C Beschaffungsprozess C 4 Festlegung der Bewertungskriterien und deren Gewichtung

3.Festlegung der Bewertungskriterien und deren Gewichtung

Der öffentliche Auftraggeber ist verpflichtet, die Zuschlagskriterien, d. h. die Kriterien, anhand derer er seine Vergabeentscheidung treffen will, entweder in der Bekanntmachung oder aber in den Vergabeunterlagen anzugeben. Dabei muss dem geschuldeten Entgelt in jedem Fall eine wesentliche Bedeutung zukommen.

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§ 127 GWB; § 43 UVgO EuGH, 10.5.2012 – C-368/10; OLG Düsseldorf, Beschluss vom 19.6.2013 – Verg 8/13; OLG Celle, Beschluss vom 2.2.2021 – 13 Verg 8/ 20; OLG Schleswig, Beschluss vom 4.2.2022, 54 Verg 9/21.

2

VK Westfalen, Beschluss vom 17.5.2024, VK 3 – 9/24.

3

Siehe auch: Ferber in Müller-Wrede VgV/UVgO Kommentar 2017 zu § 58 VgV S. 1151 ff.; Müller-Wrede in Müller-Wrede VgV/UVgO Kommentar 2017 zu § 58 VgV S. 1169 ff.

4

HJR-Verlag, Handbuch für die IT-Beschaffung 2025, Nr. 4.1.1.Kriterienklassifizierung; Unterlage für Ausschreibung und Bewertung von IT-Leistungen (UfAB) 2018, S. 95.

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OLG Frankfurt v. 24.7.2012 – 11 Verg 6/12: Wesentliche Ausprägung des Transparenzgebotes ist die Pflicht der Vergabestelle, klare und eindeutige Angaben zu allen Wertungs- und Zuschlagskriterien zu machen.

Eine Vergabestelle kann eine rechtmäßige Zuschlagserteilung nur dann treffen, wenn die maßgeblichen Anforderungen von allen fachkundigen Bietern im gleichen Sinne verstanden und ihren Angeboten zugrunde gelegt werden können.

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OLG Düsseldorf v. 21.10.2015 – Verg 28/14: Die Vergabeunterlagen vermitteln den Bietern keine zuverlässigen und kalkulierbaren Informationen darüber, wie und vor allem mit welcher Punktzahl die Angebote bei den im Kriterienkatalog gestellten Anforderungen bewertet werden sollen, ebenso wenig darüber, worauf es der Vergabestelle im Einzelnen angekommen ist, damit Bieter ein qualitativ optimales Angebot einreichen können.

Die Bewertungsmaßstäbe lassen nicht zu, im Vorhinein zu bestimmen, welchen Erfüllungsgrad die Angebote auf der Grundlage des Kriterienkatalogs und konkreter Kriterien aufweisen müssen, um mit den festgelegten Punkten bewertet zu werden. Der Grundsatz der Transparenz war nicht erfüllt. Der Bieter konnte nicht erkennen, welche Anforderungen der Auftraggeber gestellt hat.

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OLG Düsseldorf v. 16.12.2015 – Verg 25/15: Es war für den Bieter nicht erkennbar, welche Angaben den Anforderungen genügen würden und wann Abzüge an der Bewertung erfolgten.

Die Bieter müssen erkennen können, unter welchen konkreten Voraussetzungen ein Wertungskriterium als nicht den Anforderungen genügend (0 Punkte), als mit Einschränkungen den Anforderungen genügend (1 Punkt) oder als den Anforderungen besonders dienlich (3 Punkte) gewertet wird. Ein Bewertungsmaßstab, der es in Verbindung mit den aufgestellten Unterkriterien nicht zulässt, im Vorhinein zu bestimmen, welchen Erfüllungsgrad (Zielerreichungsgrad) die Angebote aufweisen müssen, um mit den festgelegten Punktwerten bewertet zu werden, ist intransparent.

8

OLG Düsseldorf v. 15.6.2016 – Verg 49/15: Die Wertungsmaßstäbe, die sich auch in den abschließenden Vergabeunterlagen befinden, sind intransparent. Sie lassen nicht zu, im Vorhinein zu bestimmen, welchen Erfüllungsgrad die Angebote auf der Grundlage des Kriterienkatalogs und konkreter Kriterien aufweisen müssen, um mit den festgelegten Schulnoten bewertet zu werden. Für Bieter war nicht zu erkennen, unter welchen Voraussetzungen welche Kriterien mit welcher Schulnote bewertet werden. Aufgrund der Vergabeunterlagen haben Bieter im Voraus nicht zuverlässig ermitteln können, auf welche konkreten Leistungen die Vergabestelle Wert gelegt hat und wie Angaben und angebotene Konzepte insofern zueinander gewichtet werden sollten. Das Wertungssystem der Vergabestelle lässt objektiv Raum für Manipulationen und Willkür bei der Bewertung der Angebote (vgl. OLG Düsseldorf, Beschl. v. 21.10.2015, VII-Verg 28/14, juris Rn. 75; Beschl. v. 16.12.2015, VII-Verg 25/15).

