Umgang mit Verdienstausfallentschädigungsleistungen

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Stand 16.11.2021 gibt es in Deutschland 463.100 Coronavirus-Infizierte. Die 7-Tage-Inzidenz der Neuinfektionen liegt bundesweit zu diesem Zeitpunkt bei 312,4. Seit Beginn der Pandemie haben sich in Deutschland 5.077.124 Menschen nachweislich mit dem Coronavirus infiziert. Viele von diesen Menschen sind aufgrund ihrer Infektion mit einem behördlichen Tätigkeitsverbot belegt worden. Aufgrund der aktuellen Situation ist davon auszugehen, dass noch weitere folgen werden.

Wer aufgrund des Infektionsschutzgesetzes (IfSG) unter Quarantäne gestellt wird oder mit einem Tätigkeitsverbot belegt wurde und einen Verdienstausfall erleidet, ohne krank zu sein, erhält grundsätzlich eine behördliche Entschädigung1, die über den Lohn abgerechnet wird. Im Zusammenhang mit der Auszahlung durch den Arbeitgeber und der späteren Entscheidung über die Gewährung der Verdienstausfallentschädigung durch die Behörde sind in der Praxis in letzter Zeit vermehrt Fragen über das Zusammenwirken dieser unterschiedlichen Zeitpunkte aufgekommen. Insbesondere dann, wenn die Lohnabrechnung nicht mit der Entscheidung der zuständigen Behörde korrespondiert.

Liebe Leserin, lieber Leser,

besteht der Verdacht, dass Beschäftigte sich möglicherweise mit dem Coronavirus infiziert haben, können sie durch eine behördliche Verfügung dazu verpflichtet werden, sich in eine häusliche Quarantäne zu begeben und ihr Haus/ihre Wohnung nicht zu verlassen. Für den Arbeitgeber stellt sich dann unweigerlich die Frage, welche arbeitsrechtlichen Konsequenzen sich aus dem Umstand ergeben, dass Beschäftigte unfreiwillig ihre Leistung nicht erbringen können. Besteht weiterhin eine Verpflichtung zur Lohnfortzahlung, oder ist die Lohnfortzahlung arbeitsvertraglich ausgeschlossen worden2.   

Ist der Arbeitgeber nicht zur Lohnfortzahlung verpflichtet, besteht für den Beschäftigten grundsätzlich ein Anspruch auf Verdienstausfallentschädigung. Die Abläufe, wie in solchen Fällen vorgegangen wird (z. B. Antragstellung), bestimmt die zuständige Behörde des jeweiligen Bundeslandes. Grundsätzlich gilt, dass bei Arbeitnehmern der Arbeitgeber für längstens sechs Wochen, soweit tarifvertraglich nicht anders geregelt, die Entschädigung auszuzahlen hat. Die ausgezahlten Beträge werden dem Arbeitgeber auf Antrag durch die zuständige Behörde erstattet. In der Lohnabrechnung wird in solchen Fällen das Bruttogehalt des betroffenen Beschäftigten um die unbezahlten Quarantänetage gekürzt.

Das Problem für den Arbeitgeber ist, dass im Zeitpunkt der Lohnabrechnung vielfach noch unklar ist ob überhaupt ein Entschädigungsanspruch besteht. Denn selbst wenn sich der Verdacht auf eine Infektion mit dem Coronavirus erhärtet, steht immer noch nicht endgültig fest, ob dem Beschäftigten tatsächlich ein Anspruch auf eine Verdienstausfallentschädigung zusteht. Wäre die Quarantäne vermeidbar, besteht kein Anspruch auf Verdienstausfallentschädigung.

Dies ist immer dann der Fall, wenn dem Beschäftigten ein eigenes Verschulden vorzuwerfen ist. Die hierzu bestehenden Regelungen wurden ab November nochmal verschärft. Bisher galt schon ein Anspruchsausschluss in Fällen, in denen Beschäftigte wissentlich in ein ausgewiesenes Hochrisikogebiet gereist sind, obwohl die Reise vermeidbar gewesen wäre. Dies gilt auf jeden Fall für eine Urlaubsreise3.

In Quarantänefällen, die ab November beginnen, müssen Beschäftigte jetzt nachweisen, dass sie geimpft oder genesen sind oder sich aus medizinischen Gründen nicht impfen lassen konnten, damit ein Anspruch auf eine Verdienstausfallentschädigung besteht. Arbeitgeber sind in dem Zusammenhang berechtigt, von dem Beschäftigten Auskunft über seinen Impf- oder Genesenenstatus einzuholen4

In jedem Fall stellt er aber einen Erstattungsantrag bei der zuständigen Behörde, da der Beschäftigte wegen einer Quarantäne seine Arbeit nicht leisten konnte. Und je nachdem, wie die zuständige Behörde über den Antrag entscheidet ergeben sich Nacharbeiten in der Lohnabrechnung.

