Mit der DA-FamEStG 2009 hat die Fachaufsicht für den Familienleistungsausgleich (FLA) erstmals den Familienkassen Kriterien an die Hand gegeben, nach denen auch ein nicht amtlicher Nachweis der Behinderung anzuerkennen ist.
Nachweis der Behinderung auch auf andere Weise - BFH-Urteil vom 16.04.2002
Grundlage hierfür ist das Urteil des BFH vom 16.04.2002, VIII R 62/99, BStBl 2002 II S. 738.
In diesem Urteil wurden folgende Punkte klargestellt:
1. Der Nachweis einer Behinderung im Sinne des § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 EStG muss nicht nur entsprechend der in DA-FamEStG 63.3.6.2 Abs. 1 (BStBl I 1996, 723, 746) getroffenen Regelung erbracht werden, sondern dies kann auch auf andere Weise geschehen.
2. Auch Suchtkrankheiten können Behinderungen darstellen.
3. Allein der Umstand, dass sich ein Kind wegen Drogenabhängigkeit in einem Poladimon-Substitutionsprogramm befunden hat, lässt nciht den Schluss zu, dass das Kind behindert war und wegen der Behinderung außerstande, sich selbst zu unterhalten.
BFH-Urteil vom 16.04.2002 in der DA-FamEStG 2004
Obwohl das Urteil in der DA-FamEStG 2004 angesprochen war, blieb es den Familienkassen selbst überlassen, dieses Urteil im konkreten Einzelfall einer Entscheidung zu Grunde zu legen.
Der BFH hat zwar zwischenzeitlich mehrfach entschieden - u.a. BFH (NV) vom 30.11.2005, III B 117/05, dass die Behinderung im Einzelfall nicht nur durch amtliche Nachweise, sondern auch in anderer Form erbracht werden kann, nämlich durch Gutachten oder eine Bescheinigung des behandelnden (Fach-) Arztes.
Nachweis der Behinderung durch Vorlage eines Ausweises bzw. ähnlicher Unterlagen - BFH (NV) vom 30.11.2005, III B 117/05
Leitsatz
1. Es ist durch den BFH geklärt, das Anspruch auf Kindergeld für ein suchtkrankes, über 18 Jahre altes Kind nur besteht, wenn die Sucht ein Krankheitsstadium erreicht hat, das zu einer dauerhaften Erwerbsunfähigkeit führt.
2. Die Behinderung aufgrund der Suchtkrankheit kann auch in anderer Form durch Vorlage eine Schwerbehindertenausweises bzw. ähnlicher Unterlagen im Sinne von § 65 EStDV nachgewiesen werden, z.B. durch ein ärztliches Gutachten oder Aussagen der behandelnden Ärzte.
3. Verweigern die Beteiligten bei der Aufklärung des Sachverhalts ihre Mitwirkung, wird die Pflicht des FG zur Aufklärung eingeschränkt. Hält die Ärztin das Kind, das sie währende der Suchttherapie behandelt hat, in ihrem Entlassungsbericht für erwerbsfähig, braucht das FG die für die Erwerbsunfähigkeit des Kindes benannten Zeugen nicht zu vernehmen, wenn Mutter und Kind ihre Mitwirkung bei der Einstellung eines Sachverständigengutachtens entsprechend dem Beweisbeschluss des FG verweigert haben.
Nicht amtliche Form des Nachweises lediglich bei seelischen Erkrankungen
Aus den bisher entschiedenen Fällen ergibt sich, dass diese - nicht amtliche - Form des Nachweises lediglich bei seelischen Erkrankungen oder längeren Krankenhausaufenthalten als Nachweis der Behinderung anerkannt wurde.
Mindestangaben einer ärztlichen Bescheinigung als nicht amtlicher Form des Nachweises
Die Familienkassen müssen bei einer derartigen Fallgestaltung jedoch darauf bestehen, dass diese ärztlichen Bescheinigungen bestimmte Mindestangaben beinhalten.
Soll das Vorliegen einer Behinderung erstmals durch ein ärztliches Zeugnisses erbracht werden, reicht die bloße Feststellung, dass das Kind behindert sei, nicht aus.
Der die Bescheinigung ausstellende Arzt muss
Stellung nehmen.
Da in diesen Fällen eine zügige Bearbeitung auch im Interesse des Berechtigten liegt, sollte dieser im Vorfeld darauf hingewiesen werden, welchen Inhalt diese ärztlichen Bescheinungen haben muss. Denn nur eine umfängliche Sachverhaltsdarstellung kann zur Beschleunigung des gesamten Verfahrens beitragen.
Umfang der Behinderung
Dazu gehört auch, dass der Umfang der Behinderung durch eine Aussage zum Grad der Behinderung verdeutlicht wird. Denn danach richtet sich der weitere Ablauf des Verfahrens. Diese Forderung ist legitim, denn wenn ein Arzt eine Behinderung diagnostiziert, sollte er auch den entsprechenden Grad der Behinderung definieren können. Ohne eine klare Aussage müsste im weiteren Verfahren ggf. ein amtsärztliches Gutachten über den Grad der Behinderung von dem Berechtigten angefordert werden. Letztlich führt das Fehlen dieser Aussage zu einer Ablehnung des Kindergeldanspruches wegen Nichtfeststellbarkeit der Anspruchsvoraussetzungen.
Auswirkung der Behinderung
Die Auswirkung der Behinderung auf die Fähigkeit des Kindes sich selbst zu unterhalten, sollte entsprechend der für die Prüfung der Ursächlichkeit der Behinderung erforderlichen Angaben dargestellt werden. Das heißt, dass der die Behinderung attestierende Facharzt eine Aussage darüber treffen sollte, welchen Einfluss die Behinderung auf die Fähigkeit des Kindes hat eine Ausbildung zu absolvieren bzw. einer Erwerbstätigkeit nachzugehen. Mindestens sollte jedoch festgehalten werden, ob das Kind, nach Art und Umfang seiner Erkrankung (Behinderung) in der Lage ist, eine arbeitslosenversicherungspflichtige, mindestens 15 Stunden wöchentlich (3 Stunden täglich) umfassende Beschäftigung auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt auszuüben.
Beieiligung der Reha/SB-Stelle
Bevor über den Kindergeldanspruch nach § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 EStG als "behindertes Kind" entschieden werden kann, ist die Reha/SB-Stelle, unabhängig vom Inhalt des ärztlichen Zeugnisses, immer einzuschalten (DA 63.3.6.3 Abs. 3 S. 4).
Dadurch soll gewährleistet werden, dass eine fachlich autorisierte Stelle über den medizinischen Aspekt der Kindergeldentscheidung befindet.
Amtsärztliches Gutachten
Um „Gefälligkeitsgutachten“ auszuschließen, sollte die Familienkasse bei berechtigten Zweifeln von dem Anspruchsberechtigten in jedem Fall ein amtsärztliches Gutachten zur Frage der Behinderung einholen lassen.
Verweigerung der Mitwirkungspflicht
Verweigern die Beteiligten (Berechtigter und das Kind) ihre Mitwirkungspflicht, so reduziert sich die Pflicht der Familienkasse zur Sachverhaltsaufklärung auf Null. Dies ist dem Antragsteller mitzuteilen, bevor der Antrag auf Kindergeld abgelehnt wird.
rwh
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