Der Widerspruch ist innerhalb eines Monats, nachdem der Verwaltungsakt dem Beschwerten bekannt gegeben worden ist, bei der Ausgangsbehörde zu erheben (§ 70 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Er kann aber auch bei der Widerspruchsbehörde fristwahrend erhoben werden (§ 70 Abs. 1 Satz 2 VwGO). Bei der Gemeinde kann der Widerspruch nicht fristwahrend eingelegt werden, wenn diese nicht die Ausgangsbehörde ist (vgl. den „Soweit-Satz“ in Art. 58 Abs. 4 Satz 3 GO). § 70 Abs. 1 VwGO sagt nichts darüber aus, ab wann Widerspruch eingelegt werden kann, sondern nur, bis wann die Widerspruchseinlegung möglich ist. Nach richtiger Auffassung146d kann der Widerspruch bereits ab dem Existentwerden des Verwaltungsaktes erhoben werden und nicht erst ab der ordnungsgemäßen Bekanntgabe an zumindest einen Betroffenen. Die Monatsfrist beginnt nicht zu laufen, wenn
146d Vgl. oben § 18 RdNr. 88 und § 20 RdNr. 84 Beispiel Nr. 8. Die Jahresfrist darf korrekterweise nicht als „Widerspruchsfrist“ bezeichnet werden, vgl. oben § 19 RdNr. 244 Fußnote 337. Denn diese Ausschlussfrist von einem Jahr tritt an die Stelle der Widerspruchsfrist. Vgl. dazu oben § 18 RdNrn. 93 ff. und RdNr. 157. Vgl. oben § 18 RdNr. 160. Zur Fortgeltung des § 126 BRRG siehe § 63 Abs. 3 Satz 2 BeamtStG. Vgl. Hilg, Beamtenrecht, § 16 XI 3 = S. 201; Hilg, apf 2008, B 41/44 und apf 2012, 65/67; Hilg, Verwaltungsgerichtsbarkeit, Auflage 2016, S. 95. Vgl. auch § 79 Halbsatz 1 VwVfG und § 62 Halbsatz 1 SGB X. So z. B. VG Bayreuth vom 24.03.1987 APF 1988, 108/109; Wöckel, in: Eyermann, VwGO, § 70 RdNr. 4; Kopp/Schenke, VwGO, § 70 RdNr. 6; Pietzner/Ronellenfitsch, RdNr. 1127; Allesch, S. 63 ff. Vgl. auch § 79 Halbsatz 2 VwVfG und § 62 Halbsatz 2 SGB X. Vgl. auch § 31 Abs. 1 VwVfG und § 26 Abs. 1 SGB X. Vgl. die Aufzählung der Vertreter dieser Gegenmeinung bei Hilg, Verwaltungsgerichtsbarkeit, Auflage 2016, S. 156. Die Widerspruchsfrist wird von § 193 BGB erfasst, weil es sich dabei um eine Frist handelt, innerhalb welcher eine Willenserklärung abzugeben ist. Hingegen wird z.B. die Zweiwochenfrist des Art. 41 Abs. 4 Satz 3 BayVwVfG nicht von § 193 BGB erfasst; hier greift sozusagen „hilfsweise“ Art. 31 Abs. 3 BayVwVfG ein. Vgl. auch § 32 VwVfG und § 27 SGB X. Vgl. auch § 79 Halbsatz 1 VwVfG und § 62 Halbsatz 1 SGB X. Vgl. unten § 20 RdNr. 274. Vgl. BVerwG vom 27.02.1963 BVerwGE 15, 306/310; BayVGH vom 15.02.1973 BayVBl 1973, 556. Eine Ausnahme von diesem Grundsatz soll nach Auffassung des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG vom 04.08.1982 BayVBl 1983, 27 = DVBl 1982, 1097 = DÖV 1982, 940) bei Verwaltungsakten mit Drittwirkung gelten: Über einen verspätet eingelegten Nachbarwiderspruch dürfe die Widerspruchsbehörde keine Sachentscheidung mehr treffen. Richte sich der verspätete Widerspruch gegen einen Verwaltungsakt einer Gemeinde in einer Selbstverwaltungsangelegenheit, so sei die Gemeinde nicht schützenswert im Sinne dieser Rechtsprechung (vgl. BVerwG vom 18.09.1970 NJW 1971, 1195 = BayVBl 1971, 185). VGH BW vom 31.08.1979 NJW 1980, 2270; vom 26.10.1981 DVBl 1982, 206 = NVwZ 1982, 316. In einer späteren Entscheidung vom 25.06.1987 („Die Fundstelle“ 1988/67) ist der VGH BW von dieser Auffassung ausdrücklich abgerückt und hat entschieden, dass einem Widerspruchsführer kein Rechtsanspruch auf ermessensfehlerfreie Entscheidung der Widerspruchsbehörde über die Frage zusteht, ob über einen verspäteten Widerspruch sachlich entschieden wird. Eine Widerspruchsentscheidung zur Sache liegt m. E. auch dann vor, wenn die Widerspruchsbehörde in den Gründen des Widerspruchsbescheides ausführt, dass der Widerspruch wegen Fristversäumung unzulässig und „davon abgesehen“ (oder „im Übrigen“) aus diesen oder jenen Gründen auch unbegründet sei. Vgl. BVerwG DVBl 1972, 423; BVerwG DVBl 1982, 1097 = NVwZ 1983, 285; BVerwG vom 28.10.1982 BayVBl 1983, 311 = NVwZ 1983, 608; vom 20.06.1988 NVwZ-RR 1989, 85; vgl. auch OVG NRW vom 09.11.1982 NVwZ 1983, 681, wonach bei Verzicht auf Widerspruch und sachliche Entscheidung der Widerspruchsbehörde die Klage zulässig sein soll. Vgl. ferner VGH BW vom 14.03.2001 NVwZ-RR 2002, 6, wonach der Mangel der Versäumung der Widerspruchsfrist durch eine Sachentscheidung der Widerspruchsbehörde auch dann geheilt wird, wenn die Behörde zu Unrecht angenommen hat, es lägen Gründe für eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand vor. Vgl. oben § 20 RdNr. 34 und Pietzner/Ronellenfitsch, RdNr. 1254 ff. Ausführliche Schrifttumshinweise sind zu finden auch bei Linhart, Der verspätete Widerspruch, APF 1984, 90. Vgl. Pietzner/Ronellenfitsch, RdNr. 1128.