Liebe Leserin, lieber Leser,
60 Prozent der weltweiten Steuerliteratur sind angeblich auf Deutsch verfasst. Trifft die Aussage tatsächlich zu, bestätigt sich damit auch das Bauchgefühl vieler Bürger in Deutschland, dass das deutsche Steuerrecht unnötig kompliziert sei. Jeder, der sich mit dieser Materie beruflich auseinandersetzt, wird schon mal den Wunsch nach einem einfacheren Steuersystem verspürt haben. Dies vor allem in den Momenten, wenn man darüber grübelt, wie man einen aktuell zu beurteilenden Lebenssachverhalt steuerlich richtig umsetzt und mal wieder keiner da ist, den man fragen kann.
Insbesondere Arbeitgeber, die gegenüber dem Finanzamt die ordnungsgemäße Durchführung des Lohnsteuerabzugs sicherzustellen haben, können sich mit Fragen, die sich dem Arbeitgeber im Zusammenhang mit der Einbehaltung und der Abführung der Lohnsteuer seiner Arbeitnehmer stellen, an das für ihn zuständige Finanzamt wenden. Das gleiche Recht steht aber auch dem Arbeitnehmer zu; auch hier ist das für den Arbeitgeber zuständige Finanzamt der Ansprechpartner. Beide haben Anspruch auf eine gebührenfreie Auskunft.
Es versteht sich von selbst, dass einer solchen Anfrage immer ein konkreter Anlass zugrunde liegen muss, der Arbeitgeber also einen entsprechenden Sachverhalt in seinem Unternehmen zu würdigen hat. Rein theoretische Fragen, also Fragen ohne konkretes Rechtsschutzbedürfnis, mag man sich hin und wieder zwar schon mal selber stellen, können aber nicht Gegenstand eines Antrags auf Erteilung einer Anrufungsauskunft sein bzw. müssen vom Finanzamt nicht beantwortet werden.
Zweck der gebührenfreien Anrufungsauskunft ist vielmehr, dass der zum Lohnsteuerabzug verpflichtete und dementsprechend einem Haftungsrisiko ausgesetzte Arbeitgeber jederzeit die Möglichkeit haben soll, sich Klarheit über die Anwendung lohnsteuerrechtlicher Normen zu verschaffen. Sofern sich der Arbeitgeber an die Anrufungsauskunft des Finanzamts hält, befreit diese den Arbeitgeber von seiner Haftung, sofern der Arbeitgeber den Sachverhalt in dem Antrag auf Erteilung einer Anrufungsauskunft vollständig und richtig dargestellt hat. Da dieser Nachweis vom Arbeitgeber zu führen ist, empfiehlt sich stets eine schriftliche Anfrage. Hat der Arbeitgeber eine Anrufungsauskunft eingeholt und ist er danach verfahren, ist das Finanzamt im Lohnsteuerabzugsverfahren daran gebunden.
Dem Arbeitnehmer gegenüber ist das Finanzamt allerdings nicht an die dem Arbeitgeber im Steuerabzugsverfahren erteilte Anrufungsauskunft gebunden. Im Rahmen der Einkommensteuerveranlagung hat das für den Arbeitnehmer zuständige Finanzamt weiterhin die Möglichkeit einen anderen, günstigeren oder ungünstigeren Rechtsstandpunkt, zu vertreten. Dies selbst dann, wenn der Arbeitnehmer den Antrag auf Erteilung einer Anrufungsauskunft beim für den Arbeitgeber zuständigen Finanzamt gestellt hat.
Die Erteilung, die Rücknahme und der Widerruf einer Anrufungsauskunft ist ein Verwaltungsakt. Folglich kann der Auskunftsersuchende gegen eine ablehnende Anrufungsauskunft Einspruch einlegen und den Sachverhalt ggf. finanzgerichtlich im Klageverfahren klären lassen. Allerdings prüft das Finanzgericht die erteilte Auskunft sachlich nur daraufhin, ob der Sachverhalt zutreffend erfasst und die rechtliche Beurteilung nicht evident rechtsfehlerhaft ist. Letzteres bedeutet, dass die erteilte Anrufungsauskunft nicht im Widerspruch zum Gesetz oder der von der FinVerw angewandten höchstrichterlichen Rechtsprechung stehen darf. Es ist hingegen nicht Aufgabe des lohnsteuerlichen Anrufungsverfahrens, ungeklärte Rechtsfragen abschließend zu beantworten oder die Übereinstimmung von Verwaltungsanweisungen mit dem Gesetz zu überprüfen.
In dem Sinne, denn nur fragenden Menschen kann geholfen werden.
Es grüßt Sie
Ihr Matthias Janitzky
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