Arbeiten, wenn andere frei haben

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Zum Ende oder zu Anfang eines jeden Jahres schießen sie wie Pilze aus dem Boden, die Artikel über die Brückentage. Wie viele Feiertage fallen auf ein Wochenende und wie lege ich als Arbeitnehmer meinen Urlaub am geschicktesten um unter Ausnutzung der Feiertage möglichst viele freie Tage im Jahr zu bekommen1. Während einige Arbeitnehmer zu den Optimierern von freier Arbeitszeit zählen, müssen andere gerade auch an Feiertagen, Sonntags oder in der Nacht arbeiten. Sicherlich auch zur Steigerung der Arbeitsmoral gewähren viele Arbeitgeber für solche unliebsamen Arbeitstage bzw. Arbeitszeiten, Zuschläge zum regulären Lohn. Bis zu einer bestimmten Höhe sind diese Zuschläge sogar steuerfrei. Die maximal steuerfreie Höhe der Zuschläge für Sonntags-, Feiertags- oder Nachtarbeit sowie die zu beachtenden Spielregeln ergeben sich aus § 3b EStG. Im Zusammenhang mit Auswärtsfahrten im Profisportbereich musste der BFH jüngst der Frage nachgehen, ob die Hin- und Rückfahrzeiten zu Auswärtsspielen zu den steuerbegünstigten Zuschlagszeiten (Arbeitszeit) gehören oder ob es sich hier um bloßen Zeitaufwand im Mannschaftsbus handelt2. Dieses Urteil scheint über den entschiedenen Fall hinaus nun weitere (gedankliche) Kreise zu ziehen.

Liebe Leserin, lieber Leser,

in dem Verfahren VI R 28/19 ging es um die Frage, ob die im Zusammenhang mit Hin- und Rückfahrten zu Auswärtsspielen an Profisportler und Mannschaftsbetreuer geleisteten Zuschläge nach Maßgabe von § 3b EStG steuerfrei auszahlbar sind?

Geklagt hatte ein Verein, der in einer deutschen Profi-Liga aktiv ist. Die im Verein beschäftigten Spieler und Mannschaftsbetreuer sind laut Arbeitsvertrag dazu verpflichtet, an Auswärtsspielen teilzunehmen, für die der Verein auch das zu benutzende Verkehrsmittel bestimmt. Eine individuelle Anreise ist nicht gestattet. Die Spieler und Mannschaftsbetreuer erhalten einen monatlichen Grundlohn. Zusätzlich zahlt der Verein für tatsächlich geleistete und nachgewiesene Sonntags-, Feiertags- und Nachtarbeit einen monatlichen Zuschlag in der gesetzlich zulässigen Höhe3.

Das Finanzamt hatte im Rahmen einer Lohnsteuer-Außenprüfung die Gewährung steuerfreier Zuschläge mit der Begründung ablehnt, dass die Zeiten nicht mit (arbeits)belastenden Tätigkeiten verbunden seien (bloßer Zeitaufwand im Mannschaftsbus).

Dieser Sichtweise ist der BFH in seinem Urteil vom 16.12.2021 nicht gefolgt. Im Kern sieht der BFH jede zu den begünstigten Zeiten i.S. von § 3b Abs. 1 EStG tatsächlich im Arbeitgeberinteresse ausgeübte Tätigkeit des Arbeitnehmers, für die er einen Anspruch auf Grundlohn hat, als begünstigt an. Es kommt also lediglich darauf an, dass der Arbeitnehmer eine grundlohnbewehrte Tätigkeit tatsächlich zu den begünstigten Zeiten ausübt. Ob der Arbeitnehmer dabei eine konkrete (individuell) belastende Tätigkeit ausübt ist ebenso unmaßgeblich, wie die arbeitszeitrechtliche Einordnung der Tätigkeit nach dem Arbeitszeitgesetz.

Aus dem heraus zählt auch die An- und Abreisezeit im Rahmen einer beruflichen Auswärtstätigkeit zu den im Arbeitgeberinteresse ausgeübten Tätigkeiten eines Arbeitnehmers, wenn dieser seine (eigentliche) Tätigkeit außerhalb des Betriebs zu erbringen hat.

