Andere Bewerber = Quereinsteiger in das Beamtenverhältnis I.

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Ein Leser des letzten Beitrags vom 13.2.2023 mit dem Titel „Ernennung von Praktikern zu Beamten auf Probe – auch ohne Vorbereitungsdienst“ – hatte den Wunsch geäußert, Näheres zur Rechtskonstruktion des „Anderen Bewerbers“ zu erfahren. Diesem Anliegen entspreche ich gerne mit den beiden folgenden Beiträgen.

Liebe Leserin, lieber Leser,

die Ernennung zum Beamten auf Lebenszeit erfordert üblicherweise zunächst eine entsprechende Vor- und Ausbildung (Laufbahnbefähigung) für die Übernahme in ein Beamtenverhältnis auf Probe, also einen abgeschlossenen Vorbereitungsdienst und das Bestehen der Laufbahnprüfung (in Bayern: Qualifikationsprüfung). Dabei handelt es sich um den sogenannten „Regelbewerber“.

Eine gesetzlich zugelassene Ausnahme hierzu besteht allerdings für sogenannte „Andere Bewerber“, die insofern auch als „Quereinsteiger“ bezeichnet werden können (vgl. § 22 BLV für Bundesbeamte und das jeweilige Laufbahnrecht der Länder). Diese Rechtskonstruktion befreit das Beamtenverhältnis von den sonst starren Regelungen. Sie soll den einzelnen Dienstherren die Möglichkeit eröffnen, in Einzelfällen auf die besonderen Kenntnisse und Erfahrungen von Fachleuten zurückzugreifen, die sich innerhalb oder außerhalb der öffentlichen Verwaltung auf einem dem beabsichtigten Tätigkeitsbereich – und damit der jeweiligen Laufbahn – entsprechenden Gebiet qualifiziert haben.

Ernennungsvoraussetzungen

Das Beamtenrecht verbindet die Ernennung eines „Anderen Bewerbers“ neben den allgemeinen Ernennungsvoraussetzungen (wie Verfassungstreue oder Staatsangehörigkeit; vgl. § 7 BBG/§ 7 BeamtStG) mit zusätzlichen Voraussetzungen:

a) Lebens- und Berufserfahrung

Hierbei sind alle Erfahrungen zu verstehen, die geeignet sind, die für die Wahrnehmung der künftigen Aufgaben erforderlichen Kenntnisse und Fertigkeiten zu vermitteln. Ein zeitliches Mindestmaß der Lebens- oder Berufserfahrung wird zwar vom Gesetz nicht verlangt, eine Gleichstellung mit den Regelbewerbern kommt aber nur bei einer mehrjährigen Tätigkeit infrage.

  • Der Begriff der „Lebenserfahrung“ umfasst dabei auch die Erfahrungen im Umgang mit Menschen, die in der Ausbildung der Regelbewerber nicht gesondert vermittelt und von diesen Regelbewerbern meist erst während ihrer beruflichen Tätigkeit erworben werden (Weiß/Niedermaier/Summer, Art. 52 LlbG, Rn. 14).

  • Neben der Lebenserfahrung ist auch eine entsprechende Berufserfahrung gesetzlich vorgeschrieben, welche in einer zumindest gleichwertigen Funktionsebene erzielt worden ist.

  • Beispiele:

  • Es kommen insbesondere entsprechende berufliche Tätigkeiten in der freien Wirtschaft in Betracht wie etwa im EDV-, im kaufmännischen oder technischen Bereich.

  • Möglich sind aber auch berufliche Tätigkeiten als Angestellte im öffentlichen Dienst. Hierbei kann die Eingruppierung ein Anhaltspunkt für die Vergleichbarkeit der beruflichen Qualifikation eines Anderen Bewerbers sein.

Lediglich Spezialkenntnisse für die ordnungsgemäße Wahrnehmung eines einzelnen Dienstpostens oder eines einzelnen Teilbereichs der Laufbahn genügen für eine Ernennung jedoch schon deshalb nicht, weil der Andere Bewerber ab seiner Ernennung den Regelbewerbern gleichgestellt wird. Die Lebens- und Berufserfahrung muss den Anderen Bewerber vielmehr in die Lage versetzen, sämtliche Aufgaben der angestrebten Laufbahn (bzw. in Bayern Fachlaufbahn und Qualifikationsebene) wahrzunehmen. Näheres dazu siehe den Beitrag der kommenden Woche.

