Liebe Leserin, lieber Leser,
Urlaub und Fürsorgepflicht (§ 45 BeamtStG) gehen Hand in Hand. Urlaub dient der Auffrischung der Dienstleistungspflicht. Er soll es dem Beamten ermöglichen, sich von der Ausübung seiner Dienstpflichten zu erholen und über einen gewissen Zeitraum für Entspannung und Freizeit selbst zu verfügen (BayVGH v. 8.7.2022 – 3 ZB 22.759 – Rn. 7). Urlaub kommt damit nicht nur dem Beamten, sondern auch seinem Dienstherrn zugute.
Der Erholungsurlaub dauert regelmäßig 30 Tage pro Kalenderjahr. Hierauf besteht ein Rechtsanspruch des Beamten. Dieser Urlaub „soll“ möglichst im laufenden Kalenderjahr voll eingebracht werden. Urlaub, der nicht bis zum 30. April des folgenden Jahres angetreten ist und nicht angespart wird, verfällt grundsätzlich (vgl. für Bayern: § 7 UrlMV).
Nicht eingebrachter Erholungsurlaub kann auf Antrag angespart werden, wenn die dienstlichen Belange dies zulassen. Die Ansparung ist dabei nur zulässig für den 15 Urlaubstage übersteigenden Teil des Erholungsurlaubs. Angesparter Erholungsurlaub ist spätestens bis zum Ablauf des dritten Jahres anzutreten, das auf das Kalenderjahr folgt, in dem der Urlaubsanspruch entstanden ist.
Jeder Beamte hat im Kalenderjahr 15 Urlaubstage einzubringen, damit dem Urlaubszweck überhaupt entsprochen wird. Hierfür hat der Dienstherr wegen der ihm obliegenden Fürsorgepflicht Sorge zu tragen.
Wegen der hier bestehenden „Sollregelung“ gilt im Rahmen der Pandemie (wie bei der Einbringung von Überstunden – siehe Teil I) Folgendes: Schon wegen der ihnen obliegenden Fürsorgepflicht sind Regelungen, die als „Sollvorschriften“ ausgestaltet sind, so auszulegen, dass einem drohenden Verfall von Urlaub zur Gänze entgegengewirkt wird. Hierzu gehört auch eine generelle Verlängerung der Einbringungsfrist, wofür bereits jetzt eine Reihe von Ausnahmebestimmungen bestehen.
Die Ansparung von Erholungsurlaub setzt einen Antrag des Beamten voraus. Das Gesetz enthält weder eine Schriftformerfordernis, noch eine Angabe, wann dieser Antrag erfolgen soll (siehe für Bayern § 8 Satz 5 UrlMV, der einen weiten Spielraum offen lässt). Aufgrund der erhöhten Arbeitsbelastungen während der Pandemie muss schon allein aus Fürsorgegründen davon ausgegangen werden, dass Anträge auf Ansparung auch nachträglich noch gestellt werden können, wenn der Dienstherr keinen entsprechenden Hinweis vorgenommen hat. Die jeweilige Dienststelle kann und sollte aber davon ausgehen, dass ein solcher Antrag stets schon dann konkludent vorliegt, wenn der Resturlaub nicht angetreten wurde! Zumindest muss aber von einer Hinweispflicht der personalverantwortlichen Stelle ausgegangen werden.
Aus dienstlichen Gründen ist der Beamte gehalten, seinen angesparten Urlaub „zeitnah“ (bis zum Ende des dritten Jahres) einzubringen. Hier ist – wiederum aus Fürsorgegründen - so zu verfahren, dass der Beamte stets zunächst den bisher angesparten Urlaub verbraucht und die gesamten restlichen Urlaubstage für die Folgejahre erneut angespart werden. Schon wegen der weiterhin drohenden Pandemie und der damit gesteigerten Fürsorgepflicht stehen hier dienstliche Gründe nicht nur entgegen, sie verlangen diese Personalpraxis vielmehr uneingeschränkt, um einen drohenden Urlaubsverfall entgegenzuwirken.
Anders ausgedrückt: Der Beamte muss pro Kalenderjahr mindestens 15 Tage Urlaub einbringen, der gesamte restliche, nicht eingebrachte Erholungsurlaub muss bei dienstlichen Mehrbelastungen immer wieder auf das Folgejahr übertragen werden.
Dem Verfasser ist im Übrigen bekannt, dass in mehreren Verwaltungsbereichen schon jetzt so verfahren wird.
Bei der Lösung der Problematik kommt den Personalvertretungen eine besonders wichtige Stellung zu, denn diese können durch entsprechende Dienstvereinbarungen dazu beitragen, die oben beschriebenen Interessen auszugleichen (für Bayern: Art. 73 BayPVG). Bei der Aufstellung von Urlaubsplänen hat der Personalrat mitzubestimmen (Art. 75 Abs. 4 Ziffer 3 BayPVG). Gerade wegen der Besonderheiten, die sich im Rahmen der Pandemie ergeben, sind Dienststelle und Personalvertretung gehalten, die oben genannten Besonderheiten bei ihren Dienstvereinbarungen zu berücksichtigen.
Ihrer Fürsorgepflicht kann die jeweilige Dienststellenleitung insbesondere dadurch entsprechen, dass sie mit dem einzelnen Beamten eine Vereinbarung zur Urlaubsübertragung für die kommenden Jahre trifft. Der dadurch entstehende Verwaltungsmehraufwand ist auch hier mehr als nur gerechtfertigt, weil damit einem Urlaubsverfall, der weder dem Interesse des Beamten noch demjenigen des Dienstherrn entspricht, am besten entgegengewirkt werden kann.
Berücksichtigen der Beamte und seine Dienststelle diese Grundsätze, so kann – gemeinsam – einem drohenden Urlaubsverfall entgegengewirkt werden.
Wie bei Mehrarbeit und Überstunden gilt auch hier: Man kann im Interesse der Allgemeinheit nicht einerseits einen besonderen dienstlichen Einsatz der Beschäftigten verlangen und andererseits diese Beschäftigten durch eine stringente und unflexible Anwendung der gesetzlichen Urlaubsregelungen bestrafen.
Ihr
Dr. Maximilian Baßlsperger
Lesen Sie dazu auch die Beiträge:
Schrifttum:
Weiß/Niedermaier/Summer, Rn. 1ff. zu Art. 93 BayBG
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