Liebe Leserin, lieber Leser,
das Vertrauen in die Neutralität, Objektivität und Unparteilichkeit von Personen, die – wie Polizeivollzugsbeamte – hoheitliche Maßnahmen durchsetzen, hängt zu einem erheblichen Teil von dem Auftreten und dem äußeren Erscheinungsbild dieser Beamten ab. Auch nach außen hin müssen Polizeivollzugsbeamte deshalb eine innere Haltung ausdrücken, die durch Neutralität, Distanz und Objektivität geprägt ist. Diesem Leitgedanken kommt nach der eingangs angeführten Rechtsprechung eine hohe Bedeutung zu.
Schließlich betont das BVerwG insbesondere, dass dem Gesetzgeber die Entscheidung obliegt, wie er sich durch seine Polizeivollzugsbeamten im Dienst repräsentiert sehen will.
Nach Art. 75 Abs. 2 Satz 1 BayBG kann die oberste Dienstbehörde (Art. 2 BayBG) nähere Bestimmungen über das Tragen von Dienstkleidung und dass während des Dienstes zu wahrende äußere Erscheinungsbild der Beamten treffen. Dem Freistaat Bayern steht hierzu das Gesetzgebungsrecht nach Art. 70 Abs. 1 GG zu, da der Bund keine Regelung getroffen hat und es sich hierbei eben nicht um ein Statusrecht des Beamten handelt (hier, ergäbe sich die landesrechtliche Zuständigkeit aus Art. 74 Abs. 1 Nr. 27 GG). Nach Art, 75 Abs. 2 Satz 2 BayBG zählen auch Haar- und Barttracht sowie sonstige sichtbare und nicht sofort ablegbare Erscheinungsmerkmale hierzu.
Das eingangs erwähnte Urteil des BVerwG ist auf Kritik gestoßen (Krebs, NVwZ 2020, 1529), weil es den Wesentlichkeitsgrundsatz nicht ausreichend berücksichtige. Dabei handelt es sich um die vom Bundesverfassungsgericht im Zusammenhang mit dem Vorbehalt des Gesetzes entwickelte Auffassung, dass der Gesetzgeber aufgrund des Rechtsstaats- und des Demokratieprinzips verpflichtet ist, alle wesentlichen Entscheidungen für einen Regelungsbereich selbst zu treffen und nicht der Exekutive – etwa durch den Erlass von Verwaltungsvorschriften – zu überlassen (so BVerfG, Beschluss v. 21.4.2015 – 2 BvR 1322/12 – zur Höchstaltersgrenze).
Das BVerwG hatte ebenfalls in einer viel beachteten Entscheidung zum Tätowierungsverbot (Urteil vom 17.11.2017 – 2 C 25/17) die Notwendigkeit einer ausreichenden gesetzlichen Ermächtigungsgrundlage zur Reglementierung des zulässigen Ausmaßes von Tätowierungen bei Beamten gefordert. Ein Grundrechtseingriff nur durch eine Verwaltungsvorschrift wäre danach – entgegen der o.a. Auffassung des BayVGH – wegen eines Verstoßes gegen diesen Wesentlichkeitsgrundsatz nicht rechtmäßig gewesen. Hierauf bezieht sich auch die ablehnende Auffassung. Danach sind in Art. 75 Abs. 2 BayBG keine hinreichenden Maßstäbe zu Art, Maß und Ausmaß von Eingriffen zu entnehmen, die das äußere Erscheinungsbild mitbestimmen. Zudem fehle es an Ausnahmeregelungen vom Tätowierungsverbot, die das BVerwG nunmehr der Verwaltungspraxis überlasse (Krebs a.a.O.).
Man wird dieser ablehnenden Meinung aber entgegenhalten müssen, dass der Gesetzgeber weder in der Lage noch dass es ihm überhaupt möglich ist, alle Einzelheiten und Eventualitäten durch eine parlamentarische Vorgabe abzudecken. Schon einer früheren Entscheidung des BVerwG zum Tätowierungsverbot (Urteil v. 17.11.2017, a.a.O.) war zu entnehmen, dass es genügen muss, wenn die Exekutive die gesetzliche Leitentscheidung in ihrer praktischen Anwendung so auslegen kann, dass diese für den Beamten erkennbar und auch vorhersehbar ist. Dies kann nach hier vertretener Ansicht auch durch Verwaltungsvorschriften konkretisiert werden, die dazu dienen, die gesetzlichen Vorgaben in einer in der täglichen Dienstleistung erforderlichen Art und Weise anwendbar zu machen. Eine andere Auffassung würde zu einer formalistischen Überregulierung durch die Parlamente führen, wie man sie leider aus zahlreichen anderen Bereichen bereits kennt.
Im Ergebnis gelangen der BayVGH und das BVerwG zu einer identischen Grundentscheidung: Die bayerische Regelung ist verfassungskonform!
Der Bund will nunmehr diese bayerische Regelung übernehmen (siehe den Gesetzesentwurf des Bundestages (BRDrs. 15/21) durch eine Neufassung des § 61 Absatz 2 BBG und des § 34 Absatz 2 BeamtStG.
Ihr
Dr. Maximilian Baßlsperger
Ziffer 4 der Bekanntmachung des Bayerischen Staatsministeriums des Innern für Sport und Integration vom 7. April 2020, Az. C5-0335-5-2 zum Erscheinungsbild der Bayerischen Polizei lautet:
Tätowierungen und Körpermodifikationen:
Im Dienst – ausgenommen Dienstsport und Maßnahmen des behördlichen Gesundheitsmanagements – dürfen Tätowierungen, Brandings, Mehndis (durch Henna verursachte Hautverfärbungen) und Ähnliches nicht sichtbar sein. Soweit Tätowierungen getragen werden, dürfen diese inhaltlich nicht gegen die Grundsätze der freiheitlichen demokratischen Grundordnung verstoßen sowie keine sexuellen, diskriminierenden, gewaltverherrlichenden oder ähnliche Motive darstellen. Bereits bestehende Tätowierungen von Polizeibeamtinnen und Polizeibeamten, die nicht den vorgenannten Regelungen entsprechen, sind im Einzelfall zu beurteilen.
Lesen Sie dazu auch die Beiträge mit dem Titel:
Literaturhinweis:
Weiß/Niedermaier/Summer, Art. 75 BayBG, Rn. 2ff. und Rn. 15ff.
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