Liebe Leserin, lieber Leser,
die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) hat sich in der mündlichen Verhandlung vom 1.3.2023 vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) erneut für das Streikrecht von Beamten eingesetzt. „Das Streikrecht ist ein Menschen- und Grundrecht, das den Beamtinnen und Beamten nicht länger verweigert werden darf“.1 Man will mit der Anrufung des Gerichts das Berufsbeamtentum endlich „vom Staub des 18. Jahrhunderts befreien“.
Auch Elke Hannack, die stellvertretende Vorsitzende des DGB, unterstützt die Forderungen der GEW. „Nicht-hoheitlich tätige Beamte dürfen nicht mehr allein vom Wohlwollen ihrer Dienstherren abhängig sein“.2
Zur Erinnerung: Das BVerfG hatte das Streikverbot für Beamte in einer Entscheidung noch im Jahre 2018 bestätigt (BVerfG v. 12. Juni 2018 – 2 BvR 1738 – u.a.).
Lesen Sie dazu den Beitrag:
BVerfG: Streikverbot für Beamte verfassungsgemäß!
Nun also ein erneuter Anlauf, um das Streikverbot zu kippen. Die GEW stützt ihr Vorbringen auf eine Entscheidung des EGMR zum türkischen Recht aus dem Jahr 2009 und insbesondere auf Art. 11 EMRK (siehe unten). Insbesondere dort, wo der Staat keine hoheitlichen Tätigkeiten ausübt, sollen die Beamten künftig streiken dürfen.
a) Auch dort, wo der Staat nicht „eingreift“, sondern „nur“ Leistungen erbringt, handelt er hoheitlich.
Beispiel Lehrer: Gerade, weil der Staat einen eigenen Erziehungs- und Bildungsauftrag (Art. 7 GG) verfolgt, handelt er durch die Personen, die er zur Erfüllung seines verfassungsrechtlichen Auftrags einsetzt, hoheitlich.
b) Eingriffs- und Leistungshandeln können nicht voneinander getrennt werden. In vielen Fällen übt ein einziger Beamter sowohl verwaltende Tätigkeiten, als auch Tätigkeiten im Bereich der Eingriffsverwaltung aus.
Beispiel: Der Erlass einer Baugenehmigung ist dem hoheitlichen Leistungsbereich zuzuordnen, eine Baubeseitigungsanordnung stellt eine eingreifende Maßnahme dar und selbst bei der Polizei bestehen nicht nur Eingriffs-, sondern auch Leistungsbereiche (Schutzfunktionen, Verbrechensbekämpfung etc.).
c) Besoldung und Arbeitsbedingungen für Beamte werden nicht – wie bei Tarifverträgen – ausgehandelt, sondern durch Gesetz geregelt.
Beispiel: Besoldungs- und Versorgungsgesetze, Nebentätigkeits- oder Arbeitszeitverordnungen etc.
Dürften Beamte an Arbeitskampfmaßnahmen teilnehmen, so handelte es sich dabei also um einen „politischen Streik“, der auf den Erlass von gesetzlichen Regelungen gerichtet ist und eindeutig gegen das verfassungsrechtliche Demokratieverbot verstößt (Art. 20 Abs. 2 GG).
Es drängt sich hinsichtlich der Gewerkschaften als Befürworter des Beamtenstreiks geradezu der Schluss auf, dass dabei letztendlich – trotz aller gegenteiligen Beteuerungen – vor allem die Steigerung ihrer Einflussnahmemöglichkeiten – also ihre erweiterte Machtstellung – und damit im Endeffekt die komplette Abschaffung des Berufsbeamtentums das eigentliche Ziel des Rechtsstreites vor dem EGMR ist.
Das ergibt sich insbesondere aus folgenden Aussagen:
„Das Streikrecht in nicht-hoheitlichen Bereichen würde nicht nur die Beamt*innen, sondern auch die Solidarität der Beschäftigtengruppen im öffentlichen Dienst insgesamt stärken.“ (Elke Hannack, DGB).
„Die Beamtinnen und Beamten brauchen das Streikrecht, weil die „Arbeitgeber“ beispielsweise die Arbeitsbedingungen und die Bezahlung einseitig diktieren!“ (Maike Finnern, GEW). Anmerkung: Gemeint sind die Dienstherren!
Die Folgen eines Streikrechts der Beamten für die Allgemeinheit werden vermutlich aus eigennützigen Gründen gerade nicht gesehen und deshalb erst gar nicht erwähnt!
Schlussfolgerung:
Ein Recht des Berufsbeamtentums, sich gemeinsam mit den Angestellten des öffentlichen Dienstes mit dem Mittel des Arbeitskampfes für bessere Arbeitsbedingungen und eine höhere Besoldung einzusetzen, besteht zu Recht nicht.
Ihr
Dr. Maximilian Baßlsperger
Art. 11 EMRK lautet:
(1) Alle Menschen haben das Recht, sich friedlich zu versammeln und sich frei mit anderen zusammenzuschließen, einschließlich des Rechts, zum Schutze ihrer Interessen Gewerkschaften zu bilden und diesen beizutreten.
(2) Die Ausübung dieser Rechte darf keinen anderen Einschränkungen unterworfen werden als den vom Gesetz vorgesehenen, die in einer demokratischen Gesellschaft im Interesse der nationalen und öffentlichen Sicherheit, der Aufrechterhaltung der Ordnung und der Verbrechensverhütung, des Schutzes der Gesundheit und der Moral oder des Schutzes der Rechte und Freiheiten anderer notwendig sind. Dieser Artikel verbietet nicht, dass die Ausübung dieser Rechte durch Mitglieder der Streitkräfte, der Polizei oder der Staatsverwaltung gesetzlichen Einschränkungen unterworfen wird.
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