Zuvor war gegen den Polizeimeisteranwärter ein Strafbefehl vom zuständigen Amtsgericht erlassen worden, weil dieser seiner ehemaligen Lebensgefährtin wiederholt und beharrlich nachgestellt hat, indem er sie mittels diverser Nachrichten über verschiedene Nachrichtendienste, zum Teil mehrfacher täglicher Anrufe sowie persönlich den Kontakt zur Geschädigten gesucht hat, obwohl er erkennen konnte und musste, dass dies nicht ihrem Willen entsprach. Außerdem kontaktierte der Antragsteller den neuen Lebensgefährten der Geschädigten und bat diesem die Übersendung von Bildern und Videoaufnahmen der Geschädigten mit sexuellem Hintergrund an. Es folgten noch weitere exzessive telefonische sowie persönliche Kontaktversuche mit der Geschädigten in Verbindung mit diversen Beleidigungen. In einer Sprachnachricht bezeichnete der Antragsteller die Geschädigte als „Fotze“.
Aufgrund dieser Vorfälle verhängte das Amtsgericht gegen den Antragsteller wegen Nachstellung in Tateinheit mit Beleidigung gemäß § 238 Abs. 1 Nummer 2, § 185, 194, 52 StGB eine Geldstrafe in Höhe von 40 Tagessätzen. Nach Einspruch des Antragstellers stellte das Amtsgericht mit Beschluss vom 23. November 2020 das Verfahren mit Zustimmung des Antragstellers und der Staatsanwaltschaft gemäß § 153a Abs. 2 StPO vorläufig ein und machte dem Antragsteller zur Auflage, eine Geldauflage in Höhe von 1.200 € an ein Frauenhaus zu zahlen.
Der Verwaltungsgerichtshof München (BayVGH, Beschl. v. 13. April 2021 – 6 CS.21587) wies die Beschwerde des Antragsstellers im einstweiligen Rechtschutzverfahren im Ergebnis zurück und bestätigte die Entscheidung des Verwaltungsgerichts Bayreuth.
Nach Auffassung des VGH liegt auf Grund des festgestellten Sachverhalts ein ausreichender sachlicher Grund für die Entlassung vor gem. § 2 BpolBG in Verbindung mit § 37 Abs. 1 BBG. Fehlende persönliche (charakterliche) Eignung ist ein solcher sachlicher Grund für die Entlassung. Hierfür ist die prognostische Einschätzung entscheidend, inwieweit der Beamte der von ihm zu fordernden Loyalität, Aufrichtigkeit, Zuverlässigkeit, Fähigkeit zur Zusammenarbeit und Dienstauffassung gerecht werden wird. Dies erfordert eine – dem Dienstherrn vorbehaltene und von den Verwaltungsgerichten nur eingeschränkt überprüfbare – wertende Würdigung aller Aspekte des Verhaltens des Beamten, die einen Rückschluss auf die für die charakterliche Eignung relevanten persönlichen Merkmale zulassen. Geboten ist danach eine Gesamtwürdigung aller relevanten Umstände. Insoweit genügen bereits berechtigte Zweifel der Entlassungsbehörde, ob der Beamte auf Widerruf die persönliche Eignung für sein Amt besitzt.
Die Entlassung aus dem Beamtenverhältnis auf Widerruf ist aus diesem Grund nicht von dem Nachweis eines konkreten Dienstvergehens abhängig, ebenso wenig ist von entscheidender Bedeutung, ob der Beamte eine nachweisbare Straftat begangen hat oder ob er deswegen verurteilt wird. Eine Entlassung kann vielmehr schon dann gerechtfertigt sein, wenn bestimmte Verhaltensweisen charakterliche Mängel des Beamten hinreichend deutlich zu Tage treten lassen, die begründete Zweifel an seiner persönlichen Eignung für die angestrebte Beamtenlaufbahn wecken. In Anwendung dieser Maßstäbe war die Entlassung des Antragstellers rechtlich nicht zu beanstanden.
Ohne Erfolg blieb ebenfalls der Einwand, dass aus der endgültigen Einstellung des gegen ihn eingeleiteten Strafverfahrens sich eine Unschuldsvermutung zugunsten des Antragstellers ergebe. Die Unschuldsvermutung gemäß Art. 6 Abs. 2 EMRK schützt den Beschuldigten nur von Nachteilen, die Schuldspruch oder Strafe gleichkommen, nicht jedoch vor Rechtsfolgen, die keinen Strafcharakter haben. Auf Verfahren, die nach ihrer Zielsetzung nicht auf die Feststellung und Ahndung strafrechtlicher Schuld gerichtet sind, sondern die außerhalb der eigentlichen Strafrechtspflege eine Entscheidung über andere Rechtsfolgen zum Gegenstand haben erstreckt sich die Unschuldsvermutung nicht. Die Beurteilung der charakterlichen Eignung eines Beamten auf Probe im Rahmen des § 37 BBG hat keinen Strafcharakter, sondern dient der Sicherung der Leistungsfähigkeit der öffentlichen Verwaltung.
Schließlich blieb auch der Einwand des Antragstellers ohne Erfolg, dass er sich nicht strafbar gemacht habe und nach endgültiger Einstellung des Strafverfahrens kein Tatverdacht mehr gegen ihn bestehe, der Zweifel an seiner Eignung rechtfertige. Für die Annahme von Zweifeln an der charakterlichen Eignung für den Polizeivollzugsdienst ist es nicht erforderlich, dass es zu einer strafrechtlichen Verurteilung kommt. Zwar darf allein aus der Einstellung des Verfahrens nach § 153a StPO, die nur mit Zustimmung des Angeklagten möglich ist, nicht auf die Verwirklichung des objektiven Tatbestands der angeklagten Straftaten geschlossen werden. Andererseits bringt die Einstellung des Verfahrens nach § 153a StPO aber keineswegs zum Ausdruck, dass der Tatverdacht gegen den Betroffenen ausgeräumt wäre. Daher verbietet das Absehen von der Strafverfolgung es nicht, in Verfahren mit anderer Zielsetzung die im Strafverfahren getroffenen Feststellungen in dem für die dortige Entscheidung erforderlichen Umfang als Grundlage für die daran anknüpfenden außer strafrechtlichen Rechtsfolgen zu verwerten (vgl. BVerfG, B. v. 16.01.1991- 1 BvR 1326/90).
Christian Bachnik
Rechtsanwalt
meyerhuber rechtsanwälte partnerschaft mbb
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