Liebe Leserin, lieber Leser,
Sitzen gilt Studien zur Folge als das neue Rauchen,1 und das Rauchen schädlich ist, bedarf keiner weiteren Ausführungen. Wer also im alltäglichen Bürojob ununterbrochen sitzt, schadet dadurch seiner Gesundheit. Die häufigsten mittel- bis langfristigen Folgen sind Rückenschmerzen und Übergewicht. Erschreckenderweise klagt fast jeder dritte Erwachsene in Deutschland nach eigener Aussage ständig oder oft über Rückenprobleme. Dabei kann jeder einzelne durch regelmäßigen Wechsel zwischen Sitzen, Stehen und sich bewegen sowie sportlicher Betätigung als Ausgleich nach der Arbeit, idealerweise kombiniert mit einer gesundheitsgerechten Ernährung, effektiv gegen Rückenschmerzen und Übergewicht vorbeugen.
Das grundsätzliche Thema präventives gesundheitsgerechtes Arbeiten ist in vielen Unternehmen bereits im täglichen Arbeitsalltag etabliert. Sinnvollerweise werden dazu gesundheitsfördernde Maßnahmen einfach in den beruflichen Alltag integriert. Bietet der Arbeitgeber in diesem Bereich Maßnahmen an, ist steuerlich zu differenzieren zwischen nicht zu Arbeitslohn führenden Leistungen des Arbeitgebers im ganz überwiegenden eigenbetrieblichen Interesse, in bestimmtem Umfang steuerfreien Arbeitgeberleistungen und steuerpflichtigen Arbeitgeberleistungen.
Eine praktische Entscheidungshilfe zur Einordnung gesundheitsfördernder Maßnahmen hat das BMF am 20.04.2021 veröffentlicht2. Auf zehn Seiten informiert die Finanzverwaltung umfangreich über die steuerrechtliche Einordnung die der Gesundheit betreffenden Maßnahmen.
Nicht zu Arbeitslohn führen Leistungen des Arbeitgebers, wenn sie im ganz überwiegend eigenbetrieblichen Interesse erbracht werden. Im Hinblick auf das hohe persönliche Interesse der Arbeitnehmer an ihrer eigenen Gesundheit und einer Verringerung ihres Krankheitsrisikos kann im Bereich der Gesundheitsförderung nur bei wenigen Arbeitgeberleistungen von einem „ganz überwiegenden eigenbetrieblichen Interesse des Arbeitgebers“ ausgegangen werden. Eine beispielhafte Aufzählung findet sich am Schluss der Praxishilfe. Zu nennen sind hier insbesondere Maßnahmen, die die Allgemeinheit der Belegschaft betreffen, also zum Beispiel Maßnahmen zur Verbesserung von Arbeitsbedingungen (zum Beispiel Bereitstellung von Aufenthalts- und Erholungsräumen, Duschanlagen), Aufwendungen für Sport- und Übungsgeräte, Einrichtungsgegenstände und bauliche Maßnahmen (zum Beispiel im betriebseigenen Fitnessraum) oder auch Leistungen zur Förderung von Mannschaftssportarten durch Zuschüsse, auch an Betriebssportgemeinschaften oder Bereitstellung einer Sporthalle/eines Sportplatzes. Davon ausgenommen sind jedoch Leistungen zur Förderung von Individualsportarten (zum Beispiel Tennis, Squash und Golf).
Zum steuerfreien Arbeitslohn gehören in erster Linie die zusätzlich zum ohnehin geschuldeten Arbeitslohn erbrachten Leistungen des Arbeitgebers
zur zertifizierten individuellen verhaltensbezogenen Prävention3 und
Leistungen im Bereich der betrieblichen Gesundheitsförderung im Handlungsfeld „gesundheitsförderlicher Arbeits- und Lebensstil“4.