9

OLG Dresden v. 26.1.2016 – Verg 1/16; Vergabe aktuell 12/2016 Heuking Kühn Lüer Wojtek: Das OLG Dresden hält bei der Bewertung konzeptioneller Ausführungen weder für notwendig noch praktisch handhabbar, jeden einzelnen denkbaren Wertungsaspekt im Vorhinein einem konkreten Punktwert zuzuordnen. Wäre es anders, so wäre der Auftraggeber gehalten, bereits mit der Ausschreibung und nur auf der Grundlage seiner eigenen, ggf. limitierten Marktkenntnisse ein „Idealkonzept“ zu entwickeln.

Ein solches Vergabeverhalten wäre aber das Gegenteil dessen, was durch ein wettbewerbliches Verfahren erreicht werden soll. Es würde dem Bieter die Chance nehmen, mit abweichenden oder innovativen Konzepten Wertungsvorteile zu erlangen, und den Auftraggeber daran hindern, den Vergleich unterschiedlicher Konzepte zum Wertungsgegenstand zu machen und dadurch das inhaltlich beste und wirtschaftlichste Angebot zu ermitteln.

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EuGH, Urteil vom 14.7.2016, Rs. C 6/15: Art. 53 Abs. 2 Richtlinie 2004/18/EG ist im Licht des Grundsatzes der Gleichbehandlung und der daraus hervorgehenden Transparenzpflicht dahin auszulegen, dass der öffentliche Auftraggeber, wenn ein Dienstleistungsauftrag nach dem Kriterium des aus seiner Sicht wirtschaftlichsten Angebots vergeben werden soll, nicht verpflichtet ist, den potenziellen Bietern in der Auftragsbekanntmachung oder in den entsprechenden Verdingungsunterlagen die Bewertungsmethode, die er zur konkreten Bewertung und Einstufung der Angebote anwenden wird, zur Kenntnis zu bringen. Allerdings darf diese Methode keine Veränderung der Zuschlagskriterien oder ihrer Gewichtung bewirken.

Öffentliche Auftraggeber sind nicht verpflichtet, die Bewertungsmethode in der Auftragsbekanntmachung oder den Vergabeunterlagen anzugeben, wenn die Bewertungsmethode die Zuschlagskriterien und deren Gewichtung nicht verändert.

11

OLG Düsseldorf vom 8.3.2017 – Verg 39/16

12

OLG Düsseldorf vom 29.4.2015 – VII-Verg 35/14; OLG Düsseldorf vom 21.10.2015 – VII-Verg 28/14;

OLG Düsseldorf vom 16.12.2015 – VII-Verg 25/15; OLG Düsseldorf vom 1.6.2016 – VII-Verg 6/16;

OLG Düsseldorf vom 2.11.2016 – VII-Verg 25/16

13

OLG Düsseldorf vom 8.3.2017 Verg 39/16 ibr-online IBRRS 2017, 1247

14

OLG Düsseldorf, Beschluss v. 27.5.2015 – VII Verg 2/15

15

Vgl. Leinemann VergabeNews, Mai/2017 S. 76

16

OLG Dresden v. 2.2.2017 Verg 7/16, ibr-online – IBRRS 2017, 1128

17

VK Sachsen v. 23.11.2016 – 1/SVK/026-16

18

§ 179 Abs. 2 GWB: Will ein OLG von einer Entscheidung eines anderen OLG oder des BGH abweichen, so legt es die Sache dem BGH vor.

19

BGH, Beschluss vom 4.4.2017 – X ZB 3/17:

Es steht einer transparenten und wettbewerbskonformen Auftragsvergabe regelmäßig nicht entgegen, wenn der öffentliche Auftraggeber für die Erfüllung qualitativer Wertungskriterien Noten mit zugeordneten Punktwerten vergibt, ohne dass die Vergabeunterlagen weitere konkretisierende Angaben dazu enthalten, wovon die jeweils zu erreichende Punktzahl konkret abhängen soll.

