Oft kann derjenige, der als Handlungs- oder Zustandsstörer in Anspruch genommen wird, die ihm auferlegte Pflicht ohne Eingriff in die Rechte anderer nicht erfüllen. Wenn nun der andere nicht bereit ist, den Eingriff in seine Rechte zu dulden, ist der Verwaltungsakt zwar nicht rechtswidrig, aber es besteht ein sog. Vollzugshindernis97: Der Verwaltungsakt kann im Wege des Verwaltungszwangs nicht durchgesetzt, nicht vollstreckt werden, weil der Pflichtige rechtlich und tatsächlich nicht in der Lage ist, die Verpflichtung im Sinne von Art. 19 Abs. 2 VwZVG rechtzeitig zu erfüllen97a. Um dieses Vollzugshindernis auszuräumen, muss die Behörde den anderen durch Verwaltungsakt verpflichten, den Eingriff in seine Rechte zu dulden. Man bezeichnet diesen Verwaltungsakt als Duldungsanordnung97b. Diese ist gesetzlich nicht geregelt. Da sie gegenüber dem zu vollstreckenden Verwaltungsakt kein aliud, sondern nur ein Minus darstellt, ergibt sich die Befugnis der Behörde zu ihrem Erlass aus derselben Rechtsvorschrift, die zum Erlass des zu vollstreckenden Verwaltungsaktes ermächtigt, in Verbindung mit allgemeinen sicherheits- und polizeirechtlichen Grundsätzen98. Wenn der Pflichtige gegen den zu vollstreckenden Verwaltungsakt Anfechtungsklage erhebt, wird das Verwaltungsgericht den Drittberechtigten zum Verfahren beiladen (§ 65 VwGO). Dadurch wird aber der Erlass einer Duldungsanordnung nicht ersetzt, weil es sich bei dem zu vollstreckenden Verwaltungsakt einerseits und der Duldungsanordnung andererseits um unterschiedliche Streitgegenstände handelt98a. Den gegen den Pflichtigen gerichteten zu vollstreckenden Verwaltungsakt kann der Drittberechtigte nicht anfechten, weil er dadurch nicht in seinen Rechten verletzt sein kann und daher nicht klagebefugt i.S. des § 42 Abs. 2 VwGO ist98b. Ficht er die an ihn gerichtete Duldungsanordnung an, ist seine Klage begründet, wenn der zu vollstreckende Verwaltungsakt rechtswidrig ist98c. Aus der Bestandskraft oder Tatbestandswirkung des zu vollstreckenden Verwaltungsaktes allein folgt nicht die Unbegründetheit der Klage98d.
97 Vgl. BVerwG vom 28.04.1972 BVerwGE 40, 101 = BayVBl 1973, 161; BayVGH vom 04.11.1975 BayVBl 1976, 115; vom 30.03.1977 BayVBl 1977, 403; vom 12.03.2012 BayVBl 2012, 470; BayVerfGH vom 26.01.2010 BayVBl 2010, 622; OVG NRW vom 10.10.1996 NVwZ-RR 1998, 76. Vgl. auch Jäde, Die bauaufsichtliche Beseitigungsanordnung, APF 1990, 197/204: Nichtig wäre der Verwaltungsakt nach Art. 44 Abs. 1 BayVwVfG nur dann, wenn der Eingriff dem Pflichtigen objektiv rechtlich unmöglich wäre. Der Pflichtige ist aber zu dem Eingriff nur derzeit subjektiv nicht in der Lage (Unvermögen), was nicht zur Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes führt, sondern lediglich ein Vollstreckungshindernis darstellt. Auf Anfechtungsklage wäre eine etwaige Zwangsmittelandrohung aufzuheben. Vgl. unten § 18 RdNr. 171b und Käß in Giehl/Adolph/Käß, Verwaltungsverfahrensrecht in Bayern, Art. 19 VwZVG RdNr. 29. Vgl. BayVerfGH vom 26.01.2010 BayVBl 2010, 622; BayVGH vom 16.02.2015 BayVBl 2015, 817 mit Anmerkung von Michl; von