Leistungen zur individuellen verhaltensbezogenen Prävention werden grundsätzlich in Form von Präventionskursen (außerhalb oder innerhalb des Betriebsgeländes) erbracht und sollen den Einzelnen motivieren und befähigen, Möglichkeiten einer gesunden, Störungen und Erkrankungen vorbeugenden Lebensführung auszuschöpfen. Hierunter fallen z.B. gesundheitssportliche Aktivitäten, verhaltens- und gesundheitsorientierte Bewegungsprogramme (z.B. Rückenschule, Nordic Walking, Yoga, Aquafitness, Autogenes Training) oder gesunde Ernährung.
Die Inanspruchnahme der Steuerfreiheit setzt regelmäßig eine Zertifizierung der Maßnahme durch die Zentrale Prüfstelle Prävention oder eine Krankenkasse voraus.
Ist allerdings ein Präventionskurs im Auftrag des Arbeitgebers ausschließlich für dessen Beschäftigte zugänglich, besteht mangels Beteiligung der gesetzlichen Krankenkassen keine Zertifizierungsmöglichkeit. Die Krankenkassen und die von ihnen beauftragte Zentrale Prüfstelle Prävention können nur Kursangebote zertifizieren, welche die Krankenkassen als Leistungen zur verhaltensbezogenen Prävention für ihre Versicherten erbringen bzw. welche dafür vorgesehen sind. Damit nicht zertifizierte Präventionskurse dennoch steuerfrei bleiben können, müssen sowohl der Kurs als auch die Qualifikation des Kursleiters den Anforderungen der §§ 20 und 20b SGB V genügen. Die Finanzverwaltung unterstellt das Vorliegen der Voraussetzungen jedenfalls dann, wenn der Kursleiter dem Arbeitgeber schriftlich bestätigt, dass
der Präventionskurs inhaltlich mit einem bereits zertifizierten und geprüften Kurskonzept eines Fachverbands oder einer anderen Organisation (zum Beispiel Kursinhalt „Rücken-Fit“) identisch ist und
er über die Qualifikation als Kursleiter entsprechend dem „GKV-Leitfaden-Prävention“ verfügt.
Daneben sind auch Leistungen der betrieblichen Gesundheitsförderung steuerfrei. Im Gegensatz zu den Präventionskursen, müssen diese Leistungen bedarfsbezogenen allen Beschäftigten eines Betriebes offenstehen. Bei Leistungen zur betrieblichen Gesundheitsförderung handelt es sich vorrangig um eine gesundheitsförderliche Gestaltung der Arbeitstätigkeit und –bedingungen sowie um den Aufbau bzw. Stärkung gesundheitsförderlicher Strukturen. Hierbei steht nicht der einzelne Beschäftigte im Fokus. Vielmehr sollen die strukturellen Rahmenbedingen am Arbeitsplatz gesundheitsförderlich gestaltet werden.
Aber auch Kurse beziehungsweise Vorträge in Gruppen gehören zu den Maßnahmen der betrieblichen Gesundheitsförderung. Die Steuerfreiheit gilt für die im GKV-Leitfaden Prävention5 beschriebenen persönlich zuordenbaren Leistungen im Handlungsfeld „gesundheitsförderlicher Arbeits- und Lebensstil“ mit den Präventionsprinzipien
Diese Leistungen können auf dem Betriebsgelände oder außerhalb in einer geeigneten Einrichtung erbracht werden. Eine Zertifizierung dieser Kurse ist nicht erforderlich.
Ergänzen Präventionskurse den Bereich der betrieblichen Gesundheitsförderung sind gleichwohl die Zertifizierungserfordernisse zur Inanspruchnahme der Steuerfreiheit zu beachten.
Steuerpflichtiger Arbeitslohn
Nicht nach § 3 Nr. 34 EStG steuerfreie Gesundheitsmaßnahmen des Arbeitgebers führen zu steuerpflichtigem Arbeitslohn. Auch dazu führt die Praxishilfe beispielhaft einzelne Maßnahmen auf. Wichtig ist hier zunächst eine Entscheidung dahingehend zu treffen, ob die Leistung des Arbeitgebers eine Geld- oder eine Sachleistung ist6. Geldleistungen sind individuell im Lohn des Arbeitnehmers zu versteuern, während Sachleistungen steuerbegünstigt behandelt werden können.
