Dritter Teil Bescheide (Grundlagen) § 20 Bescheide im Widerspruchsverfahren I. Allgemeines zum Widerspruchsverfahren 11. Die Begründetheit des Widerspruchs

11.4Vollziehbarkeitsanordnung nicht Prüfungsgegenstand

Enthält ein den Widerspruchsführer belastender Ausgangsbescheid neben dem eigentlichen Verwaltungsakt eine Vollziehbarkeitsanordnung i. S. des § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO und wendet sich der Betroffene gegen den Ausgangsbescheid mit einem Anfechtungswiderspruch, so ist der Widerspruch nur insoweit statthaft, als er sich gegen den eigentlichen Verwaltungsakt richtet. Hinsichtlich der Vollziehbarkeitsanordnung ist seine Statthaftigkeit zu verneinen; dem Betroffenen stehen insoweit nur die Anträge nach § 80 Abs. 4 und 5 VwGO zur Verfügung205e. Es ist daher grob fehlerhaft, bei der Prüfung der Erfolgsaussicht eines Anfechtungswiderspruchs das Problem auszublenden, ob der Widerspruch auch in Bezug auf die Vollziehbarkeitsanordnung zulässig ist, und bei der Prüfung der Begründetheit des Anfechtungswiderspruchs der Frage nachzugehen, ob eine im Ausgangsbescheid etwa enthaltene Vollziehbarkeitsanordnung formell und materiell rechtmäßig ist205f. Trotz Widerspruchseinlegung bleibt die Vollziehbarkeitsanordnung bis zur Bestandskraft des eigentlichen Verwaltungsaktes bestehen, es sei denn, dass der Betroffene vorher mit einem Antrag nach § 80 Abs. 4 oder 5 VwGO Erfolg hat. Das entspricht ja gerade dem Sinn und Zweck einer Vollziehbarkeitsanordnung. Hebt die Widerspruchsbehörde oder das Verwaltungsgericht den eigentlichen Verwaltungsakt auf und wird die aufhebende Entscheidung bestands- bzw. rechtskräftig, so wird die Vollziehbarkeitsanordnung gegenstandslos. Besonders deutlich tritt die „Zweigleisigkeit“ in den Fällen zutage, in denen die Ausgangsbehörde den eigentlichen Verwaltungsakt erst nach der Weiterleitung des dagegen eingelegten Widerspruchs an die Widerspruchsbehörde für sofort vollziehbar erklärt. Die vorstehenden Ausführungen gelten entsprechend, wenn ein Dritter gegen einen Verwaltungsakt mit Doppelwirkung, dessen sofortige Vollziehung angeordnet wurde, Widerspruch einlegt (§ 80a VwGO). Manchmal lässt sich ein Widerspruchsschreiben dahin auslegen, dass es auch einen Antrag nach § 80 Abs. 4 bzw. § 80a Abs. 1 Nr. 2 VwGO enthält205g. Anders als im Fall des § 80a Abs. 1 Nr. 2 VwGO kann die Widerspruchsbehörde, wenn sie den Verwaltungsakt für rechtswidrig hält, im Fall des § 80 Abs. 4 VwGO die Vollziehung nicht nur auf Antrag, sondern auch von Amts wegen aussetzen205h.

205e

Vgl. oben § 20 RdNr. 84 (Beispiel Nr. 6).

205f

So aber Weber, apf 2004, 34 und apf 2006, 186.

205g

Vgl. auch unten § 20 RdNr. 280.

205h

Entgegen der hier vertretenen Auffassung meinen manche, dass auch im Fall des § 80a Abs. 1 Nr. 2 VwGO eine Aussetzung von Amts wegen zulässig sei; dem stehe der Wortlaut der Vorschrift („auf Antrag“) nicht entgegen (vgl. Kopp/Schenke, VwGO, § 80a RdNr. 7).