Die Straftaten der Klimakleber

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Immer wieder mussten und müssen Polizeibeamte gegen Sitzblockaden der sog. „Klimakleber“ der „Letzten Generation“ vorgehen und sie haben dabei regelmäßig auch körperliche Gewalt anzuwenden. Wichtig erscheint es dabei für diese Beamten, sich im Klaren zu sein, gegen welche Straftaten sie dabei eigentlich polizeilich einschreiten.

Liebe Leserin, lieber Leser,

die Mitglieder der „Letzten Generation“ verwirklichen durch das Festkleben auf dem Straßenbelag und der damit beabsichtigten Verkehrsblockade gleich mehrere Straftatbestände.

Zunächst handelt es sich um den Tatbestand einer Nötigung nach § 240 Abs. 1 StGB. Wer einen Menschen rechtswidrig mit Gewalt oder durch Drohung mit einem empfindlichen Übel zu einer Handlung, Duldung oder Unterlassung nötigt, wird danach mit einer Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft. Rechtswidrig ist die Tat, wenn die Anwendung der Gewalt oder die Androhung des Übels zu dem angestrebten Zweck als verwerflich anzusehen ist (§ 240 Abs. 2 StGB).1

Das Amtsgericht Berlin-Tiergarten2 hält die strafrechtliche Relevanz der Nötigung bei „Klimaklebern“ für gegeben und das Bundesverfassungsgericht3 entschied, dass durch eine Blockade mittels Hinlegens auf eine Straße eine physische Zwangswirkung auf die nachfolgenden Pkw-Fahrer resultiert. Diese Handlung ist – so das BVerfG –als verwerflich anzusehen, denn die motorisierten Verkehrsteilnehmer haben keine Möglichkeit, die Blockade zu umgehen und sind für längere Zeit an ihrer Fortbewegungsmöglichkeit gehindert.

Ein weiterer Straftatbestand, der von den Klimaklebern erfüllt wird, ist regelmäßig der Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte nach § 113 Abs. 1 StGB. Wer einem Polizisten bei der Vornahme einer Diensthandlung „mit Gewalt“ Widerstand leistet, wird mit einer Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft. Von einer „Gewalt“ ist schon deswegen auszugehen, weil das Festkleben dazu dient, die Polizisten von der Vollstreckungshandlung abzuhalten. Eine physische Gewalt ist insbesondere dann offensichtlich, wenn der Asphalt aufgeschnitten werden muss, um die Aktivisten zu entfernen.

Selbstverständlich wird hier gleichzeitig eine Sachbeschädigung (§ 303 StGB) begangen. Nach § 303c StGB wird dieses Vergehen allerdings nur auf Antrag des Betroffenen (bei Autobahnen oder Bundesstraßen der Bund, bei Landstraßen das jeweilige Bundesland usw.) verfolgt, es sei denn, dass die Strafverfolgungsbehörde (Staatsanwaltschaft) wegen des besonderen öffentlichen Interesses an der Strafverfolgung ein Einschreiten von Amts wegen für geboten hält. Ein solches besonderes öffentliches Interesse ist hier aber kaum zu leugnen!

Haben Klimaaktivisten – wie vielfach geschehen – während ihrer Blockade Rettungswagen oder Feuerwehrleute in ihrem Fortkommen zum Einsatzort behindert, ist außerdem eine Strafbarkeit nach § 323c Abs. 2 StGB (Unterlassene Hilfeleistung durch Behinderung) gegeben. Nicht zu vergessen ist dabei auch § 115 Abs. 3 StGB: Zu bestrafen ist hiernach, wer bei Unglücksfällen, gemeiner Gefahr oder Not Hilfeleistende der Feuerwehr, des Katastrophenschutzes, eines Rettungsdienstes, eines ärztlichen Notdienstes oder einer Notaufnahme durch Gewalt behindert. Der Gewaltbegriff umfasst hierbei nicht nur die – zweifelsfrei gegebene – physische, sondern auch die psychische Gewalt, weil nur mit dieser Auslegung der Schutzrichtung des Gesetzes entsprochen wird.

Stirbt eine Person, weil ihr wegen der Sitzblockade nicht rechtzeitig von Sanitätern oder Notärzten geholfen werden kann, liegt zumindest dann ein Tötungsdelikt vor, wenn die Blockade in Kenntnis eines Rettungseinsatzes (Wahrnehmung des im Einsatz befindlichen Fahrzeuges) bewusst aufrechterhalten bleibt. Im Einzelfall ist dann zu entschieden, ob die Tat fahrlässig oder sogar vorsätzlich ausgeübt wird, weil eine solche Folge „billigend in Kauf genommen“ wurde.

