Liebe Leserin, lieber Leser,
bestand zu Beginn der Corona-Pandemie im März 2020 noch ein politisch motiviertes Interesse der Bundesregierung3 Sonderleistungen des Arbeitgebers mit Bezug zur Corona-Krise allgemein für alle Beschäftigten, steuer- und sozialversicherungsrechtlich zu begünstigen, verfolgt die Nachfolgeregelung einen anderen, gezielteren Ansatz.
Die Regelung zum Pflegebonus kann zwar dem Grunde nach als „die Schwester“ der Corona-Prämie bezeichnetet werden, sind doch die Grundvoraussetzungen zum Eintritt der Steuerfreiheit deckungsgleich. Auch beim Pflegebonus muss es sich um eine in der Höhe begrenzte (max. 4.500 EUR), zusätzlich zum ohnehin geschuldeten Arbeitslohn gewährte Sonderleistung des Arbeitgebers mit Bezug zur Corona-Krise (zur Anerkennung besonderer Leistungen während der Corona-Krise) handeln. Wobei der Betrag der als Pflegebonus steuerfrei bleiben darf (4.500 €), deutlich höher ist als die Corona-Prämie (1.500 €). Zudem gibt es einen vorgegebenen Zeitraum, in dem die Sonderleistung ausgezahlt werden muss um steuerfrei bleiben zu können. Begünstigt ist der Zeitraum 18. November 20214 bis 31. Dezember 2022. Insofern handelt es sich also um eine rückwirkende Steuerbegünstigung. Wichtig an der Stelle: Sofern ein begünstigter Arbeitgeber im Jahr 2021 einen entsprechenden Pflegebonus ausgezahlt hat und diesen – aufgrund der im Zeitpunkt der Zahlung noch nicht bestehenden Steuerbefreiung – lohnversteuert hat, kann der betroffene Beschäftigte die Steuerfreistellung im Rahmen der Einkommensteuerveranlagung 2021 geltend machen.
Es besteht jedoch ein gravierender Unterschied zur Corona-Prämie. Dieser besteht beim Kreis der Anspruchsberechtigten. Bei der Gewährung eines steuerfreien Pflegebonus haben nicht mehr alle Arbeitgeber die Möglichkeit entsprechende Sonderzahlungen an ihre Beschäftigten zu leisten. Die Gewährung der Steuerfreiheit ist daran gebunden, dass der Beschäftigte in einer vom Gesetz vorgebebenen Einrichtung tätig ist5. Das macht sie gegenüber der allgemeinen Corona-Prämie nach meinem Dafürhalten zu einer spezialgesetzlichen Regelung und hat dadurch Vorrang. Entsprechende Sonderleistungen, die die begünstigten Einrichtungen seit dem 18.11.2021 an ihre in den Einrichtungen tätigen Beschäftigten ausgezahlt haben, fallen unter die neue Regelung des Pflegebonus. Ein Zusammenrechnen der beiden Steuerfreibeträge, Corona-Prämie (1.500 EUR) und Pflegebonus (4.500 EUR) ist nicht möglich.
Anspruchsberechtigt sind danach nicht nur Pflegekräfte, sondern grundsätzlich alle in Krankenhäusern sowie in Pflegeeinrichtungen und -diensten tätige Beschäftigte (u.a. Auszubildende, Freiwilligendienst leistende Personen und Beschäftigte im Rahmen einer Arbeitnehmerüberlassung). Desweiteren aber auch alle Beschäftigten in Einrichtungen für ambulantes Operieren, bestimmte Vorsorge- und Rehabilitationseinrichtungen, Dialyseeinrichtungen, Arzt- und Zahnarztpraxen sowie Rettungsdienste.
Die steuerfreie (freiwillige) Gewährung eines Pflegebonus hängt auch ab vom „tätig werden“ in der richtigen, weil gesetzlich vorgegebenen Einrichtung. Der Begriff des „Tätigwerdens“ stand in den letzten Jahren regelmäßig im Zusammenhang mit der Bestimmung der ersten Tätigkeitsstätte des Arbeitgebers im Fokus der Rechtsprechung6. Da die neue Steuerbefreiungsvorschrift keine dezidierten Vorgaben an das „tätig werden“ stellt, sollte es auch hier genügen, wenn der Arbeitnehmer in der Einrichtung zumindest in geringem Umfang Tätigkeiten erbringt, die er arbeitsvertraglich oder dienstrechtlich schuldet und die zu dem von ihm ausgeübten Berufsbild gehören. Darüber hinaus reicht für die Inanspruchnahme der Steuerfreiheit bereits ein Tag „tätig werden“ aus. Über das „Ob“ des zahlen wollens muss dann der Arbeitgeber selbst entscheiden.
Unmaßgeblich ist hingegen, ob der jeweilige Arbeitnehmer in einem bestehenden (aktiven) Arbeitsverhältnis mit der Einrichtung steht. Insofern scheidet die steuerfreie Gewährung eines Pflegebonus an bei entsprechenden Einrichtungen beschäftigten Arbeitnehmern, die während der Zeit der Corona-Krise7 nicht in dieser Einrichtung tätig geworden sind (sei es z. B. aus Gründen längerfristiger Krankheit oder auch Elternzeit).
