Weist in einem der in Art. 12 Abs. 1 Satz 1 AGVwGO genannten Bereiche die Widerspruchsbehörde den Anfechtungswiderspruch, den jemand gegen einen Verwaltungsakt der Ausgangsbehörde eingelegt hat, zurück, so kann der Betroffene Klage erheben (§ 74 VwGO). Gegenstand der Anfechtungsklage ist nach § 79 Abs. 1 Nr. 1 VwGO der ursprüngliche Verwaltungsakt in der Gestalt, die er durch den Widerspruchsbescheid gefunden hat. Dieser Vorschrift liegt der Gedanke zugrunde, dass das Verfahren vor der Ausgangsbehörde, die den Verwaltungsakt erlassen hat, und das Verfahren vor der Widerspruchsbehörde grundsätzlich eine Einheit darstellen230. Der Anfechtungsklage ist zwar der ursprüngliche Verwaltungsakt zugrunde zu legen, jedoch mit dem Inhalt und der Begründung, die er durch den Widerspruchsbescheid gefunden hat231. Trotz der Formulierung des § 79 Abs. 1 Nr. 1 VwGO („in der Gestalt, die“) ist es im Hinblick auf § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO zulässig und weithin üblich, in allen Fällen, in denen nicht allein der Widerspruchsbescheid angefochten wird (vgl. § 79 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 VwGO), die Anfechtungsklage gegen den Erstbescheid und den Widerspruchsbescheid zu richten232. Das darf aber nicht den Blick dafür verstellen, dass im Regelfall des § 79 Abs. 1 Nr. 1 VwGO der Widerspruchsbescheid nicht allein Gegenstand der Klage sein kann. Es ist also falsch, wenn in Ausbildung, Prüfung und Praxis oft gesagt und bisweilen auch in der dem Widerspruchsbescheid beigefügten Rechtsbehelfsbelehrung zum Ausdruck gebracht wird233, der nächste Schritt nach dem Erlass des Widerspruchsbescheides sei die „Klage gegen den Widerspruchsbescheid“.
230 Vgl. Kopp/Schenke, VwGO, § 79 RdNr. 1. Vgl. Kopp/Schenke, a.a.O.; BVerwG vom 26.06.1987 BayVBl 1988, 56, wonach dann, wenn die mit der Gemeinde nicht identische Widerspruchsbehörde im Widerspruchsbescheid eine Rechnung der Gemeinde als Verwaltungsakt qualifiziert, gegen die so (um-)gestaltete Rechnung die Anfechtungsklage statthaft ist (siehe dazu die – lesenswerte – ablehnende Anmerkung von Renck, BayVBl 1988, 409). Vgl. oben § 14 RdNr. 3 und Kopp/Schenke, VwGO, § 79 RdNrn. 2, 4; a.A. wohl BVerwG vom 30.04.1996 NVwZ-RR 1997, 132. Vgl. BayVGH vom 16.10.1986 APF 1987, 222 = BayVBl 1987, 278. Vgl. BayVGH vom 12.01.1990 BayVBl 1990, 370 mit Anm. Jäde, BayVBl 1990, 696. Vgl. BayVGH a.a.O. Demgegenüber hält Happ in Eyermann, VwGO, § 79 RdNrn. 7 und 29, ein Nebeneinander der Klagen nach § 79 Abs. 1 Nr. 1 VwGO und Absatz 2 dieser Vorschrift für möglich. Eine solche Möglichkeit bejaht auch VGH BW vom 11.09.2005 VBlBW 2005, 391 in einem Fall, in dem der Widerspruchsbescheid von einer unzuständigen Behörde erlassen worden war. Zum Problem des richtigen Beklagten (§ 78 VwGO) äußert sich das Urteil nicht, obwohl hierzu Anlass bestanden hätte. Vgl. BayVGH a.a.O. Vgl. BVerwGE 13, 195 = BayVBl 1962, 215; BayVGH a.a.O.; Kopp/Schenke, VwGO, § 79 RdNr. 5; Seibert, Die isolierte Anfechtung von Widerspruchsbescheiden, BayVBl 1983, 174; a.A. Müller, NJW 1982, 1370, und wohl auch BVerwG vom 06.02.1986 FEVS 35, 309/312. Vgl. Kopp/Schenke, VwGO, § 79 RdNr. 3; Happ in Eyermann, VwGO, § 79 RdNr. 1.