Besteht die Leistung des Arbeitgebers ausschließlich in der Bezuschussung einer nicht steuerfreien Gesundheitsmaßnahme handelt es sich um eine zweckgebundene Geldleistung oder eine nachträgliche Kostenerstattung und damit um eine Geldleistung, die keiner Steuervergünstigung zugänglich ist7. Es bleibt nur die individuelle Versteuerung des Barzuschusses im Lohn des Arbeitnehmers. Hierzu zählen zum Beispiel die Bezuschussung von Mitgliedsbeiträgen des Arbeitnehmers in Sportvereinen, Fitness-Studios und ähnlichen Einrichtungen. Gleiches gilt für die Übernahme von Eintrittsgelder des Arbeitnehmers für den Besuch eines Schwimmbads, Sauna oder der Bezuschussung von Beiträgen des Arbeitnehmers für den Besuch einer Tanzschule.
Sachleistungen des Arbeitgebers hingegen bleiben unter Anwendung der 50 Euro-Sachbezugsfreigrenze (bis 2021: 44 Euro)8 unversteuert. Alternativ besteht die Möglichkeit zur Anwendung der Pauschalierung nach § 37b Abs. 2 EStG.
Zu den Sachleistungen gehört zum Beispiel die Gewährung von Massagen, unabhängig davon, ob die Massage innerhalb oder außerhalb des Betriebs erfolgt; die Möglichkeit des Arbeitnehmers zur Teilnahme vom Arbeitgeber georderten Maßnahmen ausschließlich zum Erlernen einer Sportart sowie Trainingsprogramme mit einseitigen körperlichen Belastungen (z.B. Training nur der unteren Extremitäten wie beispielsweise beim Spinning). Aber auch durch den Arbeitgeber georderten Screenings (Gesundheitsuntersuchungen, Vorsorgeuntersuchungen) ohne Verknüpfung mit Interventionen aus den Handlungsfeldern der betrieblichen Gesundheitsförderung der Krankenkassen.
Auch die Ausgabe von Gutscheinen die einer bestimmten funktionalen Begrenzung unterliegen können hier Anwendung finden. Und zwar solche, die unabhängig von einer Betragsangabe nur dazu berechtigen, Waren oder Dienstleistungen ausschließlich aus einer sehr begrenzten Waren- oder Dienstleistungspalette zu beziehen9. Zu nennen sind hier die Gutscheine, mit denen z. B. ausschließlich Fitnessleistungen (z.B. für den Besuch der Trainingsstätten und zum Bezug der dort angebotenen Waren oder Dienstleistungen) in Anspruch genommen werden können.
Nachdem ich jetzt so viel über Gesundheit geschrieben habe, nehme ich mir ein Beispiel und gehe zum Training. Es gibt keine Ausrede! Bleiben Sie immer stärker sind als ihre stärkste Ausrede.
Bitte bleiben Sie gesund
Es grüßt Sie,
Ihr Matthias Janitzky
1 z.B. https://www.zeit.de/campus/angebote/100-tage-2017/2/ist-sitzen-das-neue-rauchen?utm_referrer=https%3A%2F%2Fwww.google.de%2F
2 https://www.bundesfinanzministerium.de/Content/DE/Downloads/BMF_Schreiben/Steuerarten/Lohnsteuer/2021-04-20-umsetzungshilfe-zur-steuerlichen-anerkennung-von-arbeitgeberleistungen.pdf?__blob=publicationFile&v=2
3 § 20 SGB V
4 § 20b SGB V
5 https://www.gkv-spitzenverband.de/krankenversicherung/praevention_selbsthilfe_beratung/praevention_und_bgf/leitfaden_praevention/leitfaden_praevention.jsp
6 BMF-Schreiben vom 13.04.2021, BStBl I, 624
7 § 8 Abs. 1 Satz 2 EStG
8 § 8 Abs. 2 Satz 11 EStG
9 § 2 Abs. 1 Nr. 10b ZAG
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