Liebe Leserin, lieber Leser,
etwas mehr als jeder zehnte Arbeitnehmer fährt in Deutschland einen Firmenwagen. In der Regel geht mit der Überlassung eines Firmenwagens auch die Erlaubnis einher, diesen PKW privat und auch für Fahrten zwischen der Wohnung und der ersten Tätigkeitsstätte nutzen zu dürfen. Dies wiederum führt beim Arbeitnehmer zu einem geldwerten Vorteil, der entweder pauschal (sog. 1%-Regelung für die Privatnutzung; 0,03%-Regelung oder je Einzelfahrt nach der 0,002%-Regelung) oder individuell (sog. Fahrtenbuchmethode) ermittelt werden muss. So weit, so bekannt!
Seit Beginn der Pandemie kam es im Hinblick auf die Zuschlagsregelung für Fahrten zwischen der Wohnung und der ersten Tätigkeitsstätte immer wieder zu Rückfragen. Waren es anfangs noch Fragen im Zusammenhang mit einem unterjährigen Wechsel der Bewertungsmethode, weg von der monatlichen 0,03%-Regelung und hin zur Bewertung der einzelnen Fahrt mit 0,002%1, kamen in letzter Zeit vermehrt Fragen im Zusammenhang mit dem Vorhandensein einer ersten Tätigkeitsstätte auf.
Konkret geht es um die Fälle, in denen sich der Tätigkeitsort des Arbeitnehmers aus der Firma in das heimische Arbeitszimmer verlegt hat. Hier steht die Frage im Raum, ob der Arbeitnehmer in der Firma überhaupt noch eine erste Tätigkeitsstätte innehat und wenn nein, ob dann nicht eine Versteuerung des geldwerten Vorteils für Fahrten zwischen der Wohnung und der ersten Tätigkeitsstätte entfällt.
Die Fahrten zwischen Wohnung und erster Tätigkeitsstätte sind nur dann mit einem gesonderten Wert zu erfassen, wenn der Arbeitnehmer auch tatsächlich über eine erste Tätigkeitsstätte verfügt.
Eine erste Tätigkeitsstätte liegt vor, wenn der Arbeitnehmer einer ortsfesten betrieblichen Einrichtung des Arbeitgebers, eines verbundenen Unternehmens oder eines vom Arbeitgeber bestimmten Dritten, dauerhaft durch den Arbeitgeber zugeordnet ist. Aus der Definition heraus kann zwar auch die Tätigkeitsstätte bei einem Dritten als erste Tätigkeitsstätte angesehen werden. Das häusliche Arbeitszimmer des Arbeitnehmers ist jedoch keine betriebliche Einrichtung des Arbeitgebers oder eines Dritten und scheidet damit als erste Tätigkeitsstätte aus.
Maßgebend für die Bestimmung der ersten Tätigkeitsstätte ist also im ersten Schritt die auf Dauer angelegte Zuordnungsentscheidung des Arbeitgebers anhand von dienst- oder arbeitsrechtlichen Festlegungen sowie die diese ausfüllenden Absprachen und Weisungen. Eine solche dauerhafte Zuordnung wird sich also regelmäßig ergeben, wenn der Arbeitnehmer ortsfest und ortsgebunden für seinen (lohnsteuerlichen) Arbeitgeber in einer betrieblichen Einrichtung tätig werden soll.
Und nur wenn es an einer arbeitgeberseitigen Zuordnungsentscheidung fehlt, greifen hilfsweise zeitliche Kriterien. An welcher betrieblichen Einrichtung soll der Arbeitnehmer typischerweise arbeitstäglich oder je Arbeitswoche zwei volle Arbeitstage oder mindestens ein Drittel seiner vereinbarten regelmäßigen Arbeitszeit tätig werden. Des Weiteren muss sich die arbeitsrechtliche Zuordnung sowie die Auslegung der quantitativen Kriterien auch auf die Tätigkeit des Arbeitnehmers beziehen.