Die Besonderheit: Von anderen Bewerbern darf einerseits keine bestimmte Vorbildung gefordert werden (vgl. § 22 Abs. 2 Satz 2 BLV), an den Anderen Bewerbern dürfen aber andererseits keine geringeren Anforderungen an seinen Wissensstand und sein berufliches Können gestellt werden, als an einen Regelbewerber.

Beispiel:

Bei einer beabsichtigten Übernahme in den höheren Dienst (in Bayern: vierte Qualifikationsebene) muss eine Tätigkeit vorliegen, für welche eine akademische Ausbildung zumindest die Regel war – auch wenn der Andere Bewerber seinen Beruf bisher ohne eine solche Vorbildung in gleicher Weise wie ein Akademiker wahrgenommen hat.

Hierzu ist jedoch ergänzend anzumerken, dass eine Übernahme in den ärztlichen oder staatsanwaltschaftlichen Dienst schon kraft Gesetzes nur Bewerbern vorbehalten ist, die eine entsprechende akademische Ausbildung erfolgreich abgeschlossen haben.

Beispiel:

Der Ärztliche Dienst setzt nach § 3 der Bundesärzteordnung die Approbation voraus; die Übernahme in den Staatsanwaltschaftlichen Dienst verlangt nach § 122 Abs. 1 DRiG die Befähigung zum Richteramt und damit den erfolgreichen Abschluss der 2. Juristischen Staatsprüfung.

Im Umkehrschluss bedeutet dies jedoch, dass zum Beispiel eine Übernahme in den höheren Allgemeinen Verwaltungsdienst auch ohne die Befähigung zum Richteramt möglich ist, wenn der Bewerber bisher entsprechende berufliche Leistungen erbracht hat. Dieses Ergebnis entspricht im Übrigen der neuen Aufstiegsform der „Modularen Qualifizierung“ beim Aufstieg in die nächsthöhere Laufbahngruppe (einfacher – mittlerer – gehobener – höherer Dienst; in Bayern: Qualifikationsebene), weil hier ebenfalls keine besondere Vorbildung verlangt wird.

b) Besonderes dienstliches Interesse

Das besondere dienstliche Interesse an der Ernennung muss gerade darin bestehen, ein Beamtenverhältnis zu begründen. Daraus folgt: Kann die künftige dienstliche Aufgabe in gleicher Weise in einem Angestelltenverhältnis wahrgenommen werden, kommt eine Ernennung nicht infrage.

Da Andere Bewerber nach ihrer Übernahme in ein Beamtenverhältnis den Regelbewerbern gleichgestellt werden (siehe den Beitrag der kommenden Woche), muss ein einheitlicher Mindeststandard der beruflichen Eignung und Leistung gewährleistet sein. Anders ausgedrückt: Der Regebewerber bildet – wie der Name bereits besagt – die Regel, der Andere Bewerber die Ausnahme.

Es muss folglich ein besonderes Interesse an der Übertragung bestimmter Aufgaben durch einen Beamten bestehen. Dies ist der Fall, wenn gerade die in der Person des Bewerbers liegenden besonderen – qualifikationsbezogenen – Umstände (insbesondere Spezialkenntnisse) dem Dienstherrn für die Auswahlentscheidung wesentlich erscheinen. Maßgeblich ist das schon nach der Verfassung vorgegebene dienstliche Interesse an der Gewinnung des am besten geeigneten Bewerbers nach dem Leistungsgrundsatz, Art. 33 Abs. 2 GG.

Beispiel:

Ein besonderes dienstliches Interesse liegt nicht schon dann vor, wenn der Bewerber bereits mehrere Jahre als Angestellter bei einem Dienstherrn beschäftigt war und sein Aufgabengebiet nach Übernahme in das Beamtenverhältnis unverändert bleiben soll.

Ist dagegen die Übernahme in das Beamtenverhältnis schon bei der Einstellung in das Arbeitsverhältnis in Aussicht gestellt worden, dann kann das Arbeitsverhältnis zunächst als Erprobungszeit eingestuft und anschließend die Ernennung zum Beamten vorgenommen werden.

