Liebe Leserin, lieber Leser,
jetzt ist es also endlich am Start und nutzbar, dass 9-€-Ticket für den ÖPNV. Das 9-€-Ticket gilt in den Monaten Juni – August bundesweit in allen Fahrzeugen des Nahverkehrs, also insbesondere in allen RE, RB, S-Bahnen und Bussen, unabhängig vom Verkehrsbetreiber. Es gilt jedoch nicht im Fernverkehr (z.B. ICE, IC, EC). Was wurde in Deutschland nicht alles darüber geschrieben und prognostiziert. Übervolle Züge und Chaos an den Bahnsteigen. Bundesverkehrsminister Wissing sprach von einem groß angelegten Feldversuch. Rund 7 Millionen Tickets waren zum Start verkauft, dass angekündigte Chaos blieb jedoch bisher aus3. Der den Deutschen innenwohnender Pessimismus hat sich (mal wieder) nicht bestätigt. Ja, ich weiß, noch ist nicht aller Tage Abend, sprich die drei Monate sind noch nicht um und es kommen ja noch die Sommerferien und dann wird sich zeigen, wie belastbar die Züge und der Personalbestand der DB und der Verkehrsbetreiber, gerade auf den beliebten touristischen Strecken sind. Ich, als Rheinländer, begegne solch pessimistischen Gedanken immer mit Paragraf 2 und 3 des kölschen Grundgesetzes, die ins Hochdeutsche übersetzt lauten: „Habe keine Angst vor der Zukunft“ (Et kütt wie et kütt) und „Wird schon gutgehen...“ (Et hätt noch immer jot jejange).
Aber das soll hier nicht das Thema sein. Blicken wir mal auf die Arbeitgeber, die ihren Beschäftigten für Fahrten zur Arbeit mit dem ÖPNV einen Barzuschuss zahlen oder ein Job-Ticket aushändigen. Seit 2019 sind bekanntlich zusätzlich zum ohnehin geschuldeten Arbeitslohn geleistete Barzuschüsse und Sachleistungen (Tickets) insbesondere für Fahrten des Arbeitnehmers zwischen Wohnung und erster Tätigkeitsstätte mit öffentlichen Verkehrsmitteln im Personenfern- und Nahverkehr sowie für private Fahrten des Arbeitnehmers im ÖPNV steuerfrei.
Da die Steuerfreiheit der Zuschüsse des Arbeitgebers (Bar- und Sachzuschüsse) im ÖPNV sowohl die Fahrten zwischen Wohnung und erster Tätigkeitsstätte als auch für private Fahrten des Arbeitnehmers gilt, kommt der bundesweiten Gültigkeit des 9-€-Tickets keine Bedeutung zu. Denn auch wenn während der Monate Juni - August alle JobTicket-Besitzer*innen mit ihrem JobTicket bundesweit den ÖPNV nutzen können, führt dies nicht zu einer Versagung der Steuerfreiheit.
Wichtig ist aber, die Barzuschüsse des Arbeitgebers für vom Arbeitnehmer selbst angeschaffte (Job-)Tickets im Blick zu haben. Wer als Arbeitnehmer ein (Job-)Ticket besitzt, bekommt in aller Regel den Differenzbetrag durch den Verkehrsbetreiber ausgeglichen. Barzuschüsse, die Arbeitgeber ihren Arbeitnehmern zusätzlich zum ohnehin geschuldeten Arbeitslohn zu deren Aufwendungen für Tickets für den ÖPNV gewähren, sind in Bezug auf die Steuerfreiheit jedoch auf die Höhe der Aufwendungen des Arbeitnehmers beschränkt. Darauf weist die FinVerw in ihrem Schreiben vom 30.05.2022 nochmal ausdrücklich hin4.
