Lehrer führen Schüler in Bergnot – Wer zahlt die Bergungskosten?

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Hubschrauber und Bergrettung haben im österreichischen Kleinwalsertal 108 in Bergnot geratene Schüler und Lehrer aus Deutschland gerettet. Die Lehrer hatten eine viel zu gefährliche Route gewählt1. Für die Rettungsmaßnahmen wurde ein Betrag von mehr als 13.000 Euro in Rechnung gestellt. Wer trägt diese Kosten?

Liebe Leserin, lieber Leser,

die Ursache für die Rettungsaktion liegt zunächst natürlich bei den Lehrern, denn diese waren für die Routenwahl verantwortlich. Als Beamte stehen sie im Dienst ihres Landes. Die Voraussetzungen der Amtshaftung nach § 839 BGB/Art. 34 GG sind hier erfüllt.

  • Die Lehrer handelten bei dem Schulausflug als Aufsichtspersonen in Ausübung eines öffentl. Amtes.

  • Es bestand die Amtspflicht für die Sicherheit der ihnen anvertrauten Schüler zu sorgen.

  • Ein Vermögensschaden ist beim Land Vorarlberg eingetreten, dem erhebliche Kosten durch die Rettungsmaßnahmen entstanden sind.

  • Dafür war das Fehlverhalten der Lehrkräfte auch ursächlich.

  • Ein schuldhaftes, weil fahrlässiges Handeln kann nicht bestritten werden; Rechtfertigungsgründe sind nicht ersichtlich.

Fraglich ist hier, ob die Amtspflicht auch gegenüber dem Gläubiger (das österreichische Bundesland Vorarlberg) bestand. Der Begriff der „einem Dritten gegenüber obliegenden Amtspflicht“ wird in der Rechtsprechung aber sehr weit ausgedehnt. Sind dem Bediensteten durch Gesetz oder auch nur durch Verwaltungsvorschrift Pflichten auferlegt, die auch nur teilweise den Interessen Dritter dienen, so ist ihre Verletzung schon Amtspflichtverletzung. Damit ist auch diese Voraussetzung gegeben.

Damit ist ein Schadensersatzanspruch des Landes Vorarlberg gegeben, wobei der Dienstherr der Lehrer (hier das Bundesland Rheinland-Pfalz) nach § 839 BGB und Art. 34 GG Schuldner dieses Anspruchs ist.

Fraglich ist aber, ob sich die Lehrer „aus der Verantwortung stehlen“ können. Diese Frage ist über § 48 BeamtStG zu beantworten: Beamte, welche vorsätzlich oder grob fahrlässig die ihnen obliegenden Pflichten verletzen, haben danach dem Dienstherrn, dessen Aufgaben sie wahrgenommen haben, den daraus entstehenden Schaden zu ersetzen. Haben – wie hier – mehrere Beamte gemeinsam den Schaden verursacht, haften sie als Gesamtschuldner.

Vorsatz scheidet dabei mit Sicherheit aus. Grobe Fahrlässigkeit liegt vor, wenn die Lehrer die ihnen obliegende Sorgfalt in hohem Maße verletzt haben, wenn also ein Schaden durch einfache und naheliegende Verhaltensweisen hätte verhindert werden können und diese außer Acht gelassen wurden (BVerwG, Beschluss v. 22.11.2006, 2 B 47/06). Dies ist wie immer eine Frage des jeweiligen Einzelfalles. Die (materielle) Beweislast obliegt in diesem Fall dem Land Rheinland-Pfalz. Zwar erscheint ein Rückgriff auf die Lehrer zunächst wohl eher ausgeschlossen, da die Lehrer die Tourenbeschreibung im Internet gefunden hatten, wo sie (immer noch) als „Feierabendrunde“ beschrieben ist. Doch der Text richtete sich klar an erfahrene Bergsteiger und die Schwierigkeit der Tour war ganz konkret formuliert:

„Für uns, die wir viel in die Berge gehen, ist das schon auch eine Feierabendrunde….“

Entscheidend wird also die Frage sein, ob es grobfahrlässig war, dass die Lehrer diese Angabe übersehen hatten. Vielleicht ergibt sich der Schuldvorwurf der groben Fahrlässigkeit aber zumindest auch daraus, dass die Lehrer sich nicht bei einer bergerfahrenen Person (etwa einem Hüttenwirt) rückversichert haben...


