Ein überfälliger Kompromiss

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Wer aufgrund des Infektionsschutzgesetzes (IfSG) unter Quarantäne gestellt wird oder mit einem Tätigkeitsverbot belegt wurde und einen Verdienstausfall erleidet, ohne krank zu sein, erhält grundsätzlich eine behördliche Entschädigung, die vom Arbeitgeber in aller Regel vorfinanziert wird und über den Lohn steuerfrei abgerechnet wird. Im Anschluss werden die ausgezahlten Beträge dem Arbeitgeber auf Antrag durch die zuständige Behörde erstattet. Das Problem dabei ist, dass die Antragsbearbeitung regelmäßig mehrere Monate dauert und die zuständige Behörde vielfach bei der Berechnung des Erstattungsbetrags zu einem anderen Ergebnis kommt, als der Arbeitgeber kommt. Stellt sich im Nachhinein heraus, dass der Arbeitgeber die Entschädigungszahlung steuerlich unzutreffend behandelt hat, besteht Handlungsbedarf1. Als Kompromiss in solchen Abweichungsfällen stimmt die FinVerw Ende Januar 2023 und damit rund ein Jahr nach Anfrage der Interessenvertreter der Arbeitgeber an die FinVerw zum praxisgerechte Umgang, nun einer Nichtbeanstandungsregelung zu2.

Liebe Leserin, lieber Leser

in Deutschland gilt vom 1. Oktober 2022 bis 7. April 2023 grundsätzlich ein neuer Rechtsrahmen für Corona-Schutzmaßnahmen. Dazu zählt auch der Umgang mit Quarantänemaßnahmen. Die Regelungen für Quarantäne und Isolation werden allerdings nicht vom Bund vorgegeben, sondern in jedem einzelnen Bundesland getroffen und können voneinander abweichen. Eine generelle Pflicht zur Quarantäne besteht jedoch nicht mehr. Auf der Grundlage von § 30 bzw. § 31 Infektionsschutzgesetz besteht gleichwohl auch jetzt noch die Möglichkeit einer Quarantäneanordnung durch die zuständige Behörde. In einem solchen Einzelfall kann auch weiterhin ein Anspruch auf Verdienstausfallentschädigung geltend gemacht werden.

Arbeitgeber haben grundsätzlich bis zwei Jahre nach Beginn des Tätigkeitsverbots Zeit, den Antrag auf Erstattung der Verdienstausfallentschädigung3 zu stellen. Insofern ist zu vermuten, dass insbesondere aus dem Jahr 2022 den zuständigen Behörden längst nicht alle Erstattungsanträge vorliegen. Umgekehrt sind aber auch aus den Vorjahren noch längst nicht alle Erstattungsanträge von Behördenseite bearbeitet. Insofern ist die Frage nach der zutreffenden steuerlichen Behandlung der Lohnfortzahlung/Verdienstausfallentschädigung (Lohnversteuerung bzw. Steuerfreistellung) nach Bescheiderteilung nach wie vor relevant.

Ohne Frage stellt(e) sich der arbeits- und lohnsteuerrechtliche Umgang für den Arbeitgeber schwierig dar. Denn im Zeitpunkt der Auszahlung durch den Arbeitgeber herrscht(e) häufig noch Unklarheit darüber, ob der Arbeitgeber weiterhin selbst lohnfortzahlungspflichtig ist oder ihm ein Erstattungsanspruch gegenüber der öffentlichen Kasse zusteht und er insoweit nur als behördliche Zahlstelle für die öffentlich-rechtliche Entschädigung fungiert. Entscheidet sich der Arbeitgeber zur Zahlung einer steuerfreien Verdienstausfallentschädigung, bemisst sich diese nach dem Verdienstausfall (Netto-Arbeitsentgelt) des jeweiligen Arbeitnehmers.