Verändert sich also der Tätigkeitsort oder auch die Tätigkeitsart des Arbeitnehmers, sollte auch immer – gerade in Fällen, in denen der Arbeitnehmer einen Firmenwagen nutzt – die Frage nach der ersten Tätigkeitsstätte neu überdacht und beurteilt werden.
War also zum Beispiel ein Arbeitnehmer bisher in der Firma seines Arbeitgebers tätig und dieser auch arbeitsrechtlich zugeordnet, hatte er dort seine erste Tätigkeitsstätte. Wechselt der Arbeitnehmer nunmehr vollständig ins Homeoffice und arbeitet bis auf weiteres von dort, mangelt es ab diesem Zeitpunkt an einer ersten Tätigkeitsstätte. Als Konsequenz daraus hat eine Versteuerung eines geldwerten Vorteils für Fahrten zwischen Wohnung und erster Tätigkeitsstätte (mangels Vorliegen einer ebensolchen) nicht mehr zu erfolgen.
Anders sieht es aus, wenn der Arbeitnehmer auch weiterhin in der Firma seines Arbeitgebers, der er arbeitsrechtlich zugeordnet ist, zumindest in geringem Umfang Tätigkeiten erbringt, die arbeitsrechtlich geschuldet werden und zu seinem Berufsbild gehören. Denn dann hat die bisherige arbeitsrechtliche Zuordnungsentscheidung des Arbeitgebers zur Bestimmung der ersten Tätigkeitsstätte auch weiterhin Bestand2 und die Zuschlagsregelung für Fahrten zwischen der Wohnung und der ersten Tätigkeitsstätte muss beachtet werden.
Jetzt gibt es aber auch die Fälle, in denen der Arbeitgeber keine dauerhafte Zuordnungsentscheidung getroffen hat, der Arbeitnehmer aber bisher im Rahmen der quantitativen Kriterien in der Firma seines Arbeitgebers einen Teil seiner beruflichen Tätigkeit nachgegangen ist und darüber eine erste Tätigkeitsstätte vorliegt. Treten auch bei diesen Arbeitnehmern Veränderungen beim Tätigkeitsort oder auch bei der Tätigkeitsart ein, sollte auch hier eine neue Bewertung der quantitativen Kriterien vorgenommen werden. Stellt man dabei fest, dass der Arbeitnehmer bis auf weiteres, weder arbeitstäglich noch zwei volle Arbeitstage oder mindestens ein Drittel seiner vereinbarten regelmäßigen Arbeitszeit in einer bestimmten betrieblichen Einrichtung, sondern jetzt hauptsächlich im Homeoffice seiner beruflichen Tätigkeit nachgeht, liegt keine erste Tätigkeitsstätte mehr vor. Auch hier entfällt zukünftig eine Versteuerung eines geldwerten Vorteils für Fahrten zwischen Wohnung und erster Tätigkeitsstätte mangels Vorliegen einer ebensolchen.
Gerade in der heutigen Zeit, in der die digitale Arbeitswelt immer weiter voranschreitet und den Arbeitnehmern sich weitreichende und flexible Möglichkeiten bieten ihrer alltäglichen Arbeit nachzukommen, ist eine rechtzeitige und rechtssichere Entscheidung in Bezug auf die erste Tätigkeitsstätte eines Arbeitnehmers und seine lohnsteuerlichen Folgewirkungen für Arbeitgeber und Arbeitnehmer sinnvoll.
Bleiben Sie gesund und zuversichtlich.
Es grüßt Sie,
Ihr Matthias Janitzky
1 siehe dazu Rn. 13f des BMF-Schreibens vom 03.03.2022 (BStBl I 2022, 232)
2 siehe z. B. auch BFH-Urteil vom 12.07.2021, VI R 9/19, BFH/NV 2022, 11-13 (Leitsatz und Gründe)
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