Kalm, Die Duldungsverfügung im Rahmen der Verwaltungsvollstreckung, DÖV 1996, 463. Vgl. BayVGH vom 06.11.1968 BayVBl 1969, 101; vom 06.02.1980 BayVBl 1981, 89; vom 16.02.2015 BayVBl 2015, 817; Jäde in BayVBl 2012, 540. Vgl. BVerwG vom 28.04.1972 BayVBl 1973, 161; BayVGH vom 12.03.2012 BayVBl 2012, 470; Jäde in BayVBl 2012, 540. Vgl. BayVGH vom 12.03.2012 BayVBl 2012, 470; Jäde in BayVBl 2012, 540. Das soll nach BayVGH vom 12.03.2012 BayVBl 2012, 470 ausnahmsweise dann nicht gelten, wenn die Duldungsanordnung gegen einen lediglich obligatorisch Berechtigten (Mieter) gerichtet sei; hier sei Prüfungsmaßstab zwar die Wirksamkeit, nicht aber die Rechtmäßigkeit des zu vollstreckenden Verwaltungsaktes. Dagegen mit überzeugender Begründung Jäde in BayVBl 2012, 540. So im Grundsatz auch BayVGH vom 12.03.2012 BayVBl 2012, 470, aber insoweit nicht überzeugend, als der BayVGH meint, ein lediglich obligatorisch Drittberechtigter müsse den zu vollstreckenden Verwaltungsakt jedenfalls dann gegen sich gelten lassen, wenn er dem Pflichtigen gegenüber unanfechtbar geworden sei. Vgl. Jäde a.a.O. Entgegen der hier vertretenen Auffassung meint Müller (APF 1983, 99/103), dass gegenüber beiden Ehegatten eine Beseitigungsanordnung zu erlassen sei, weil der Ehemann gemäß § 1419 BGB nicht allein über das Grundstück und somit über Grundstücksbestandteile verfügen könne; eine Duldungsanordnung gegenüber der Ehefrau sei daher nicht ausreichend. Vgl. Linhart, Die Fertigung eines Widerspruchsbescheides, APF 1978, 236/241 Fußnote 15. Vgl. BVerwG vom 28.04.1972 BayVBl 1973, 161. Entgegen der hier vertretenen Auffassung meint Müller (APF 1983, 99/103), dass gegen beide Miteigentümer eine Beseitigungsanordnung zu erlassen sei. Vgl. BVerwG a.a.O. Vgl. BayVGH vom 04.11.1975 BayVBl 1976, 115. Vgl. BayVGH vom 06.11.1968 BayVBl 1969, 101; vom 04.11.1975 BayVBl 1976, 115; vom 22.04.1992 BayVBl 1993, 149. Nach der letztgenannten Entscheidung kann die Beseitigung auch vom Grundstückseigentümer gefordert werden, wenn der Mieter oder Pächter als Verhaltensstörer zahlungsunfähig ist und von ihm die Beseitigungskosten nicht beigetrieben werden können. Vgl. OVG NRW vom 10.10.1996 NVwZ-RR 1998, 76; Simon/Busse, BayBO 1998, Stand August 2007, Art. 82 RdNrn. 394 ff. Die Auffassung des BayVGH (vom 12.03.2012 BayVBl 2012, 470), dass bei einer Duldungsanordnung gegen den Mieter Prüfungsmaßstab zwar die Wirksamkeit, nicht aber die Rechtmäßigkeit der an den Eigentümer gerichteten Beseitigungsanordnung sei, ist abzulehnen (vgl. oben Fußnote 98c). Vgl. VG München vom 20.06.1974, Nr. M 8145/70. Zu dieser Auffassung neigend auch BayVGH vom 06.12.2011 Az. 15 CS 11.2402. Vgl. BayVGH vom 09.06.1986 BayVBl 1986, 563; vom 16.02.2015 BayVBl 2015, 817 mit Anmerkung von Michl. Vgl. BayVGH vom 09.06.1986 BayVBl 1986, 563. Vgl. BayVGH vom 09.06.1986 BayVBl 1986 563. Vgl. unten § 18 RdNrn. 54 ff., dort insbesondere die Beispiele in RdNr. 56. Vgl. auch Harbich/Linhart, Der Ablauf eines Verwaltungsverfahrens, APF 1976, 150/182. Vgl. VGH BW vom 14.07.1981 DÖV 1982, 507 und Ortloff, NVwZ 1983, 10.