Liebe Leserin, lieber Leser,
der Erste Bürgermeister ist neben dem Gemeinderat und beschließenden Ausschüssen eines der willensbildenden Gemeindeorgane. Er ist neben dem Gemeinderat Hauptorgan der Gemeinde (Art. 29 GO). Der Gemeinderat besteht nach Art. 31 Abs. 1 GO aus dem Ersten Bürgermeister und den Gemeinderatsmitgliedern. Bürgermeister sind Wahlbeamte auf Zeit. Ihnen sind vom Gesetz die verschiedensten Aufgaben übertragen.
Mit den folgenden Ausführungen soll versucht werden, einen Überblick über die Aufgabenbereiche des Bürgermeisters darzustellen.
Grundsätzlich ist der Gemeinderat zuständig, die Beamten der Gemeinde ab Besoldungsgruppe A 9 zu ernennen, zu befördern, abzuordnen oder zu versetzen, an eine andere Einrichtung zuzuweisen und in den Ruhestand zu versetzen und zu entlassen. In kreisfreien Gemeinden kann der Gemeinderat die Befugnisse für Beamte bis zur Besoldungsgruppe A 14 dem Oberbürgermeister übertragen.
Allgemein gilt: Für Beamte der Gemeinde bis zur Besoldungsgruppe A 8 obliegen die oben genannten personalrechtlichen Befugnisse nach Art. 43 Abs. 2 dem Ersten Bürgermeister.
Laufende Angelegenheiten sind solche Angelegenheiten, die für die Gemeinde zum einen
Diese beiden Voraussetzungen müssen kumulativ gegeben sein. Ob dies der Fall ist, beurteilt sich nach der Größe der jeweiligen Gemeinde.
Beispiele:
Laufende Angelegenheiten sind z.B. der Ankauf von Bürobedarf; der Erlass von im Wesentlichen gleichlautenden Abgabebescheiden. Solche Angelegenheiten kann und wird der Bürgermeister auf Gemeindebedienstete übertragen.
Eine laufende Aufgabe ist auch die Führung von Passivprozessen (Gemeinde als Beklagte).
Keine laufenden Angelegenheiten sind personalrechtliche Angelegenheiten (oben a); Verkauf und Ankauf von Grundstücken; Planungsentscheidungen der Gemeinde sowie die Führung von Aktivprozessen (Gemeinde als Klägerin).
Der Gemeinderat kann für die laufenden Angelegenheiten mit konstitutiver Wirkung Richtlinien aufstellen (Art. 37 Abs. 1 S. 2 GO). Diese Richtlinien unterliegen insoweit dem Normenkontrollverfahren nach § 47 Abs. 1 Nr. 2 VwGO, Art. 5 AGVwGO.
Der Erste Bürgermeister ist nach Art. 37 Abs. 1 GO weiterhin zuständig
für die den Gemeinden durch ein Bundesgesetz oder auf Grund eines Bundesgesetzes übertragenen hoheitlichen Aufgaben in Angelegenheiten der Verteidigung einschließlich des Wehrersatzwesens und des Schutzes der Zivilbevölkerung, soweit nicht für haushalts- oder personalrechtliche Entscheidungen der Gemeinderat zuständig ist,
die Angelegenheiten, die im Interesse der Sicherheit der Bundesrepublik oder eines ihrer Länder geheim zu halten sind.
Diese Aufgaben nach Art. 37 Abs. 1 GO sind von geringer praktischer Relevanz.
Gemäß Art. 37 Abs. 2 GO kann der Gemeinderat dem Ersten Bürgermeister durch die Geschäftsordnung weitere Angelegenheiten zur selbstständigen Erledigung übertragen. Dies geht jedoch nicht für Satzungen und für Angelegenheiten, die nach Art. 32 Abs. 2 S. 2 GO nicht auf beschließende Ausschüsse übertragen werden können.
Der Gemeinderat kann einzelne übertragene Aufgaben nicht wieder an sich ziehen (Art. 37 Abs. 2 Satz 2 GO). Das Recht des Gemeinderats, die Übertragung allgemein zu widerrufen, bleibt allerdings unberührt.
Beispiel:
Der Gemeinderat kann dem Ersten Bürgermeister z.B. die Erledigung von Rechtsgeschäften bis zu einer bestimmten Geldsumme zur selbstständigen Wahrnehmung übertragen (zur Möglichkeit, Richtlinien zu erlassen, siehe schon oben b).
