Liebe Leserin, lieber Leser,
acht Jahre hat es dann doch gedauert. Die vom Bundesministerium der Finanzen (BMF) und den obersten Finanzbehörden der Länder umfassend aktualisierten Lohnsteuer-Richtlinien 2023 (LStR) haben den parlamentarischen Weg durchlaufen und können so ab dem Jahr 2023 Anwendung finden.
Die LStR dienen dazu, eine einheitliche Rechtsanwendung der Finanzbehörden zu gewährleisten und richten sich daher zunächst mal unmittelbar nur an die zuständigen Finanzbehörden. Sie binden also die Finanzbehörden an eine bestimmte Auslegung des Einkommensteuergesetzes (EStG) und sind beispielsweise oft maßgeblich dafür, wie z. B. die Finanzbehörde den Begriff des Arbeitslohns definiert1. Insofern haben die in den LStR aufgeführten Rechtsauslegungen auch für die Arbeitgeber und Arbeitnehmer rechtliche Bedeutung.
Die letzte größere Überarbeitung erfolgte also 2015. Da könnte man meinen, es hat sich einiges getan und es lohnt sich, dem Zeitraum einen vertieften Blick in diese Verwaltungsrichtlinie zu investieren. Aber, dem ist nicht so. Galt es in den letzten acht Jahren etwa neue Gesetze im EStG zu interpretieren oder auch auf, gegen die Auffassung der Finanzverwaltung, ergangene höchstrichterliche Rechtsprechung zu reagieren, hat die Finanzverwaltung dies regelmäßig bereits durch die Veröffentlichung von BMF-Schreiben getan. Solche Schreiben bieten natürlich die Möglichkeit schnelleren Handelns gegenüber einer doch sperrigen Änderung bzw. Ergänzung von Richtlinien im parlamentarischen Weg. Und genau deshalb, enthält die Neufassung der LStR kaum echte Neuregelungen. Die detaillierte Überarbeitung dient also in erster Linie der Erleichterung der Rechtsanwendung, in dem auch redaktionelle und sprachliche Anpassungen vorgenommen wurden2. Wenn man so will, musste „einmal ordentlich feucht durchgewischt werden“.
Allerdings kann man sich an der Stelle auch mal die Frage stellen, ob es noch zeitgemäß ist, immer weiter an den LStR festzuhalten. Seit Jahren gibt das BMF beispielsweise zur Abgabenordnung und zur Umsatzsteuer anstelle von Richtlinien, jeweils einen sog. Anwendungserlass heraus. Grund dafür war die Erkenntnis von Bund und Ländern, mit dieser Maßnahme die für die Praxis wichtige (Tages-)Aktualität zu gewährleisten. Bei Bedarf kann er ganz einfach durch BMF-Schreiben ergänzt oder geändert werden. Aber vielleicht war das ja auch die letzte große Anpassung der LStR.
Wie dem auch sei, vier Passagen habe ich aber dann doch noch gefunden die, gegenüber der bisherigen Verwaltungsauffassung, eine Neuerung bieten und die man als Anwender des Lohnsteuerrechts kennen sollte.
Eine Steuerpflicht der Mehrarbeitsvergütung entfällt, sofern eine Steuerfreiheit von Zuschlägen für Sonntags-, Feiertags- oder Nachtarbeit nach Maßgabe von § 3b EStG zur Anwendung kommt. In Bezug auf Steuerfreiheit von Zuschlägen bei Arbeit an einem gesetzlichen Feiertag wurde die LStR an dieser Stelle neu formuliert und bestimmte Passagen insgesamt gestrichen3. Bisher hatte die Verwaltung bei einer nur vorübergehenden kurzfristigen Abwesenheit von der ersten Tätigkeitsstätte für das Vorliegen eines Feiertags auf die Verhältnisse an der ersten Tätigkeitstätte abgestellt. Zudem konnte in Zweifelsfällen den besonderen tarifvertraglichen Regelungen über die Gewährung von Feiertagszuschlägen gefolgt werden. Diese beiden Regelungen werden ab 2023 nicht weiter angewendet.