Ein Wertungsschema, bei dem die Qualität der Leistungserbringung und der nach der einfachen linearen Methode in Punkte umzurechnende Preis mit jeweils 50% bewertet werden, ist ohne Weiteres auch dann nicht vergaberechtswidrig, wenn nur eine Ausschöpfung der Punkteskala in einem kleinen Segment (hier: 45 bis 50 von 50 möglichen Punkten) zu erwarten ist. Die Wahl einer bestimmten Preisumrechnungsmethode kann vergaberechtlich nur beanstandet werden, wenn sich gerade ihre Heranziehung im Einzelfall aufgrund besonderer Umstände als mit dem gesetzlichen Leitbild des Vergabewettbewerbs unvereinbar erweist.

Der Gefahr einer Überbewertung qualitativer Wertungskriterien zum Nachteil einzelner Bieter ist durch eingehende Dokumentation des Wertungsprozesses zu begegnen. Die Nachprüfungsinstanzen untersuchen auf Rüge die Benotung des Angebots des Antragstellers als solche und in Relation zu den übrigen Angeboten, insbesondere zu demjenigen des Zuschlagsprätendenten, und darauf hin, ob die jeweiligen Noten im Vergleich ohne Benachteiligung des einen oder anderen Bieters plausibel vergeben wurden.

20

VK Baden-Württemberg v. 18.10.2016 – 1 VK 4116

21

Die Beträge sind beispielhaft gewählt. Sie sollen verdeutlichen, dass eine starre Punktvergabe bei der Preisbewertung die korrekten Preisabstände nicht abbilden kann. Bei den linken Angebotspreisen ist zwischen den einzelnen Summen immer der gleiche Preisabstand zu verzeichnen. Dieses spiegelt sich auch in der Punktvergabe wieder. Die Preisabstände der Angebotspreise auf der rechten Seite sind unterschiedlich hoch. Unabhängig davon, ob der Preisabstand 10.000 €uro oder nur ein Cent, der Punktabzug beträgt immer 7,5 Punkte.

22

Unterlage für die Beschaffung von IT-Leistungen (UfAB VI), abrufbar über www.beschaffungsamt.de

23

Alle Angaben der UfAB VI entnommen, Quelle: http://www.bescha.bund.de/SharedDocs/Aktuelles/Wissenswertes/2010/UfAB_2.html

24

Siehe auch: Ferber, Bewertungskriterien und Bewertungsmatrizen im Vergabeverfahren, 2015, S. 185 ff.

25

UfAB VI Version 1.0 v. 30.4.2015, S. 156

26

UfAB VI Version 1.0 v. 30.4.2015, S. 157

27

UfAB VI Version 1.0, Stand: 30.4.2015, S. 159

28

UfAB VI Version 1.0 v. 30.4.2015, S. 161

29

OLG Düsseldorf, Beschluss vom 21.5.2012 – Verg 3/12

30

OLG Düsseldorf, Beschluss vom 27.11.2013

31

UfAB VI Version 1.0 v. 30.4.2015, S. 161 ff.

32

UfAB VI Version 1.0 v. 30.4.2015, S. 169 ff.

33

Für den Bundesbereich siehe VorlVV zu § 7 BHO Nr. 2 (Wirtschaftlichkeitsuntersuchungen)

34

UfAB VI Version 1.0 v. 30.4.2015, S. 169

35

VK Baden-Württemberg, Beschluss v. 8.6.2017 1 VK 14/17 (ibr-online, IBRRS 2017, 2267),

Tenor:

36

OLG Brandenburg, Beschluss v. 28.3.2017 6 Verg 5/16 (ibr-online, IBRRS 2017, 1140),

Tenor:

37

Unterlage für die Ausschreibung und Bewertung von IT-Leistungen (UfAB) 2018, Stand: 25.4.2018; Herausgeber: Beschaffungsamt des Bundesministeriums des Innern; Zentralstelle IT-Beschaffung. Die UfAB steht aus der Webseite des Beauftragten der Bundesregierung für Informationstechnik unter http://www.cio.bund.de kostenfrei zum Download zur Verfügung.

38

Es sind ausschließlich A-Kriterien vorgesehen.

39

VK Südbayern, Beschluss v. 30.8.2016 – Z3-3-3194-1-28-07/16.

40

VK Baden-Württemberg, Beschluss v. 4.5.2018 – 1 VK 8/18; ibr-online, IBRRS 2018, 2218.

41

U. Kaden, adesso, Vergabe-Navigator 6/2013, S. 18 ff. „Neue Wege zur Gewichtung von Preis und Leistung“; S. Beckermann, Umweltbundesamt, Beitrag DVNW „Ermittlung des wirtschaftlichsten Angebots“ v. 24.7.2018.

42

Hinweis: Die Excel-Berechnungen sind in der Online-Ausgabe des Handbuchs abrufbar.