Liebe Leserin, lieber Leser,
Regelungen zu Steuerfreistellungen oder Steuerbegünstigungen beinhalten auch immer die Gefahr, dass entsprechende Instrumente missbräuchlich verwendet werden. Einen solchen Fall der missbräuchlichen Gestaltung und Fremdunüblichkeit sah die FinVerw in dem vom BFH nun entschiedenen Fall in dem der Arbeitgeber das dem Arbeitnehmer überlassene Handy zuvor zu einem symbolischen Kaufpreis vom Arbeitnehmer erworben hat und nach dem „Kauf“ auch die Mobilfunkkosten steuerfrei übernahm.
Vorteile des Arbeitnehmers aus der privaten Nutzung von betrieblichen Datenverarbeitungsgeräten und Telekommunikationsgeräten (inkl. der Nutzungsentgelte) sowie deren Zubehör, aus zur privaten Nutzung überlassenen System- und Anwendungsprogrammen, die der Arbeitgeber auch in seinem Betrieb einsetzt, und aus den im Zusammenhang mit diesen Zuwendungen erbrachten Dienstleistungen sind steuerfrei2. Entscheidend ist, dass es sich um ein betriebliches Gerät handelt. Das heißt, das Telefon, Handy, Smartphone usw. muss Eigentum des Arbeitgebers oder von ihm gemietet bzw. geleast worden sein. „Kauft“ aber ein Arbeitgeber vom Arbeitnehmer ein Handy zu einem nicht marktüblichen Preis von z. B. 1 Euro, stellt es anschließend dem Arbeitnehmer zur privaten Nutzung zur Verfügung und übernimmt nach dem „Kauf“ auch die Mobilfunkkosten, sieht die FinVerw in dem überlassenen Handy (aufgrund fehlender Fremdüblichkeit der Vertragsgestaltung), kein betriebliches Handy und versagt demzufolge die Steuerfreiheit für die übernommenen Mobilfunkkosten3. Von Fremdunüblichkeit spricht man, wenn die Gestaltung von einem verständigen Dritten in Anbetracht des wirtschaftlichen Sachverhalts und der wirtschaftlichen Zielsetzung ohne den Steuervorteil nicht gewählt worden wäre (einem fremden Dritten würde das eigene Mobiltelefon wohl zum marktüblichen Wert, nicht aber für nur 1 € überlassen werden). Solche Gestaltungen sind unter fremden Dritten unüblich und führen zu einem gesetzlich nicht vorgesehenen/gewollten Steuervorteil.
Dieser Ansicht ist der BFH aber in seinem Urteil nicht gefolgt. Allein aufgrund der (geringen) Höhe der vereinbarten Kaufpreise für die Handys kann nicht angenommen werden, dass die Kaufverträge einem Fremdvergleich nicht standhalten würden. Denn der Kaufpreis darf nicht isoliert betrachtet werden, sondern muss im wirtschaftlichen Zusammenhang mit den weiteren, in diesem Zusammenhang zwischen den Parteien abgeschlossenen, Vereinbarungen betrachtet werden. Danach verkauften die Arbeitnehmer ihre Handys zwar möglicherweise unter Wert, gaben infolgedessen auch ihr Eigentum an den Geräten auf und konnten die Handys zukünftig nur noch aufgrund der mit dem Arbeitgeber zeitgleich abgeschlossenen Vereinbarung über die Zurverfügungstellung der Handys nutzen. Allerdings erlangten die Arbeitnehmer jedoch den Vorteil, dass der Arbeitgeber ihnen die Kosten des jeweiligen Mobilfunkvertrags erstattete und das Risiko bei Reparaturen, Beschädigungen oder Zerstörung der Geräte trug. Soweit die Arbeitnehmer angesichts dieser Vorteile und in Abwägung des möglicherweise zu geringen Kaufpreises, bereit waren, ihre Handys an den Arbeitgeber zu verkaufen, hält diese vertragliche Regelung einem Fremdvergleich stand.