Die Erkenntnis der letzten Jahre ist, dass die ursprüngliche Beurteilung des Arbeitgebers, ob und wenn ja in welcher Höhe eine Verdienstausfallentschädigung steuerfrei zu zahlen ist, oftmals abweicht von der Entscheidung der zuständigen Behörde. In einem solchen Fall hat der Arbeitgeber entweder die Zahlung an den Arbeitnehmer unzutreffend lohnversteuert oder unzutreffend (dem Grunde oder der Höhe nach) steuerfrei gestellt. In beiden Fällen besteht Handlungsbedarf.

Vom Verfahrensablauf problematisch waren und sind die Fälle, in denen Arbeitgeber mit einer hohen Zahl von Quarantänefällen, Verdienstausfallentschädigungen unzutreffend steuerfrei ausgezahlt haben und die Erkenntnis erst nach Abschluss des Lohnkontos vorlag bzw. vorliegt. Denn in einem solchen Fall können die Arbeitgeber die Lohnabrechnung nicht mehr eigenständig korrigieren. Sie müssen vielmehr in einer großen Zahl von Fällen die unzutreffende Steuerfreistellung ihrem Betriebsstättenfinanzamt anzeigen. Die Korrektur läuft somit bürokratieaufwändig über die Finanzverwaltung.     

Vor dem Hintergrund haben sich bereits vor geraumer Zeit die Interessenvertreter der Arbeitgeber an die FinVerw gewandt und über die Probleme der Arbeitgeber mit behördlichen Erstattungsbeträgen für Verdienstausfallentschädigungszahlungen aufmerksam gemacht. Im beiderseitigen Interesse schlug man eine Art Bagatellgrenze pro Quarantänefall von 250 Euro vor4.

Besser spät als nie reagierte die FinVerw jetzt auf diesen Vorschlag5. Grundsätzlich ist bei unzutreffender Steuerfreistellung

  • die zu viel gezahlte Verdienstausfallentschädigung zurückzufordern und im Jahr der Rückzahlung auf der elektronischen Lohnsteuerbescheinigung (Nr. 15) zu bescheinigen.
  • bei Verzicht auf Rückforderung durch den Arbeitgeber und wenn keine alternative Steuerbefreiung nach § 3 Nr. 11a, 11b oder 11c EStG gegeben ist, hat der Arbeitgeber eine Anzeigepflicht gegenüber dem Betriebsstättenfinanzamt6. Die Korrektur erfolgt dann bei der persönlichen Einkommensteuer-Veranlagung oder über eine Lohnsteuer-Nachforderung beim jeweiligen Arbeitnehmer.

Allerdings beanstandet es die FinVerw für die Kalenderjahre 2020 – 2023 nicht, wenn der Arbeitgeber, von seiner Anzeigepflicht absieht, wenn die Differenz der gezahlten Verdienstausfallentschädigung und der vom Arbeitgeber bewilligten Erstattung nicht mehr als 200 Euro pro Quarantänefall beträgt. Durch diese Nichtbeanstandungsregelung entlässt man zum einen den Arbeitgeber aus der Haftung für die nicht vorschriftsmäßig einbehaltene Lohnsteuer. Zum anderen erfolgt in diesen Fällen auch kein Rückgriff beim Arbeitnehmer selbst.

Durch diese Nichtaufgriffsgrenze wird es den betroffenen Arbeitgebern nunmehr doch ermöglicht, eine Vielzahl an abweichenden Erstattungsbescheiden mit kleineren „Mindererstattungen“ nicht aufzugreifen.

In dem Sinne, bleiben Sie gesund und zuversichtlich.

 

Es grüßt Sie, 
Ihr Matthias Janitzky


1 siehe auch Blog-Beitrag vom 22.11.2021 „Umgang mit Verdienstausfallentschädigungsleistungen
2 BMF-Schreiben vom 25.01.2023
3 § 56 IfSG
4 https://www.agv-vers.de/fileadmin/doc/covid19/AR_2022_13_Anhang_IfSG_Entschaedigungszahlungen.pdf
5 BMF-Schreiben vom 25.01.2023
6 § 41c Abs. 4 EStG

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