Schließlich erfüllen die Mitglieder der „Letzten Generation“ nicht nur nach hier vertretener Ansicht den Straftatbestand der Bildung einer kriminellen Vereinigung nach § 129 StGB. Mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe wird nach § 129 Abs. 1 StGB bestraft, wer eine Vereinigung gründet oder sich an einer Vereinigung als Mitglied beteiligt, deren Zweck oder Tätigkeit auf die Begehung von Straftaten gerichtet ist, die im Höchstmaß mit Freiheitsstrafe von mindestens zwei Jahren bedroht sind. Und das ist hier schon durch die Verwirklichung der Straftatbestände wie der Nötigung (siehe oben) zweifellos der Fall. Bei der „Letzten Generation“ handelt es sich um eine „Vereinigung“ im Sinne der Vorschrift, weil diese auf längere Dauer angelegt ist und von einer Festlegung der Rollen der Mitglieder, der Kontinuität der Mitgliedschaft von mehr als zwei Personen zur Verfolgung eines übergeordneten gemeinsamen (rechtswidrigen) Interesses geprägt ist (§ 129 Abs. 2 StGB).

Fazit:
Es ist an der Zeit, dass sowohl die Strafverfolgungsbehörden als auch die Gerichte endlich ihre Kompetenzen ausschöpfen!

Eine willkommende Folge wäre darin zu sehen, dass die Polizeibeamten nicht nur aufgrund ihrer beamtenrechtlichen Folgeleistungspflicht, sondern unabhängig davon in der Rechtmäßigkeit ihres Einschreitens bestärkt werden.

Ergänzung:
Auch der Anwendung von sogenannten „Schmerzgriffen“ durch Polizeibeamte ist verhältnismäßig und rechtmäßig, wenn diese für den Fall der Verweigerung einer Anordnung angedroht werden und andere auf den Körper einwirkende Maßnahmen keinen rechtzeitigen (sofortigen) Erfolg versprechen.4 Es handelt sich insofern nicht nur um eine mögliche, sondern auch rechtlich zulässigen Transport- und Kontrolltechnik.5


Ihr

Dr. Maximilian Baßlsperger


1 Hieran soll es nach Zimmermann/Griesar, JuS 2023, 401ff. fehlen.

2 Urteil v. 30.08.2022 – 422 Cs 231 Js 1831/22 –; siehe aber auch eine andere Entscheidung dieses Gerichts v. 05.10.2022 – 303 Cs) 237 Js 2450/22 –.

3 BVerfG, Beschl. v. 24.10. 2001 – 1 BvR 1190/90 –.

4 Siehe dazu auch VG Berlin v. 10.5.2023 – 1 L 171/23 –.

5 Siehe dazu aber auch: https://www.lto.de/recht/nachrichten/n/debatte-gewalt-polizei-letzte-generation-schmerzgriffe-verhaeltnismaessigkeit/

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3 Kommentare zu diesem Beitrag
kommentiert am 21.09.2023 um 08:59:
Für Angestellte des öff. Dienstes gilt allgemein das sog. "Wegerisiko". Das bedeutet: Der Arbeitnehmer trägt das Lohnrisiko eines verspäteten Dienstantritts. Der Arbeitgeber braucht für die versäumte Arbeitszeit keinen Lohn zu bezahlen, er kann sich jedoch mit der Einarbeitung der versäumten Dienstleistungszeit einverstanden erklären. Dies gilt insbesondere, wenn eine Gleitzeitregelung besteht. Für Beamte ist in aller Regel die Gleitzeitregelung vom Gesetzgeber vorgeschrieben - und das entspricht ja auch den Vorgaben des EuGH. Es besteht insofern eine Parallele zum Wegerisiko des Arbeitsrechts, als eine Gutschrift auf einem Gleitzeitkonto nicht vorgenommen werden kann. Wird jedoch infolge der Sitzblockade die Kernzeit nicht eingehalten, dann ist die versäumte Dienstzeit - auch hier besteht eine Parallele zum Arbeitsrecht - trotz des bestehenden und gegenseitigen Dienst- und Treueverhältnisses und der daraus resultierenden Fürsorgepflicht des Dienstherrn eine Pflicht, nachträglich einzuarbeiten. Ein Pflichtverstoß nach § 96 BBG (Fernbleiben vom Dienst) und ein Verlust der Dienstbezüge (§ 9 BBesG) scheidenmangels Verschuldens des Beamten aber aus.
kommentiert am 18.09.2023 um 19:09:
Wird die Arbeitszeit gutgeschrieben, wenn man durch die Klimakleber gehindert war, die Arbeit/den Dienst rechtzeitig anzutreten?
kommentiert am 18.09.2023 um 13:15:
Es wäre endlich Zeit für die Strafgerichte diese arbeitsscheuen Klimakleber zur Verantwortung zu ziehen. Und das im Interesse der Menschen, die zur Arbeit wollen, der Eltern, die ihre Kinder zur Schule oder in den Kindergarten bringen müssen usw. usw.
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