Aufgrund dieser Vereinbarungen stehen die Handys auch im zivilrechtlichen und auch wirtschaftlichen Eigentum des Arbeitgebers. Es liegen zum einen zivilrechtlich wirksame Kaufverträge vor. Das Eigentum an den Geräten ist durch Einigung und Übergabe4 oder durch Besitzkonstitut5 auf den Arbeitgeber übergegangen. Auch das wirtschaftliche Eigentum ist auf den Arbeitgeber übergegangen. Es besteht zwischen den Parteien keine Sonderrechtsbeziehung die dafür sorgen könnte, dass der zivilrechtliche Eigentümer im Regelfall für die gewöhnliche Nutzungsdauer von der Einwirkung auf das Wirtschaftsgut wirtschaftlich ausgeschlossen ist. Vielmehr endet zum einen der "Mobiltelefon-Überlassungsvertrag" automatisch mit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses. Zum anderen trug der Arbeitgeber auch das Risiko insbesondere der Beschädigung und des Untergangs der Handys. Unter diesen Voraussetzungen handelt es sich auch um betriebliche Handys im Sinne der Steuerbefreiungsvorschrift.
Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass der BFH zu dem Ergebnis gekommen ist, dass kein Gestaltungsmissbrauch vorliegt, wenn der Arbeitgeber private Handys der Arbeitnehmer unter Wert ankauft, um sie anschließend an die Arbeitnehmer zu überlassen und die Mobilfunkkosten steuerfrei zu übernehmen. Juristische Abwägungen, Beurteilungen und Wertungen eines Sachverhalts stehen hier aus meiner Sicht dem realen Leben konträr gegenüber. Oder wie Mario Basler schon gesagt hat: „Jede Seite hat zwei Medaillen“! Das Urteil widerspricht damit der Auffassung der FinVerw, die beim Erwerb des Handys zu einem marktunüblichen Kaufpreis von 1 € die Steuerbefreiung versagt.
Die Steuerbefreiungsvorschrift steht seit ihrer Gesetzeserweiterung in 20126 grundsätzlich „unter Beobachtung“. Im Bericht des Finanzausschusses des Deutschen Bundestages zum Gesetzentwurf der Bundesregierung7 wurde seinerzeit angeregt, die Steuerbefreiungsvorschrift nach Inkrafttreten der Regelung im Hinblick auf (systematischen) Missbrauch zu überprüfen. Eine solche Überprüfung hat auch stattgefunden. Eine Erkenntnis daraus war, dass man 1 Euro-Mitarbeiterhandykaufverträge als eine missbräuchliche Gestaltungsmöglichkeit ausgemacht und von der Steuerbefreiung ausgeschlossen hat.
Die Frage ist also, wie geht die FinVerw in Zukunft mit diesem Urteil um?
Klar ist, und so hat es für sich auch die Vorinstanz in diesem Verfahren, das FG München8, eingeordnet, dass in solchen Fallkonstellationen die Grenze zwischen einem Zuschuss des Arbeitgebers an den Arbeitnehmer zu den Mobilfunkgebühren seines Privathandys, der als geldwerter Vorteil Lohnbestandteil und damit der Besteuerung zu unterwerfen wäre, und einem vom Arbeitgeber für 1 € erworbenen betrieblichen Handy, das er dann seinem Arbeitnehmer zur Privatnutzung unter Bezahlung der Verbindungsentgelte steuerfrei zur Verfügung stellt, wirtschaftlich nicht eindeutig gezogen werden. Hier ist aber, wenn er denn möchte, der Gesetzgeber gefragt.
Ich bin gespannt ob und wenn ja, wie die FinVerw bzw. der Gesetzgeber reagieren wird. Aktuell, und das als abschließenden Hinweis, ist das BFH-Urteil noch nicht im Bundessteuerblatt veröffentlicht. Es liegt auch noch kein Eintrag auf der Internetseite des BMF vor, dass das Urteil zur Veröffentlichung ansteht9.
In dem Sinne, bleiben Sie gesund und zuversichtlich.
Es grüßt Sie,
Ihr Matthias Janitzky
1 BFH-Urteil vom 23. November 2022, VI R 50/20
2 § 3 Nr. 45 EStG
3 Beispiel 2 im Amtlichen Lohnsteuer-Handbuch, H 3.45, Beispiele für die Anwendung des § 3 Nr. 45 EStG
4 § 929 Satz 1 BGB
5 § 930 BGB
6 Gesetz zur Änderung des Gemeindereformgesetzes und von steuerlichen Vorschriften vom 8. Mai 2012 (BGBl. 2012 Seite 1030)
7 vgl. Beschlussempfehlung und Bericht des Finanzausschusses, Bundestagsdrucksache 17/8867 Seite 11
8 FG München, Urteil vom 20. November 2020, 8 K 2655/19
9 https://www.bundesfinanzministerium.de/Content/DE/Standardartikel/Themen/Steuern/anwendung-neuer-bfh-entscheidungen.html
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