Kündigung des Chefarztes eines katholischen Krankenhauses wegen Wiederverheiratung

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BAG vom 20.2.2019 – 2 AZR 746/14: Das Bundesarbeitsgericht hatte einen Kündigungsschutzprozess zu entscheiden.

(Anm. des Verlags: siehe zu diesem Thema auch die Beiträge vom 12.9.2018, vom 19.4.2018 und den ausführlichen Aufsatz von Prof. Hammer in der Zeitschrift für Tarifrecht [ZTR], Ausgabe 3/2019)

 

Sachverhalt und Prozessgeschichte

 

Die Beklagte ist Trägerin von Krankenhäusern und institutionell mit der katholischen Kirche verbunden. Der katholische Kläger war bei ihr als Chefarzt beschäftigt. Den Dienstvertrag schlossen die Parteien unter Zugrundelegung der vom Erzbischof von Köln erlassenen Grundordnung des kirchlichen Dienstes im Rahmen kirchlicher Arbeitsverhältnisse vom 23. September 1993 (GrO 1993). Nach deren Art. 5 Abs. 2 GrO 1993 handelte es sich u. a. beim Abschluss einer nach dem Glaubensverständnis und der Rechtsordnung der Kirche ungültigen Ehe um einen schwerwiegenden Loyalitätsverstoß, der eine Kündigung rechtfertigen konnte. Der Kläger war nach katholischem Ritus verheiratet. Nach der Scheidung von seiner ersten Ehefrau heiratete er im Jahr 2008 ein zweites Mal standesamtlich. Nachdem die Beklagte hiervon Kenntnis erlangt hatte, kündigte sie das Arbeitsverhältnis ordentlich zum 30. September 2009.

 

Hiergegen hat sich der Kläger mit der vorliegenden Kündigungsschutzklage gewandt. Er hat vorgetragen, seine erneute Eheschließung vermöge die Kündigung nicht zu rechtfertigen. Bei evangelischen Chefärzten bleibe eine Wiederheirat nach der GrO 1993 ohne arbeitsrechtliche Folgen.

 

Arbeitsgericht und Landesarbeitsgericht haben der Klage stattgegeben. Das die Revision der Beklagten zurückweisende Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 8. September 2011 (- 2 AZR 543/10 -) hat das Bundesverfassungsgericht durch Beschluss vom 22. Oktober 2014 (- 2 BvR 661/12 -) aufgehoben und die Sache an das Bundesarbeitsgericht zurückverwiesen.

 

Daraufhin hat das Bundesarbeitsgericht mit Beschluss vom 28. Juli 2016 (- 2 AZR 746/14 [A] -) den Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) nach Art. 267 AEUV um Beantwortung von Fragen zur Auslegung von Art. 4 Abs. 2 Unterabs. 2 der Richtlinie 2000/78/EG des Rates vom 27. November 2000 zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf (ABl. EG Nr. L 303 S. 16) ersucht. Über dieses Ersuchen hat der EuGH mit Urteil vom 11. September 2018 (- C-68/17 -) entschieden.

 

Prozessentscheidung

 

Vor dem Hintergrund des Urteils des EuGH hat das Bundesarbeitsgericht die Revision der Beklagten zurückgewiesen.

 

Begründung

 

Ein der römisch-katholischen Kirche verbundenes Krankenhaus darf seine Beschäftigten in leitender Stellung bei der Aufforderung, sich loyal und aufrichtig im Sinne des katholischen Selbstverständnisses zu verhalten, nur dann nach ihrer Religionszugehörigkeit unterschiedlich behandeln, wenn dies im Hinblick auf die Art der betreffenden beruflichen Tätigkeiten oder die Umstände ihrer Ausübung eine wesentliche, rechtmäßige und gerechtfertigte berufliche Anforderung darstellt.

 

Die Kündigung ist nicht durch Gründe im Verhalten oder in der Person des Klägers sozial gerechtfertigt (§ 1 Abs. 2 KSchG). Mit seiner Wiederverheiratung verletze dieser weder eine wirksam vereinbarte Loyalitätspflicht noch eine berechtigte Loyalitätserwartung der Beklagten.

 

Die Vereinbarung im Dienstvertrag der Parteien, mit der die GrO 1993 in Bezug genommen wurde, ist gem. § 7 Abs. 2 AGG unwirksam, soweit dadurch das Leben in kirchlich ungültiger Ehe als schwerwiegender Loyalitätsverstoß bestimmt ist. Diese Regelung benachteiligte den Kläger gegenüber nicht der katholischen Kirche angehörenden leitenden Mitarbeitern wegen seiner Religionszugehörigkeit und damit wegen eines in §1 AGG genannten Grundes, ohne dass dies nach § 9 Abs. 2 AGG gerechtfertigt ist. Dies folgt aus einer unionsrechtskonformen Auslegung von § 9 Abs. 2 AGG, jedenfalls aber aus dem Anwendungsvorrang des Unionsrechts. Die Loyalitätspflicht, keine nach dem Glaubensverständnis und der Rechtsordnung der katholischen Kirche ungültige Ehe zu schließen, war im Hinblick auf die Art der Tätigkeiten des Klägers und die Umstände ihrer Ausübung keine wesentliche, rechtmäßige und gerechtfertigte berufliche Anforderung.

 

Nationales Verfassungsrecht (vgl. dazu BVerfG 22. Oktober 2014 – 2 BvR 661/12 -) steht dem nicht entgegen. Das Unionsrecht darf die Voraussetzungen, unter denen die der Kirche zugeordneten Einrichtungen ihre Beschäftigten wegen der Religion ungleich behandeln dürfen, näher ausgestalten. Der EuGH hat mit seiner Auslegung der Richtlinie 2000/78/EG seine Kompetenz nicht überschritten. Es handelt sich nicht um einen „Ultra-Vires-Akt“ oder einen solchen, durch den die Verfassungsidentität des Grundgesetzes berührt wird.

 

 

BAG vom 20.2.2019 – 2 AZR 746/14 –

 

 

Quelle: Pressemitteilung Nr. 10/19 des BAG vom 20.2.2019

 

 

Bernhard Faber

Richter am Arbeitsgericht Augsburg a. D.

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