behauptet, in der Briefsendung sei ein Schreiben gewesen, mit welchem sie die Beklagte aufgefordert habe, die Sonderzahlung für das Jahr 2019 mit der Mai-Abrechnung 2020 auszuzahlen. Die Beklagte hat den Zugang eines entsprechenden Schreibens bestritten. Damit habe die Klägerin ihren Anspruch auf Zahlung einer Jahressonderzahlung nicht fristgerecht geltend gemacht. Dementsprechend sei der Anspruch, wenn dieser überhaupt dem Grunde nach bestanden habe, nach § 37 Abs. 1 Satz 1 TVöD verfallen.

Sowohl das Arbeitsgericht Nordhausen als auch das im Berufungsverfahren zuständige Landesarbeitsgericht Thüringen gaben der Klage statt.

Das sind die wesentlichen Entscheidungsgründe des Gerichts:

Der von der Klägerin gerichtlich geltend gemachte Anspruch war gemäß § 20 Abs. 5 i. V. m. § 24 Abs. 1 Satz 2 TVöD zum 30.11.2019 fällig. Damit lief die Frist zur Geltendmachung des Anspruchs am 31.5.2020 ab (§ 37 Abs. 1 Satz 1 TVöD i. V. m. §§ 187 Abs. 2, 188 Abs. 2 BGB).

Nach der Überzeugung der streitentscheidenden Kammer des Landesarbeitsgerichts hat die Klägerin ihren Anspruch auf Zahlung einer Jahressonderzahlung innerhalb der sechsmonatigen materiellen Ausschlussfrist des § 37 Abs. 1 Satz 1 TVöD ordnungsgemäß geltend gemacht.

Zur Begründung seiner Auffassung verwies das Gericht auf § 286 Abs. 1 ZPO. Danach habe das Gericht sich eine Überzeugung von der Wahrheit oder Unwahrheit einer Tatsache zu bilden in freier Beweiswürdigung aufgrund des gesamten Inhalts der mündlichen Verhandlung und einer etwaigen Beweisaufnahme. Wobei eine Beweisaufnahme nicht notwendig sei, wenn sich das Gericht eine Überzeugung bereits aufgrund der mündlichen Verhandlung bilden könne.

Zunächst stünde fest, dass am 23.4.2020 ein Briefumschlag von der Klägerin an die Beklagte gesandt worden und dort am 24.4.2020 angekommen ist. Die Klägerin habe zudem den genauen Inhalt des zugegangenen Schreibens gerichtlich ausreichend vorgetragen.

Dementsprechend sei das einfache Bestreiten der Beklagten, dass dieses Schreiben nicht Inhalt der unstreitig am 24.4.2020 bei ihr eingegangenen Briefsendung gewesen sei, nicht ausreichend. Die Beklagte hätte vielmehr konkret hierzu vortragen und sagen müssen, wenn nicht das von der Klägerin behauptete Schreiben Inhalt des Briefumschlages gewesen sei, was denn sonst konkret Inhalt des Briefumschlages gewesen sei. Da sie sich hierzu auch nach erneuten Hinweis im zweiten Rechtszug nicht konkret äußern wollte, hat die Kammer keinen Anlass vernünftige Zweifel zu bilden, dass die Behauptung der Klägerin, das Schreiben, mit dem sie für den Monat Mai 2020 die Zahlung einer Jahressonderzahlung für 2019 angemahnt hat, Inhalt des der Beklagten unstreitig zugegangenen Briefumschlages gewesen ist.

Fazit für Sie! Soweit der tatsächliche Zugang eines Schreibens zwischen den Arbeitsvertragsparteien unstrittig ist, muss der Empfänger konkret vortragen, welchen Inhalt das Schreiben konkret hatte, soweit er den entsprechenden Vortrag des Ausstellers des Schreibens bestreiten möchte.

Mit diesen Hinweisen verbleibe ich für heute mit herzlichen Grüßen

Ihr

Boris Hoffmann


LAG Thüringen 7.12.2022 – 4 Sa 123/21 – ZTR 2023, 229.

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