Gemäß Art. 37 Abs. 3 S. 1 GO ist der Erste Bürgermeister nicht nur befugt, sondern im Rahmen seiner Dienstpflichten auch gehalten, anstelle des Gemeinderats dringliche Anordnungen zu treffen und unaufschiebbare Geschäfte zu besorgen. Es handelt sich dabei um solche Angelegenheiten, bei denen nicht zugewartet werden kann, bis der Gemeinderat zur Beschlussfassung zusammentritt.
Beispiele:
Einzelfallentscheidung; Erlass von dringlichen Verwaltungsakten nach Art. 35 BayVwVfG / § 80 Abs. 2 Nr. 4 VwGO.
Ist der Erlass einer Verordnung dringlich und duldet er keinen Aufschub bis zum Zusammentritt des Gemeinderats, so erlässt an dessen Stelle ebenfalls der Erste Bürgermeister nach § 42 Abs. 2 LStVG die Verordnung (dringliche Verordnung). Hiervon ist dem Gemeinderat in der nächsten Sitzung Kenntnis zu geben.
Die Erhebung einer verwaltungsgerichtlichen Klage (bzw. eines eventuell vorgeschalteten Widerspruchs) ist wegen der in der VwGO vorgegebenen Fristen (§§ 70/74 VwGO) keine dringliche Angelegenheit im Sinne von Art. 37 Abs. 3 S. 1 GO.
Der Erste Bürgermeister führt den Vorsitz im Gemeinderat, Art. 36 S. 1 GO. Gleiches gilt i.d.R. für die Ausschüsse, Art. 33 Abs. 2 S. 1 GO. Er ist Vollzugsorgan für alle Beschlüsse des Gemeinderats, Art. 36 S. 1 GO.
Hält der Erste Bürgermeister Entscheidungen des Gemeinderats oder seiner Ausschüsse für rechtswidrig, so hat er sie nach Art. 59 Abs. 2 GO zu beanstanden, ihren Vollzug auszusetzen und, soweit erforderlich, die Entscheidung der Rechtsaufsichtsbehörde (Art. 110 GO) herbeizuführen.
Nach Art. 53 Abs. 1 GO obliegt dem Ersten Bürgermeister die Ordnung innerhalb der Gemeinde und er übt damit auch das Hausrecht aus.
Beispiele:
Zur Sicherung der Ordnung ist er etwa berechtigt, Zuhörer, die diese Ordnung stören, entfernen zu lassen. Er kann außerdem mit Zustimmung des Gemeinderats einzelne Mitglieder, welche die Ordnung fortgesetzt erheblich stören, von der Sitzung ausschließen.
Beim Außenvertretungsrecht des Ersten Bürgermeisters nach Art. 38 Abs. 1 GO handelt es sich um keine umfassende Vertretungsmacht. Sie wird vielmehr auf seine Befugnisse – insbesondere auf die Bereiche seiner eigenen Zuständigkeit nach Art. 37 GO und den Vollzug von Beschlüssen des Gemeinderats nach Art. 36 GO – beschränkt.
Sofern der Erste Bürgermeister fälschlicherweise in einem Bereich tätig wird, bei dem der Gemeinderat willensbildendes Organ ist (Art. 29 GO), handelt er als „Vertreter ohne Vertretungsmacht“.
Die Rechtswirkungen seines eigenmächtigen Handelns bestimmen sich im öffentlichen Recht danach, welchen Rechtsakt der erste Bürgermeister gesetzt hat.
Beispiel:
Ein eigenmächtig erlassener Verwaltungsakt ist rechtswidrig, eine Satzung/Verordnung nichtig, ein öffentlicher Vertrag ist schwebend unwirksam Art. 62 S. 2 BayVwVfG / § 177 BGB, ebenso eine Klageerhebung.
Schließt der Bürgermeister einen privatrechtlichen Vertrag ab oder erhebt er eine privatrechtliche Klage, so ist dieser / diese ebenfalls schwebend unwirksam (§ 177 BGB).
