Bemerkenswert ist die mögliche „Rückwirkung“ der Form auf den Inhalt. Für die Frage, ob ein Verwaltungsakt vorliegt, ist entscheidend, ob die behördliche Maßnahme nach dem erklärten Willen der Behörde, wie ihn der Empfänger bei objektiver Würdigung verstehen konnte, eine einseitige, verbindliche, der Rechtsbeständigkeit fähige Regelung kraft hoheitlicher Gewalt ist7. Die „klassische Bescheidsform“ ist die für schriftliche oder elektronische Verwaltungsakte typische Form, sodass der Empfänger eines diese Form aufweisenden behördlichen Dokumentes in der Regel davon ausgehen muss, einen Verwaltungsakt vor sich zu haben. Die Wahl der Bescheidsform kann also zur Folge haben, dass ein behördliches Dokument als Verwaltungsakt zu qualifizieren ist, obwohl sein Inhalt die Voraussetzungen des Art. 35 BayVwVfG eigentlich gar nicht erfüllt. Ein solcher Verwaltungsakt ist rechtswidrig, denn er könnte wirksam, bestandskräftig und vollstreckbar werden, obwohl die Behörde materiell nicht befugt ist, den Fall durch Verwaltungsakt zu regeln7a.
7 Vgl. BVerwG vom 11.12.1968 BVerwGE 30, 211; vom 12.01.1973 BayVBl 1973, 301; vom 09.11.1984 NVwZ 1985, 264; vom 26.06.1987 BayVBl 1988, 56; Kopp/Ramsauer, VwVfG, § 35 RdNrn. 51 ff. Zum Problemkreis auch Schenke, Formeller oder materieller Verwaltungsaktsbegriff? NVwZ 1990, 1009. Vgl. BayVGH vom 13.01.1997 BayVBl 1997, 310. Vgl. oben § 18 RdNr. 6 Beispiel Nr. 2 und BayVerfGH vom 24.01.2007 BayVBl 2007, 306. So wohl Czermak, BayVBl 1975, 303; vgl. auch BayVGH vom 24.09.1985 BayVBl 1986, 176, wo entscheidend darauf abgestellt wird, dass das Landratsamt der Fälligerklärung vom . . . „nicht die Form eines Verwaltungsaktes gegeben hat“. Str.; wie hier BayVGH vom 28.05.1980 BayVBl 1981, 87; vom 25.03.1992 BayVBl 1993, 18. Vgl. die Lösungshinweise zu einer Prüfungsaufgabe aus dem Kommunalrecht, APF 1986, 202/207. Vgl. oben § 18 RdNr. 6 Beispiel Nr. 4. Vgl. das Muster unten in § 22 RdNr. 19. Vgl. Büchner/Klinter/Nachbar/Schulze, Allgemeines Verwaltungsrecht/Verwaltungsverfahrensrecht, Fälle und Lösungen 1986, Fall Nr. 3 (S. 24/28). Vgl. die in Fußnote 9 erwähnten Lösungshinweise S. 205. Im Gegensatz zur Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (vom 13.10.1983 BVerwGE 68, 97/99) hat das OVG Berlin (vom 31.01.1985 FEVS 35, 103) den Verwaltungsaktscharakter einer Heranziehung nach § 19 Abs. 2 BSHG verneint. Auch der BayVGH hat ihn früher verneint (vom 15.05.1985 FEVS 35, 98), ihn aber später bejaht (vom 14.09.1998 BayVBl 1999, 341; vom 02.07.2001 FEVS 53, 181 = BayVBl 2002, 214). Siehe auch Adolph und Pfohl/Steymans in Adolph, SGB II, SGB XII und AsylbLG, Stand Juli 2020, § 2 SGB II RdNr. 25, § 16d SGB II RdNr. 2 und § 39 SGB II RdNr. 14. Vgl. oben § 18 RdNr. 6 Beispiel Nr. 5 und unten § 18 RdNr. 22 Beispiel Nr. 14 sowie das Bescheidmuster unten in § 23 RdNr. 3; siehe auch BayVGH vom 31.05.1995 BayVBl 1995, 565; vom 06.07.1995 BayVBl 1996, 660; vom 05.08.1996 BayVBl 1997, 22 und vom 13.01.1997 BayVBl 1997, 310. Vgl. z.B. BayVGH vom 18.03.1998 BayVBl 1998, 402 und Prandl/Zimmermann/Büchner/Pahlke, Kommunalrecht in Bayern, Art. 18a GO Erl. 5, 22.4 und 23. Vgl. Jaroschek, Formen des Rechtsschutzes bei kommunalen Bürgerbegehren, BayVBl 1997, 39; Heimlich, Die allgemeine Leistungsklage zur Durchsetzung eines Bürgerbegehrens, DÖV 1999, 1029. Siehe oben § 18 RdNr. 6.