Ihr

Dr. Maximilian Baßlsperger


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Schrifttum:

  • Lexikon Beamtenrecht, Stichwörter: Amtspflichtverletzung, Amtshaftung
  • Weiß/Niedermaier/Summer, Beamtenrecht in Bayern, § 48 BeamtStG, Rn. 1ff.
  • v. Roetteken/Rothländer, HBR, § 48 BeamtStG, Rn. 1ff.
  • Schütz/Maiwald, § 48 BeamtStG, Rn. 1ff.
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3 Kommentare zu diesem Beitrag
kommentiert am 26.09.2022 um 16:37:
Den Ausführungen des Herrn Brilla schließe ich mich an. Die Eltern - und die Schüler - müssen sich darauf verlassen können, dass die Lehrkräfte alles unternehmen, um Gefahren auszuschließen, die bei solchen Bergwanderungen entstehen können. Gemeint sind dabei nicht Gefahren jeglicher Art, sondern außergewöhnliche Gefahren, wie sie hier offensichtlich bestanden. Es muss erwartet werden können, dass zumindest einer der Lehrer den geplanten Weg vorher selbst erkundet. Das ist hier grob fahrlässig nicht geschehen! Und damit haften die verantwortlichen Lehrer und müssen im Intersse der Allgemeinheit in Regress genommen werden.
kommentiert am 26.09.2022 um 09:11:
Als auf dem Gebiet des Beamtenrechts tätiger Anwalt und recht erfahrener Hobby-Wanderer kann ich das Verhalten der verantwortlichen Lehrer in keinster Weise nachvollziehen. Die fragliche Routenbeschreibung konnte ich aufgrund der Berichterstattung (https://www.vol.at/99-schuler-aus-bergnot-gerettet-polizei-zeigt-internet-blogger-an/7483729) ermitteln: https://www.hikr.org/tour/post110309.html Im Kopf der Beschreibung steht "Wandern Schwierigkeit: T4 - Alpinwandern". Diese Klassifizierung ist verlinkt, so dass man nach nurn einem Klick u.a. folgendes lesen kann: "Wegspur nicht zwingend vorhanden. An gewissen Stellen braucht es die Hände zum Vorwärtskommen. ... Gelände bereits recht exponiert, heikle Grashalden, Schrofen, einfache Firnfelder und apere Gletscherpassagen. Vertrautheit mit exponiertem Gelände. Anforderungen: Stabile Trekkingschuhe. Gewisse Geländebeurteilung und gutes Orientierungsvermögen. Alpine Erfahrung. Bei Wettersturz kann ein Rückzug schwierig werden." Diese Formulierungen hätten den Verantwortlichen eigentlich Warnung genug sein sollen, denn schließlich wollten sie diese Tour mit einer Vielzahl von in den Bergen unerfahrenen Personen unternehmen. Außerdem hätte ihnen die übrigen Klassifizierungen zu denken geben müssen: Es handelt sich um die vierte von sechs Stufen! Schaut man sich die leichteren Stufen an, wird deutlich, dass man als unerfahrener Wanderer allenfalls die Stufe T1 wählen sollte, denn bereits T2 verlangt etwas Trittsicherheit und schließt eine Absturzgefahr nicht aus. Sich auf eine einzige Wegbeschreibung zu verlassen, ohne diese mit Verstand zu lesen, ist schlicht und einfach grob fahrlässig. Offenbar fehlt den Verantwortlichen die Medienkompetenz, die sie ihren Schülerinnen und Schülern eigentlich vermitteln sollen. Die Einleitung von Disziplinarverfahren ist ebenso zwingend wie die Geltendmachung von Schadensersatz. Warum soll der Dienstherr (und damit der Steuerzahler) die Konsequenzen eines derart erschreckenden Fehlverhaltens tragen?
kommentiert am 20.09.2022 um 18:01:
Es wäre zumindest seltsam, die Lehrer persönlich haften zu lassen! Der Rückgriff auf sie muss ausgeschlossen sein! Fürsorgepflicht!!!!
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