Stellt sich im Nachhinein jedoch heraus, dass die ursprüngliche Beurteilung des Arbeitgebers unzutreffend war, muss der Arbeitgeber handeln und grds. den Lohnsteuerabzug korrigieren5. Das ist insoweit nicht weiter problematisch, wenn zwischen der fraglichen Lohnabrechnung und der Entscheidung der zuständigen Behörde über den Erstattungsantrag nicht der Jahreswechsel liegt. Denn am Ende des Kalenderjahres hat der Arbeitgeber das Lohnkonto des Beschäftigten abzuschließen und bis Ende Februar auf Basis dieser Aufzeichnungen eine Lohnsteuerbescheinigung an die Finanzverwaltung zu übermitteln. Die Änderung des Lohnsteuerabzugs ist aber nach Übermittlung der Lohnsteuerbescheinigung zwar technisch möglich, rechtlich aber unzulässig6.  

Gerade in den Regionen, in denen die Inzidenzen überproportional hoch sind und sich demzufolge auch viele Menschen in Quarantäne befinden, ist derzeit mit einer Bearbeitungsdauer von Entschädigungsanträgen von mehreren Monaten zu rechnen7. Das heißt, die Wahrscheinlichkeit, dass zwischen der fraglichen Lohnabrechnung und Bescheiderteilung der Jahreswechsel liegt, ist sehr hoch. Erfolgt also die abschließende Entscheidung über den Erstattungsantrag des Arbeitgebers erst nach dem Jahreswechsel und der Übermittlung der Lohnsteuerbescheinigung und weicht diese von der ursprünglichen Behandlung durch den Arbeitgeber ab, muss man zwei Fälle voneinander unterscheiden.

Unzutreffende zu hohe Lohnversteuerung

Erst mit Auszahlung der zuständigen Behörde und der schriftlich mitgeteilten endgültigen Entscheidung kann davon ausgegangen werden, dass sämtliche Anspruchsvoraussetzungen für die Zahlung von Verdienstausfall vorgelegen haben. Rechnet der Arbeitgeber bis dahin das Arbeitsentgelt für Zeiten der Quarantäne steuerpflichtig ab, meldet aufgrund dessen die Lohnsteuer an und weist diesen in der Lohnsteuerbescheinigung aus, führt eine positive Bescheiderteilung der zuständigen Behörde zu einer unzutreffenden Lohnversteuerung des bereits ausgezahlten Arbeitslohns. Der ausgezahlte Betrag bleibt unabhängig davon jedoch zugeflossen. Im Zeitpunkt der positiven Bescheiderteilung verfestigt sich lediglich der Anspruch auf Inanspruchnahme der Steuerfreiheit für die bisher lohnsteuerpflichtig behandelte Verdienstausfallentschädigung8. Aufgrund der bereits erfolgten Übermittlung der Lohnsteuerbescheinigung ist eine bloße Änderung des Lohnsteuerabzugs nicht mehr möglich.  

In dem Fall kann eine Korrektur des Bruttoarbeitslohns nur über die Einkommensteuerveranlagung des Arbeitnehmers erfolgen. Das heißt, der Beschäftigte muss über die unzutreffende Lohnversteuerung informiert werden und die Finanzverwaltung benötigt die zutreffenden Werte, um eine Korrektur der zu hohen Lohnversteuerung vornehmen zu können. Dazu bietet es sich an, das zuständige Finanzamt des Arbeitgebers mit einzubeziehen und diesem, neben dem Beschäftigten, ebenfalls die korrigierten Werte mitzuteilen. Und zwar den um den Verdienstausfall (Netto-Arbeitsentgelt) geminderten Bruttoarbeitslohn, die um die Erstattung der Arbeitnehmeranteile zur Sozialversicherung geminderten Sozialversicherungsbeiträge und die dem Progressionsvorbehalt unterliegenden Einnahmen aus der insgesamten Verdienstausfallentschädigung.