Das allgemeine persönliche Interesse eines Bewerbers, in das Beamtenverhältnis berufen zu werden oder das Bestreben einer Verwaltung, aus Gründen der Fürsorge einem bewährten Arbeitnehmer den Beamtenstatus eröffnen zu wollen, können hingegen in keinem Fall maßgeblich sein.

Ein besonderes dienstliches Interesse an der Gewinnung als Beamter kann bei Tätigkeiten, die nicht zwingend Beamten vorbehalten sind, auch dann angenommen werden, wenn bei einer Verwaltung bestimmte Stellen aus verwaltungsökonomischen oder wirtschaftlichen bzw. haushaltsrechtlichen Gründen durchgehend mit Beamten besetzt werden (Weiß/Niedermaier/Summer, Art. 2 LlbG, Rn. 11). Weiterhin kann ein besonderes Interesse des Dienstherrn an einer streikfreien oder einer in hohem Maße weisungsgebundenen Tätigkeit gegeben sein.

Damit steht fest: Es kommt weder auf die subjektive Meinung der Personalverantwortlichen einer Behörde noch auf den „Ernennungswunsch“ eines Bewerbers ohne Laufbahnbefähigung an.

Der Beitrag wird fortgesetzt. Dabei geht es um folgende Punkte:

  • Tätigkeitsbereiche, die von einem Anderen Bewerber nicht ausgeübt werden können,
  • die erforderliche Feststellung der Befähigung und
  • die rechtliche Stellung des ernannten Anderen Bewerbers.

Ihr

Dr. Maximilian Baßlsperger


§ 8 Abs. 2 BLV lautet:

(2) Haben Bewerberinnen oder Bewerber die erforderliche Befähigung durch Lebens- und Berufserfahrung erworben, erkennt der Bundespersonalausschuss oder ein von ihm zu bestimmender unabhängiger Ausschuss die Laufbahnbefähigung an.

§ 22 BLV lautet:

(1) Wer nicht die Voraussetzungen des § 7 Nummer 1 oder 2 Buchstabe a erfüllt, darf nur berücksichtigt werden, wenn keine geeigneten Bewerberinnen und Bewerber mit einer Laufbahnbefähigung für die entsprechende Laufbahn zur Verfügung stehen oder die Einstellung von besonderem dienstlichen Interesse ist.

(2) Nach Absatz 1 berücksichtigte Bewerberinnen und Bewerber müssen durch ihre Lebens- und Berufserfahrung befähigt sein, im Beamtendienst die Aufgaben ihrer künftigen Laufbahn wahrzunehmen. Eine bestimmte Vorbildung darf außer im Fall des Absatzes 3 von ihnen nicht gefordert werden.

(3) Ist eine bestimmte Vorbildung, Ausbildung oder Prüfung durch besondere Rechtsvorschrift vorgeschrieben oder nach ihrer Eigenart zwingend erforderlich, ist eine Einstellung nach Absatz 1 nicht möglich.

(4) Das Verfahren zur Feststellung der Laufbahnbefähigung nach § 8 Absatz 2 regelt der Bundespersonalausschuss.


Lesen Sie dazu auch die Beiträge:


Literaturhinweis:

  • Weiß/Niedermaier Summer: Art. 4 LlbG, Rn. 5ff. und Art. 52 LlbG, Rn. 1ff.

  • Keck/Puchta/Konrad, Art. 52 LlbG, Rn. 1ff.

  • Lemhöfer/Leppek, § 22 BLV, Rn. 1ff.

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2 Kommentare zu diesem Beitrag
kommentiert am 02.03.2023 um 07:25:
Die Ernennung von Lehrern als andere Bewerber dürfte wohl daran scheitern, dass eine Übernahme auch im Angestelltenverhältnis möglich ist.
kommentiert am 27.02.2023 um 10:30:
Danke für die Ausführungen. Ich bin schon auf den 2. Teil gespannt. Wenn ich das richtig verstanden habe, stellt auch der akute Lehrermangel ein besonderes dienstliches Interesse dar.....
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