Gerade vor dem Hintergrund, dass trotz anhaltend hoher Spritpreise, die Anhebung des pauschalen (steuerfreien) Fahrtkostenersatzes für mit dem eigenen PKW durchgeführte Dienstreisen (0,30 € je gefahrenen Kilometer) aktuell nicht in Sicht ist, sucht die Praxis nach Lösungen, dem zu begegnen4. Insofern ist es logisch und auch nachvollziehbar, dass spätestens mit Aufnahme dieses Urteils durch die FinVerw im BStBl, die Möglichkeit der allgemeinen Anwendung der Kernaussagen des BFH zur Kompensation der hohen Spritpreise im Rahmen von Auswärtstätigkeiten unter die Lupe genommen wird.

Aus meiner Sicht wird sich die FinVerw auch nicht gegen die allgemeine Anwendung dieser Urteilsgrundsätze außerhalb des Profisports wehren (können). Klar ist aber auch, dass Arbeitgeber und Arbeitnehmer zunächst einmal die formalen Voraussetzungen hierfür schaffen müssten. Denn auch das hob der BFH in seinem Urteil noch mal hervor: Voraussetzung für die Steuerbefreiung ist, dass die Zuschläge neben dem Grundlohn geleistet werden; sie dürfen nicht Teil einer einheitlichen Entlohnung für die gesamte, auch an Sonn- und Feiertagen oder Nachts geleistete Tätigkeit sein. Hierfür ist regelmäßig erforderlich, dass in dem Arbeitsvertrag zwischen der Grundvergütung und den Erschwerniszuschlägen unterschieden und ein Bezug zwischen der zu leistenden Nacht-, Sonntags- oder Feiertagsarbeit und der Lohnhöhe hergestellt ist. Die Anwendung der Steuerfreiheit erfordert grundsätzlich auch Einzelaufstellungen der tatsächlich erbrachten Arbeitsstunden an Sonntagen, Feiertagen oder zur Nachtzeit.    

Gerade bei Beschäftigungsverhältnissen mit häufigen Dienstreisen, wo eine Anreise an Sonn- oder Feiertagen angezeigt ist, gibt dieses Urteil den Beteiligten aus meiner persönlichen Sicht finanziellen Spielraum. Ob und inwieweit dieser Spielraum vor dem Hintergrund der formalen Voraussetzungen (Anpassung Arbeitsvertrag, laufende Aufzeichnungen) in der Arbeitswelt tatsächlich genutzt wird, bliebt abzuwarten. Im Rahmen einer Auswärtstätigkeit kommt der Dokumentation der Dienstreise aber gleichwohl immer schon eine besondere Bedeutung zu5. Insofern sollte es ein Leichtes sein, diese Angaben um die tatsächlich erbrachten Arbeitsstunden an Sonntagen, Feiertagen oder unter Umständen auch zur Nachtzeit zu ergänzen.

Derjenige Arbeitgeber, der dahingehende Überlegungen anstellt, sollte zur Absicherung aber immer vorab auch sein zuständiges Finanzamt mit einbeziehen. Denken Sie daran, Arbeitgeber haben jederzeit das Recht, an das für sie zuständige Finanzamt eine Anfrage zu richten und eine Auskunft darüber einzuholen, ob und inwieweit bei einem bestimmten Sachverhalt die Vorschriften über die Lohnsteuer anzuwenden sind6.

In diesem Sinne, bleiben Sie gesund und zuversichtlich.


Es grüßt Sie,  

Ihr Matthias Janitzky


1 z. B.: https://www.welt.de/wirtschaft/article234311900/Brueckentage-So-verdoppeln-Sie-2022-Ihre-Urlaubszeit.html

2 BFH-Urteil vom 16.12.2021 (VI R 28/19, BStBl II 2022, 209)

3 § 3b Abs. 1 EStG

4 siehe z. B. Seifert – AktStR 2/2022, S. 193

5 BFH-Urteil vom 06.03.1980, VI R 65/77; BStBl II, S. 289-292

6 § 42e EStG; Blog-Beitrag vom 22.01.2018 „Frage an das Finanzamt“

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