In Bezug auf die Feiertagsregelung gilt nunmehr eine vereinfachende Regelung. Die Beurteilung, ob ein gesetzlicher Feiertag vorliegt, richtet sich ausschließlich nach dem Ort der Arbeitsstätte (Tätigkeitsstätte)4.
Unter Aufmerksamkeiten versteht man im Lohnsteuerrecht Sachleistungen des Arbeitgebers an den Arbeitnehmer oder seinen Angehörigen aus Anlass eines besonderen persönlichen Ereignisses bis zu einem Wert von 60 Euro, die auch im gesellschaftlichen Verkehr üblicherweise ausgetauscht werden und zu keiner ins Gewicht fallenden Bereicherung der Arbeitnehmer führen. Solche Sachleistungen gehören als bloße Aufmerksamkeiten nicht zum Arbeitslohn.
Der Begriff der Aufmerksamkeiten wird ab 2023 auf Arbeitnehmer und die mit ihm im gemeinsamen Haushalt lebenden Angehörigen (§ 15 AO) eingeschränkt. Ab 2023 sind danach Aufmerksamkeiten, Sachzuwendungen bis zu einem Wert von 60 Euro, z.B. Blumen, Genussmittel, ein Buch oder ein Tonträger, die dem Arbeitnehmer oder in seinem Haushalt lebenden Angehörigen aus Anlass eines besonderen persönlichen Ereignisses zugewendet werden5.
Bekam also z. B, der in einer eigenen Wohnung lebende Sohn des Arbeitnehmers, anlässlich seines 20. Geburtstags von dessen Arbeitgeber ein Spotify-Gutschein im Wert von 60 € geschenkt, war diese Aufmerksamkeit bis 2022 eine lohnsteuerfreie Aufmerksamkeit. Ab 2023 grenzt die Finanzverwaltung den Begriff der lohnsteuerlichen Aufmerksamkeit auf mit dem Arbeitnehmer im gemeinsamen Haushalt lebenden Angehörigen ein. Erfolgt die beispielhafte Zuwendung also in 2023, wäre der Spotify-Gutschein Arbeitslohn beim Arbeitnehmer.
Aus der Historie betrachtet, wechselte die Auffassung der Finanzverwaltung bei der Frage der zur Anwendung kommenden Lohnsteuertabelle im Hinblick auf Teillohnzahlungszeiträume schon mal hin und her.
Als Teillohnzahlungszeitraum bezeichnet man Fallkonstellationen, in denen z. B. die Zahlung von Monatslohn vorgesehen ist, jedoch die Arbeit während des laufenden Monats aufgenommen oder beendet wird und deshalb der Monatslohn nur anteilig gezahlt wird. In diesen Fällen wird der für den Lohnsteuerabzug maßgebliche Lohn nicht für einen ganzen Monat gezahlt, sondern nur für den auf die Beschäftigung entfallenden Anteil des Monats. Das Gleiche gilt auch bei fortbestehendem Arbeitsverhältnis und vorheriger bzw. anschließender Tätigkeit im Ausland, wenn im Inland kein voller Monatslohn der Besteuerung unterliegt (z. B. Bezug von steuerfreiem Arbeitslohn nach Doppelbesteuerungsabkommen oder tageweise Beschäftigung im Deutschland).
Bis Ende 2010 kam in Fällen, in denen monatlich entlohnte ausländische Arbeitnehmer ihre Tätigkeit im Inland unter Fortführung des Arbeitsverhältnisses während eines laufenden Monats aufgenommen oder beendet hatten, nicht die Monatslohnsteuertabelle, sondern i. d. R. die Tageslohnsteuertabelle zur Anwendung6.
