Dritter Teil Bescheide (Grundlagen) § 18 Allgemeines X. Die Vollstreckung von Bescheiden 4. Die Vollstreckung nach dem Bayer. Verwaltungszustellungs- und Vollstreckungsgesetz (VwZVG) 4.3 Vollstreckung von Verwaltungsakten, mit denen eine sonstige Handlung, eine Duldung oder eine Unterlassung gefordert wird 4.3.2 Die Androhung der Zwangsmittel 4.3.2.2 Fristbestimmung

4.3.2.2.2Erfüllung einer Duldungs- oder Unterlassungspflicht

Ebenso wie eine Handlungspflicht entsteht die Pflicht, etwas zu dulden oder zu unterlassen, im Zeitpunkt der Bekanntgabe des zu einem Dulden oder Unterlassen auffordernden Grundverwaltungsaktes (Art. 43 Abs. 1 Satz 1 BayVwVfG), es sei denn, dass die Behörde im Grundverwaltungsakt einen späteren Zeitpunkt bestimmt (etwa durch eine Befristung oder eine aufschiebende Bedingung, Art. 36 Abs. 2 Nr. 1 und 2, Art. 43 Abs. 1 Satz 2 BayVwVfG). Obwohl das Fristbestimmungserfordernis des Art. 36 Abs. 1 Satz 2 VwZVG nach dem Wortlaut der Vorschrift nicht nur für Handlungs-, sondern auch für Duldungs- und Unterlassungspflichten gilt, steht die wohl h.M. auf dem Standpunkt, dass es verfehlt wäre, auch bei Duldungs- und Unterlassungspflichten eine Vollstreckungsfristbestimmung nach Art. 36 Abs. 1 Satz 2 VwZVG zu fordern266f. Der h.M. ist beizupflichten. Es macht nämlich einen Unterschied, ob die Behörde von jemandem ein aktives Tun verlangt (Handlungspflicht) oder ein bloßes passives „Nichtstun“ (Duldungs- oder Unterlassungspflicht). Während es für den Handlungspflichtigen in der Regel unzumutbar ist, seine Pflicht, etwas zu tun, sofort nach deren Entstehung (Bekanntgabe des Grundverwaltungsaktes) zu erfüllen, kann vom Duldungs- oder Unterlassungspflichtigen erwartet werden, dass er der im Grundverwaltungsakt enthaltenen Aufforderung, nichts zu tun, bereits von dem Zeitpunkt an nachkommt, in dem die Aufforderung wirksam wird (Bekanntgabe, Art. 43 Abs. 1 Satz 1 BayVwVfG) und damit die Duldungs- oder Unterlassungspflicht entsteht. Eine Vollstreckungsfristbestimmung würde darauf hinauslaufen, dass der Pflichtige bis zum Ablauf der Frist quasi „ungestraft“ seiner Duldungs- oder Unterlassungspflicht zuwiderhandeln darf. Davon unberührt bleibt die Möglichkeit der Behörde, im Grundverwaltungsakt den Zeitraum des Bestehens der Duldungs- oder Unterlassungspflicht durch eine Befristung (§ 36 Abs. 2 Nr. 1 VwVfG) oder Bedingung (§ 36 Abs. 2 Nr. 2 VwVfG) einzugrenzen, also bezüglich des Beginns dieses Zeitraums etwa zu bestimmen, dass jemand etwas erst ab dem . . . dulden oder unterlassen müsse266g. Die Bestimmung einer solchen Bescheidsfrist in der Hauptregelung des Tenors wird z.B. dann in Betracht kommen, wenn dem Betroffenen noch eine gewisse Reaktionszeit zugebilligt werden soll266h. Hiernach genügt es bei Duldungs- und Unterlassungspflichten, dem Pflichtigen ein Zwangsmittel für den Fall anzudrohen, dass er der Duldungs- oder Unterlassungspflicht zuwiderhandelt.

266f

Geltung für Unterlassungspflichten verneinen BayVGH vom 24.09.1985 BayVBl 1986, 176/178 und Sadler, VwVG/VwZG, § 13 VwVG RdNr. 49; ähnlich BayVGH vom 15.06.2000 BayVBl 2001, 752, aber „Zubilligung einer gewissen Reaktionszeit“. Giehl (in Giehl/Adolph/Käß, Verwaltungsverfahrensrecht in Bayern, Art. 36 VwZVG Erl. II Nr. 2 Buchst. a) verneint „Erforderlichkeit“ einer Fristsetzung bei „reinen Unterlassungs- und Duldungspflichten“, weist aber auf die gegenteilige Meinung von HessVGH RdL 1977, 258 hin. Zur Duldungspflicht meint Sadler (a.a.O. RdNr. 45), eine Fristbestimmung komme nur ausnahmsweise in Betracht; er hält die von ihm aufgezählten landesrechtlichen Regelungen, wonach bei Duldungspflichten keine Frist bestimmt werden muss, „in dieser Ausschließlichkeit für nicht haltbar“.

266g

Siehe unten § 18 RdNr. 188b Beispiel Nr. 5.

266h

Der Beschluss des BayVGH vom 15.06.2000 BayVBl 2001, 752 behandelt die „Reaktionszeit“ (siehe Fußnote 266f) wohl eher als Problem der Vollstreckungsfrist und nicht der Bescheidsfrist.