Liebe Leserin, lieber Leser,
bei Verstößen gegen eine fundamentale beamtenrechtliche Pflicht muss auch nach dem Eintritt in den Ruhestand mit schwerwiegenden dienstrechtlichen Folgen gerechnet werden, wie der oben erwähnte Fall des OVG LSA zeigt. Danach stellen die Kandidatur eines Beamten für die NPD bei einer Landtagswahl und die damit verbundenen verfassungsfeindlichen, antisemitischen Äußerungen auf Facebook schwerwiegende Verstöße gegen die Pflicht zur Verfassungstreue dar, die auch noch im Ruhestand mit der disziplinarischen Höchstmaßnahme der Aberkennung des Ruhegehalts zu ahnden sind.
Der Kläger – ein ehemaliger Berufssoldat – wurde zum Beamten bei der Bundeswehrverwaltung ernannt. Er war dann seit Januar 2013 krankheitsbedingt dienstabwesend und wurde ab April 2020 wegen Dienstunfähigkeit in den Ruhestand versetzt. Im Rahmen des gegen den Beamten im Jahr 2016 eingeleiteten beamtenrechtlichen Disziplinarverfahrens wurde dem Mann u. a. vorgeworfen, dass er bei der Landtagswahl 2016 – also noch während seines aktiven Beamtenverhältnisses – in Sachsen-Anhalt für die NPD kandidiert und außerdem unter seinem Facebook-Profil öffentlich Beiträge gepostet habe, welche eindeutig Bezüge zum Rechtsextremismus enthielten.
Die politische Treuepflicht (vgl. § 60 Abs. 1 BBG für Bundesbeamte, § 33 Abs. 1 BeamtStG für Landes- und Kommunalbeamte) gebietet, dass der Beamte den Staat und seine Verfassungsorgane bejaht, sie als schützenswert begreift, sich zu ihnen bekennt und aktiv für sie eintritt. Die Treuepflicht fordert vom Beamten, dass er sich eindeutig von Gruppen und Bestrebungen distanziert, die diesen Staat, dessen Organe und Verfassungsordnung angreifen, bekämpfen und diffamieren. So schon der „Radikalenerlass“ des BVerfG v.22.5.1975 – 2 BvL 13/73 – BVerfGE 39, 334. Die Verfassungstreue ist dabei eine beamtenrechtliche Kernpflicht (Masuch, ZBR 2000, 289ff.). Beamte müssen sich durch ihr gesamtes Verhalten zu der freiheitlichen demokratischen Grundordnung im Sinne des Grundgesetzes bekennen und für deren Erhaltung eintreten. Diese „Politische Treuepflicht“ wurde vom BVerfG mehrfach ausdrücklich als hergebrachter Grundsatz des Berufsbeamtentums bezeichnet (BVerfG v. 6.5.2008 - 2 BvR 337/08 -) und gehört damit zu den wichtigsten Grundelementen des öffentlichen Dienstes im Sinne des Art. 33 Abs. 5 GG.
Die Pflicht zur Verfassungstreue besteht nicht nur – wie im vorliegenden Fall – während des aktiven Dienstes, sondern auch noch für Beamte im Ruhestand.
Mögliche Disziplinarmaßnahmen gegen Ruhestandsbeamte sind gemäß § 5 Abs. 2 BDG (und den entsprechenden Landesdisziplinargesetzen):
Ein Beamter, der durch ein schweres Dienstvergehen das Vertrauen des Dienstherrn oder der Allgemeinheit endgültig verloren hat, ist aus dem aktiven Beamtenverhältnis zu entfernen. Dem Ruhestandsbeamten wird das Ruhegehalt aberkannt, wenn er als noch im Dienst befindlicher Beamter aus dem Beamtenverhältnis hätte entfernt werden müssen – und genau das war hier der Fall.
Nach § 12 Abs. 1 BDG verliert der Ruhestandsbeamte mit der Aberkennung des Ruhegehalts seinen Anspruch auf Versorgung einschließlich der Hinterbliebenenversorgung und auch die Befugnis, die Amtsbezeichnung und die Titel zu führen, die im Zusammenhang mit dem früheren Amt verliehen wurden. Er erhält jedoch nach § 12 Abs. 2 BDG bis zur Gewährung einer Rente aufgrund einer Nachversicherung, längstens jedoch für die Dauer von sechs Monaten, einen Unterhaltsbeitrag in Höhe von 70 Prozent des Ruhegehalts, das ihm bei Eintritt der Unanfechtbarkeit der Entscheidung zusteht. Anschließend wird er gem. § 8 SGB VI in der gesetzlichen Rentenversicherung mit dem Arbeitgeberanteil auch noch nachversichert.
Analysiert man den Sachverhalt in zeitlicher Hinsicht, so stellt man (mit Bestürzung) fest:
a) Der Verfassungsverstoß geschah im Jahr 2016, also während des bestehenden Beamtenverhältnisses. Das Disziplinarverfahren wurde bereits damals eingeleitet, über die Disziplinarmaßnahme wurde vom OVG LSA aber erst im Jahr 2023 entschieden.
b) Der Beamte war dann seit Januar 2013 krankheitsbedingt dienstabwesend, wurde erst ab April 2020 wegen Dienstunfähigkeit in den Ruhestand versetzt.
Anhand dieses Falles wird ein gravierendes Problem des Beamtenrechts überdeutlich:
Sowohl das Verfahren bei der Entfernung aus dem Dienst, als auch das Ruhestandsverfahren bei Dienstunfähigkeit dauern entschieden (viel) zu lange!
Siehe hierzu die Beiträge:
Die Kritik der Öffentlichkeit am bestehenden Beamtenrecht besteht hier nicht nur seit langem, sie ist auch in vollem Umfang berechtigt!
Ihr
Dr. Maximilian Baßlsperger
Lesen Sie dazu auch die Beiträge:
Literaturhinweis:
Weiß/Niedermaier Summer: § 1 BeamtStG, Rn. 71ff. und § 21 BeamtStG, Rn. 11ff.
Der nächste Beitrag in dieser Reihe erscheint am Montag, den 8. Mai 2023.
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