Allerdings besteht kein sofortiger Handlungsbedarf. Arbeitgeber sollten vielmehr darauf achten, die Gesamtkosten im Kalenderjahr 2022 im Blick zu haben. So ist es ausreichend, wenn die Zuschüsse des Arbeitgebers in der Jahresbetrachtung die Aufwendungen des Arbeitnehmers für seine Tickets für den ÖPNV 2022 insgesamt nicht übersteigen (Jahresbetrachtung). Vor Abschluss des Lohnkontos und vor Versenden der Lohnsteuerbescheinigung an die FinVerw, müssen sich also Zuschüsse des Arbeitgebers und Kosten des Arbeitnehmers ausgeglichen haben. Ist das nicht der Fall, ist der Differenzbetrag als steuerpflichtiger Arbeitslohn zu behandeln.
In der Praxis kamen in Bezug auf die Fälle, in denen der Arbeitgeber über eine arbeitsrechtliche Vereinbarung (z. B. Arbeitsvertrag, Betriebsvereinbarung oder Tarifvertrag) verpflichtet ist, einen festen Barzuschuss zu leisten die Frage auf, ob durch die Reduzierung der Kosten auf 9 €, das für die Anwendung der Steuerfreiheit bedeutsame Zusätzlichkeitskriterium noch vorliegt? Wenn also Arbeitgeber z. B. laut einer Betriebsvereinbarung einen ÖPNV-Zuschuss von 60 € (entspricht der Höhe des Ticketpreises) zu leisten haben, sich nunmehr die Kosten auf 9 € reduzieren, die Arbeitgeber aber den Betrag von 60 € weiterzahlen, ob auch dann die 9 € steuerfrei bleiben und nur der Rest als steuerpflichtiger Arbeitslohn zu behandeln ist? Die Praxis sah hier den § 8 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 EStG als kritisch an; ob der Barzuschuss (9 €) nunmehr nicht in Teilen auf den Anspruch auf Arbeitslohn (60 €) angerechnet würde.
Ich persönlich sehe das unkritisch. Durch die Regelung des § 8 Abs. 4 EStG sollen nur echte Zusatzleistungen des Arbeitgebers steuerbegünstigt sein. Im Umkehrschluss sollen damit Gehaltsverzicht oder -umwandlungen nicht begünstigt sein. Bezogen auf die angesprochenen Praxisfälle hat sich die Vereinbarung, auf die die Prüfung der Zusätzlichkeit ja letztendlich zurückgreift, nicht verändert. Der Arbeitgeber ist nach wie vor aufgrund einer (für das Zusätzlichkeitskriterium unschädlichen5) arbeitsrechtlichen Vereinbarung verpflichtet einen ÖPNV-Zuschuss zu leisten. Er darf aber nur insoweit diesen Zuschuss steuerfrei belassen, wie dem Arbeitnehmer auch Kosten entstehen. Zahlt er mehr, greift lediglich die Steuerfreiheit nicht und der darüber hinaus gezahlte Betrag ist steuerpflichtiger Arbeitslohn. So ist nach meinem Dafürhalten auch das BMF-Schreiben vom 30.05.2022 auszulegen.
Als Konsequenz aus der Reduzierung der Steuerfreiheit der Barzuschüsse, mindern natürlich auch nur die reduzierten steuerfreien Arbeitgeberleistungen den als Entfernungspauschale abziehbaren Betrag der Arbeitnehmer. An der Bescheinigungspflicht der Arbeitgeber auf der Lohnsteuerbescheinigung des jeweiligen Arbeitnehmers hat sich nichts verändert6. Bescheinigt werden müssen die gesamten steuerfreien Arbeitgeberzuschüsse im Kalenderjahr.
In diesem Sinne, wünsche ich Ihnen keine Störungen im Betriebsablauf und möge die angezeigte Wagenreihung immer Bestand haben!
Bleiben Sie gesund und zuversichtlich.
Es grüßt Sie,
Ihr Matthias Janitzky
1 § 8 Abs. 4 EStG
2 Gesetz zur Vermeidung von Umsatzsteuerausfällen beim Handel mit Waren im Internet und zur Änderung weiterer steuerlicher Vorschriften vom 11.12.2018, BGBl. I S. 2338, BStBl. I S. 1377
5 § 8 Abs. 4 Satz 2 EStG
6 § 41b Abs. 1 Satz 2 Nr. 6 EStG
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