Wenn man das Gesetz kritisch betrachtet, muss man feststellen, dass die Bezugnahme auf das „Tätig werden“ in einer gesetzlich bestimmten Einrichtung durchaus zu Benachteiligungen führen kann. Ich denke da zum Beispiel an Beschäftigte in privaten Laboren. Privat betriebene Labore gehören nicht zu einer vom Gesetz vorgebebenen Einrichtung. Gleichwohl waren auch die in den privaten Laboren tätigen Beschäftigten in den ersten Jahren der Pandemie durch eine hohe Rate an Sars-CoV-2-PCR-Tests starken Belastungen ausgesetzt8. Vergleichbare Leistungen erbringen aber auch Beschäftigte in einem zu einem Krankenhaus gehörenden Labor. Beabsichtigen jetzt beide Betreiber ihren Beschäftigten zur Anerkennung besonderer Leistungen während der Corona-Krise einen Pflegebonus zu zahlen, käme es zu einem unterschiedlichen Ergebnis. Während die Beschäftigten in privaten Laboren auf der einen Seite von der Steuerfreiheit ausgenommen sind (kein begünstigter Arbeitgeber), gehören auf der anderen Seite die in den Laboren von Krankenhäusern (begünstigter Arbeitgeber) tätigen Beschäftigten zu den „Gewinnern“ dieser Regelung.
Quod licet Iovi, non licet bovi, wenn zwei das Gleiche tun, ist das noch lange nicht dasselbe. Das Problem „Beschäftigt beim falschen Arbeitgeber“ ist im Steuerrecht jedoch nicht unbekannt. So ist zum Beispiel die nebenberufliche9 Impftätigkeit einer medizinischen Fachangestellten (MFA) im Impfbereich eines Corona-Impfzentrums eine steuerbegünstigte Tätigkeit10. Das heißt, die Einnahmen aus dieser Tätigkeit bleiben bis 3.000 EUR im Jahr steuerfrei11. Stellt ein niedergelassener Arzt eine MFA nebenberuflich z. B. als 10-Stunden-Kraft ein und beauftragt diese ausschließlich mit der Impftätigkeit in seiner Praxis, greift die Steuerbefreiungsvorschrift nicht. Denn der Freibetrag von 3.000 EUR jährlich wird nur gewährt, wenn die begünstigte nebenberufliche Tätigkeit im Dienst oder im Auftrag einer inländischen juristischen Person des öffentlichen Rechts oder einer unter § 5 Abs. 1 Nr. 9 des KStG fallenden Einrichtung erfolgt. Und da gehört die private Arztpraxis leider nicht dazu. Oder ganz allgemein die nebenberuflich in einem städtischen Krankenhaus in der (Kranken)Pflege tätige MFA gegenüber einer nebenberuflich tätigen MFA in einer privaten Arztpraxis. Dasselbe Ergebnis.
Vielleicht erfolgte ja auch vor dem Hintergrund im Laufe des Gesetzgebungsverfahrens noch die Ausweitung der Steuerfreiheit auch für Zahlungen an Beschäftigte in Einrichtungen für ambulantes Operieren, bestimmte Vorsorge- und Rehabilitationseinrichtungen, Dialyseeinrichtungen, Arzt- und Zahnarztpraxen sowie Rettungsdienste12. Denn diese Einrichtungen waren im Regierungsentwurf der Bundesregierung noch nicht aufgeführt13. Wer kennt schon die wahren Beweggründe!
Die Idee einer temporären steuerlichen Begünstigung für bestimmte Berufsgruppen – wie jetzt beim Pflegebonus – halte ich persönlich gleichwohl für richtig. Anders als bei der Vorgängerregelung, der Corona-Prämie für alle – können gezielte und vor allem unkomplizierte steuerliche Erleichterungen sinnvoll sein, wenn es darum geht, besondere gesamtgesellschaftliche Leistungen bestimmter Beschäftigtengruppen zu honorieren. Gerade was die Akzeptanz solcher Regelung in der Gesellschaft unter sozialpolitischen Erwägungen anbelangt. Eine solche Regelung sollte jedoch einer laufenden Überprüfung unterliegen und angepasst werden, wenn sich die jeweilige Situation im Land wieder verändert. In der letzten Zeit waren es halt insbesondere die, die unmittelbar und direkt in der Pflege in Pflege- und Krankenhäusern tätig sind, die trotz starken Belastungen durch die Corona-Pandemie einen großen Beitrag für die Allgemeinheit geleistet haben.
Eine flächendeckende Regelung wie die Corona-Prämie mag zwar für den Einzelnen finanziell reizvoll sein, wenn sie jedoch auch Einzug hält in Tarif- oder Gehaltsverhandlungen, verliert sie nach meiner Auffassung ihre sozialpolitische Zielrichtung als steuerfreie Leistung.
Bleiben Sie gesund und zuversichtlich.
Es grüßt Sie,
Ihr Matthias Janitzky
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