Hat jemand einen Anfechtungs- oder Verpflichtungswiderspruch eingelegt und erhebt er vor einer Entscheidung der Behörde über seinen Widerspruch eine nach § 75 Satz 1 Alternative 1 VwGO zulässige sog. unechte Untätigkeitsklage (also eine Anfechtungs- oder Verpflichtungsklage), so erledigt sich der Widerspruch durch die Klageerhebung nicht etwa auf andere Weise i. S. d. Art. 80 Abs. 1 Satz 5 BayVwVfG. Das Widerspruchsverfahren läuft vielmehr, wie sich aus den Sätzen 3 und 4 des § 75 VwGO ergibt, weiter, weil ja der Zweck des Vorverfahrens, die Gerichte zu entlasten, auch nach Klageerhebung fortbesteht, und die Behörde bleibt zur Entscheidung über den Widerspruch nach den Grundsätzen verpflichtet, die an anderer Stelle dieses Werkes269c dargestellt worden sind. Falls es sich bei dem Verwaltungsakt, der Gegenstand des Widerspruchs- und Klageverfahrens ist, um eine Ermessensentscheidung handelt, findet zwar nicht im Klageverfahren, aber im Widerspruchsverfahren eine Zweckmäßigkeitsprüfung statt (§ 68 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 VwGO).
269c Siehe oben § 20 RdNr. 6. Siehe oben § 20 RdNr. 150. So auch Kastner in Fehling/Kastner, Verwaltungsrecht, § 75 VwGO RdNr. 15; Kopp/Schenke, VwGO, § 75 RdNr. 26. So z. B. Wedekind, Das Widerspruchsverfahren in der Praxis, 3. Aufl. 2020, S. 187; ähnlich Funke-Kaiser in Bader, VwGO, § 75 RdNr. 19, der meint, der Widerspruchsbescheid werde nur durch eine entsprechende Prozesserklärung zum Gegenstand des gerichtlichen Verfahrens. So aber Wedekind a.a.O. Siehe oben § 20 RdNrn. 145 und 153 ff. Siehe BayVGH vom 12.01.1990 BayVBl 1990, 370 zur Erstreckung der Rechtshängigkeit auch auf die Kostenentscheidung des Widerspruchsbescheides. Gemeint ist eine Belehrung nach Muster 2a (siehe dazu oben § 19 RdNr. 255 und unten § 20 RdNr. 407). Ähnlich Wedekind, Das Widerspruchsverfahren in der Praxis, 3. Aufl. 2020, S. 187. Vgl. unten § 20 RdNr. 406.