Der auf die Lohnsteuer entfallende Betrag ist zum einen weiterhin als Bruttoarbeitslohn anzusetzen und zum anderen wird diese Lohnsteuer auf die Einkommensteuer angerechnet. Eine Änderung der seinerzeitigen Lohnsteuer-Anmeldung des Arbeitgebers, in der er die unzutreffende Lohnsteuer angemeldet und abgeführt wurde, ist hingegen nicht zulässig. Vielmehr hat der Arbeitgeber einen Rückforderungsanspruch in dieser Höhe gegenüber dem Beschäftigten. Muss der Beschäftigte diesen Betrag an den Arbeitgeber zurückzahlen, liegt im Zeitpunkt der Rückzahlung negativer Arbeitslohn vor.

Das Finanzamt des Arbeitgebers wird die Unterlagen prüfen und danach an das für den Beschäftigten zuständige Finanzamt zur Berücksichtigung in der Einkommensteuerveranlagung übersenden.

Unzutreffende Steuerfreistellung

Im umgekehrten Fall (steuerfreie Auszahlung des Betrags im Erstjahr, Ablehnung der Erstattung durch die Entschädigungsbehörde im folgenden Jahr und nach Ausstellung der Lohnsteuerbescheinigung), besteht hingegen für den Arbeitgeber eine Verpflichtung zur Anzeige des Sachverhalts gegenüber seinem Finanzamt9.  

Auch hier wird das Finanzamt des Arbeitgebers die Unterlagen prüfen und entscheiden, wie es den bisher nicht vorgenommenen Lohnsteuerabzug nachholt. Dies geschieht entweder durch Nachforderung gegenüber dem Beschäftigten mittels Nachforderungsbescheid oder das Finanzamt des Beschäftigten erhöht bei der Einkommensteuerveranlagung den Bruttoarbeitslohn um den steuerfrei ausgezahlten Betrag. Dieser Betrag darf dann aber nicht (zusätzlich) dem Progressionsvorbehalt unterworfen werden.

Zwischen Beginn und Fertigstellung des Beitrags lagen drei Tage. In der Zeit sind rund 200.000 Infizierte mehr hinzugekommen.

Bitte bleiben Sie gesund


Es grüßt Sie,  

Ihr Matthias Janitzky


1 § 56 IfSG

2 § 616 BGB

4 siehe ebenfalls Fußnote 3

5 § 41c Abs. 1 EStG

6 § 41c Abs. 3 EStG

8 § 3 Nr. 25 EStG

9 § 41c Abs. 4 EStG

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3 Kommentare zu diesem Beitrag
kommentiert am 22.11.2021 um 21:05:
Hallo Herr Janitzky, ich mache mir bei dem Thema vor allem Gedanken, wie ich das denn programmtechnisch lösen soll. SV-rechtlich ist nach dem Entstehungsprinzip der jeweilige Monat zu korrigieren, die Lohnsteuerkorrektur darf ich aber nach dem 28.2. des Folgejahres gar nicht mehr über das Lohnprogramm vornehmen. Kann mir einer erklären, wie das gehen soll? Der § 41c (3) und (4) EStG ist bei laufenden Bezügen nicht kompatibel mit dem SV-Recht. Ich bin ratlos :-(
kommentiert am 22.11.2021 um 16:20:
Hallo Herr Busche, ich kann es mir lebhaft vorstellen. Vor allem, wenn man aufgrund der Bearbeitungsdauer der Anträge auf Verdienstausfall, die Bearbeitung der Lohnkonten der betroffenen Arbeitnehmer mehrfach aufgreifen muss. Allerdings hege ich wenig Hoffnung ob einer pragmatischen Billigkeitsregelung durch die FinVerw, nach dem Motto "korrigiert einfach die Lohnabrechnung und verschickt geänderte Lohnsteuerbescheinigungen". Dafür müsste sich zum einen die Mehrheit der Bundesländer dafür aussprechen und zum anderen hätte man einen Präzedenzfall geschaffen. Aber das ist nur meine private Meinung. Vielleicht überrascht man mich ja doch auch noch. Danke auf jeden Fall für Ihre Meinung und viele Grüße Matthias Janitzky
kommentiert am 22.11.2021 um 09:20:
Guten Tag, schön dass hier ein Thema aufgenommen wird, dass in der Praxis wirklich brennt. Denn je nach Unternehmensgröße kann dies bedeuten, dass ein Unternehmen 2-3.000 Anzeigen machen muss. Ob dies im Sinne der Finanzverwaltung ist, wage ich zu bezweifeln. Die Finanzverwaltung sollte sich fragen, ob Sie bei Korrekturen nach dem Jahreswechsel hier nicht eine Billigkeitsregelung schaffen möchte, bevor die Arbeitgeberstellen komplett zusammenbrechen
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