Besonderheit: Schriftform:
Mit Ausnahme von ständig wiederkehrenden Geschäften des täglichen Lebens, die finanziell von unerheblicher Bedeutung sind (Alltagsgeschäfte), bedürfen Erklärungen des Ersten Bürgermeisters, durch welche die Gemeinde verpflichtet werden soll, stets der Schriftform (Art. 38 Abs. 2 GO). Hierbei ist streitig, ob diese Vorschrift zur Nichtigkeit privatrechtlicher Willenserklärungen nach § 125 BGB führt, oder nur als Einschränkung der Vertretungsmacht anzusehen ist.
Im öffentlichen Recht stellt sich die Fehlerfolge nach hier vertretener Ansicht wie folgt dar: Mündliche Verwaltungsakte sind nach Art. 44 Abs. 1 BayVwVfG nichtig, öffentlich-rechtliche Verträge bedürfen schon nach Art. 57 BayVwVfG der Schriftform und sind ebenfalls nichtig, wenn dieses Formerfordernis nicht gegeben ist, Kopp/Ramsauer, VwVfG, § 57, Rn. 14.
Hinweis:
Die Rechtsfolgen bei der Nichteinhaltung der Formvorschriften sind jedoch streitig!
Der Erste Bürgermeister ist Amtsträger im Sinne des § 11 Abs. 1 Nr. 2 StGB. Er kann sich damit etwa der Vorteilsannahme (§ 331 StGB), der Bestechlichkeit (§ 332 StGB) oder der Amtsuntreue (§ 266 StGB) strafbar machen.
Verletzt der Bürgermeister bei einem privatrechtlichen Handeln für die Gemeinde seine Amtspflichten, so haftet er persönlich nach § 839 BGB. § 839 BGB statuiert an sich die persönliche Haftung des Beamten. Diese Eigenhaftung wird jedoch durch Art. 34 GG mit schuldbefreiender Wirkung vom Bürgermeister auf die Gemeinde übergeleitet. Er wird dadurch aus seiner Haftung gegenüber dem Dritten entlassen, die Gemeinde haftet also nicht neben dem Ersten Bürgermeister, sondern an dessen Stelle. Anspruchsgegner ist deshalb auch nicht der Erste Bürgermeister, sondern die Gemeinde, eine Klage gegen den Ersten Bürgermeister hätte trotz des Wortlauts des § 839 BGB keine Aussicht auf Erfolg. (vgl. OLG Nürnberg NVwZ 2001, 1324).
Der Regressanspruch der Gemeinde gegenüber dem Bürgermeister sowie dessen Haftung für die der Gemeinde zugefügten Schäden richtet sich im Übrigen nach § 48 BeamtStG.
Im Falle einer krankheits- oder urlaubsbedingten Abwesenheit des Ersten Bürgermeisters ist eine Stellvertretung schon wegen Art. 39 GO (Vertretung nach außen) erforderlich. Deshalb wählt der Gemeinderat aus seiner Mitte einen oder zwei weitere Bürgermeister, Art. 35 Abs. 1 S. 1 GO. Die weiteren Bürgermeister vertreten den Ersten Bürgermeister in der sich aus der Wahl ergebenden Reihenfolge. Sie werden damit aber selbst keine Kommunalen Wahlbeamten.
Im Vertretungsfall gehen sämtliche mit dem Amt verbundenen Kompetenzen des Ersten Bürgermeisters auf den jeweiligen Stellvertreter über. Allerdings kann sich der Erste Bürgermeister bestimmte, wichtige Entscheidungen vorbehalten und damit eine Stellvertretung ausschließen. Der Erste Bürgermeister kann im Rahmen der Geschäftsverteilung (Art. 46 GO) aber auch einzelne seiner Befugnisse generell den weiteren Bürgermeistern und nach deren Anhörung auch einem Gemeinderatsmitglied übertragen. In Angelegenheiten der laufenden Verwaltung (oben 1b) ist außerdem die Übertragung auf einen einem Gemeindebediensteten möglich.
Ihr
Dr. Maximilian Baßlsperger
Lesen Sie dazu auch die Beiträge mit dem Titel:
Literaturhinweis zur Haftung:
Für Städte und Gemeinden Bayerns wird außerdem folgende Fachzeitschrift empfohlen:
DER BAYERISCHE BÜRGERMEISTER
Der nächste Beitrag in dieser Reihe erscheint nach Pfingsten am 7. Juni 2021!
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