Liebe Leserin, lieber Leser,
Die Angeklagte war Polizeihauptmeisterin. Sie studierte an der Hochschule der Sächsischen Polizei und fungierte dort als Kurssprecherin. Durch das Studium wollte die Angeklagte in den gehobenen Dienst aufsteigen. Während der Ausbildung erhielten sowohl die Angeklagte als auch die Sprecher der Parallelkurse von dem Kurssprecher eines weiteren Kurses die Prüfungsaufgaben für eine vorgesehene Modulprüfung. Dieser hatte die Aufgaben seinerseits von einem Mitarbeiter der Hochschule erhalten, der aufgrund seiner Stellung und Tätigkeit Zugang zu den Prüfungsunterlagen hatte. Im Folgenden verlas die Angeklagte vor den anwesenden Teilnehmern ihres Kurses die erhaltenen Unterlagen.
Aufgrund dieser Feststellungen erfolgte in erster Instanz ein Schuldspruch wegen Verletzung des Dienstgeheimnisses nach § 353 Abs. 1 Satz 1 StGB. Dieser lautet:
(1) Wer ein Geheimnis, das ihm als
1. Amtsträger,
2. für den öffentlichen Dienst besonders Verpflichteten,
3. Person, die Aufgaben oder Befugnisse nach dem Personalvertretungsrecht wahrnimmt oder
4. Europäischer Amtsträger,
anvertraut worden oder sonst bekannt geworden ist, unbefugt offenbart und dadurch wichtige öffentliche Interessen gefährdet, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft. Hat der Täter durch die Tat fahrlässig wichtige öffentliche Interessen gefährdet, so wird er mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe bestraft.“
Dabei steht fest: Bis zum Prüfungstermin sind Prüfungsaufgaben nur einem beschränkten Kreis von Personen bekannt und bedürfen ihrer Natur nach der Geheimhaltung. Entscheidend für den Freispruch war jedoch, dass der Angeklagten dieses Geheimnis nicht als Amtsträgerin anvertraut oder sonst bekannt geworden ist.
Im vorliegenden Fall erlangte die Angeklagte die Kenntnis von den noch geheimen Prüfungsaufgaben nicht in ihrer Eigenschaft als Polizeibeamtin und damit nicht als Amtsträgerin, sondern in ihrer Funktion als Studierende an der Hochschule der Sächsischen Polizei. Ihr wurden die Prüfungsaufgaben weder aufgrund ihrer Stellung als Polizeibeamtin oder im Vertrauen auf ihre Amtsverschwiegenheit offenbart, noch hat sie ihre bestehende Amtsträgereigenschaft dazu ausgenutzt, an die Prüfungsaufgaben zu gelangen.
Die Polizeihauptmeisterin hat sich nach der Entscheidung des OLG Dresden zwar nicht strafbar gemacht, sie beging aber Täuschung oder zumindest einen Täuschungsversuch und damit einen Unterschleif. Die Prüfungsaufgabe muss neu verfasst und wiederholt werden, um zu einem gerechten Ergebnis zu kommen.
Siehe dazu den Beitrag: Smartphone und Unterschleif bei Prüfungen
Der Beamtin war bewusst, dass die Prüfungsaufgaben schon ihrer Natur nach der Geheimhaltung unterliegen und sie wollte offensichtlich zu einem besseren Abschneiden bzw. zum Bestehen ihrer Kollegen beitragen. Allerdings muss ihr Verhalten innerhalb und auch außerhalb des Dienstes der Achtung und dem Vertrauen gerecht werden, die ihr Beruf erfordert (§ 34 Abs. 1 Satz 2 BeamtStG). Auch hiergegen hat sie durch ihr Verhalten verstoßen. Ein außerdienstliches Vergehen nach § 47 Abs. 1 Satz 2 BeamtStG ist zweifelsfrei gegeben.
Als Beamtin auf Lebenszeit unterliegt sie dem Disziplinarrecht (§ 1 SächsDG). Es stellt sich jedoch die Frage, mit welcher disziplinären Maßnahme (§ 5 SächsDG) sie zu rechnen hat. Die Entscheidung über eine Disziplinarmaßnahme ergeht dabei gem. § 13 Abs. 1 Satz 1 SächsDG nach pflichtgemäßem Ermessen. Diese ist stets nach der Schwere des Dienstvergehens zu bemessen. Das Persönlichkeitsbild des Beamten ist dabei angemessen zu berücksichtigen. Ferner soll berücksichtigt werden, in welchem Umfang der Beamte das Vertrauen des Dienstherrn oder der Allgemeinheit beeinträchtigt hat. Es besteht jedenfalls ein allgemeines Interesse an einer sachgerechten Durchführung der Ausbildung an der Hochschule der Sächsischen Polizei.
Ohne nähere Kenntnis der Umstände wird man aber nicht davon ausgehen dürfen, dass die Beamtin durch ihr Verhalten ein schweres Dienstvergehen zur Last gelegt werden muss, durch welches sie das Vertrauen des Dienstherrn oder der Allgemeinheit endgültig verloren hat. Eine Entfernung aus dem Dienst kommt also wohl nicht in Betracht.
Die zu verhängende (andere) Disziplinarmaßnahme hängt von den (hier nicht bekannten) weiteren Umständen des Einzelfalles ab. Nach Auffassung des Verfassers dieses Beitrags wäre sogar nur ein Verweis (§ 6 SächsDG) ausreichend, wenn das Persönlichkeitsbild der Beamtin (§ 13 Abs. 1 Satz 2 SächsDG) dem entspricht.
Ihr
Dr. Maximilian Baßlsperger
Lesen Sie dazu auch die Beiträge:
Literaturhinweis:
Gansen, Disziplinarrecht des Bundes und der Länder
Gansen, § 13 BDG, Rn. 1ff.
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