Die vorstehende Rechtsauffassung galt jedoch ab den LStR 2011 nicht mehr weiter fort: Auch solche Arbeitstage sind mitzurechnen, an denen der Arbeitnehmer keinen in Deutschland steuerpflichtigen Arbeitslohn bezogen hat7. Bei einem vereinbarten Lohnzahlungszeitraum Kalendermonat war mithin die Monatstabelle anzuwenden. Ganz allgemein galt, solange das Dienstverhältnis fortbesteht, sind auch solche in den Lohnzahlungszeitraum fallende Arbeitstage mitzuzählen, für die der Arbeitnehmer keinen Arbeitslohn bezogen hat (z.B. Ablauf der Lohnfortzahlung im Krankheitsfall oder Übergang zum Elterngeldbezug). Mit der Neufassung des § 39b EStG ab 2012 galt dieser Grundsatz für unbeschränkt und beschränkt einkommensteuerpflichtige Arbeitnehmer gleichermaßen8 (§ 39b Abs. 1 EStG).
Ab 2023 erfolgt jetzt wieder die Wende zurück in die Zeit vor 2011. Es gelten zukünftig wieder die Grundsätze der vorstehenden BFH-Rechtsprechung. Arbeitstage, an denen der Arbeitnehmer Arbeitslohn bezogen hat, der nicht in Deutschland dem Lohnsteuerabzug unterliegt, sind nicht mitzuzählen (z.B. Bezug von steuerfreiem Arbeitslohn nach einem Doppelbesteuerungsabkommen oder tageweise Beschäftigung in Deutschland). Die FinVerw geht in diesen Fällen steuerlich wieder von einem Teillohnzahlungszeitraum aus, mit der Folge, dass ab Januar 2023 die Tageslohnsteuertabelle Anwendung findet. Offenbar hat man erkannt, dass bei Anwendung der Monatstabelle in diesen Fällen, eine zutreffende Lohnbesteuerung nach dem Grundprinzip der Besteuerung nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit nicht sichergestellt ist. Denn vielfach war der Lohnsteuerabzug in den entsprechenden Fällen viel zu niedrig. Die Grundsätze gelten sowohl für unbeschränkt als auch für beschränkt steuerpflichtige Arbeitnehmer.
Die Haftungsinanspruchnahme des Arbeitgebers ist von einem Verschulden in der Regel nicht abhängig. Gleichwohl hat das Finanzamt bezüglich der Inanspruchnahme des Arbeitgebers oder des Arbeitnehmers, als Schuldner seiner individuellen Lohnsteuer, eine Ermessensentscheidung zu treffen und sein Auswahlermessen regelmäßig zu begründen. Dies gilt grundsätzlich auch für den Fall einer Nettolohnvereinbarung.
In Bezug auf die Ermessenentscheidung stellen die neuen LStR aber nunmehr klar, dass in den Fällen einer Nettolohnvereinbarung das Finanzamt ermessensfehlerfrei handelt, wenn es den Arbeitgeber vorrangig als Haftungsschuldner in Anspruch nimmt, da der Arbeitnehmer gegenüber dem Arbeitgeber einen arbeitsrechtlichen Anspruch auf Befreiung von den Lohnsteuerabzugsbeträgen hat9.
In dem Sinne, bleiben Sie gesund und zuversichtlich.
Es grüßt Sie,
Ihr Matthias Janitzky
1 R 19.3 LStR
2 Verwendung einer bürgernahen Sprache
3 R 3b Abs. 3 LStR 2015
4 R 3b Abs. 3 Satz 3 LStR 2023
5 R 19.6 Abs. 1 Satz 2 LStR 2023
6 BFH-Urteil vom 10.03.2004, VI R 27/99, BFH/NV 2004, 1239
7 R 39b.5 Abs. 2 Satz 3 LStR 2015
8 § 39b Abs. 1 EStG
9 R 42d.1 Abs. 4 Satz 5 LStR 2023
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